Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.

Bild:
<< vorherige Seite

augenscheinlich sehen, daß seine Hand mit im Spiel. Der Herr Obrist wollte nur fünfhundert Thaler von mir haben, hernach zweihundert, zuletzt ließ er bei meinem Schwiegersohn (welcher mich durchaus bereden wollen) nur mein Selbsterbieten suchen. Allein, ich gab ihm zur Antwort: wenn der Herr Obrist mir würde zu den fünfhundert Thalern helfen, wollte ich ihm fünfzig von geben! - Aber es ward nichts draus.

Nun wiedrum zum Ende und Absterben meiner Frau zu kommen. So ward dieselbige sehr elend, wiewohl ihr der Schwiegersohn und Tochter alles, was sie nur konnten, thaten. Ihre Beine brachen alle beide auf; und sie wurf stinkende Materie in großer Menge aus, daß niemand sonst bei ihr bleiben konnte, wiewohl sie ihre eigene Wartfrau stetig hatte.

Zuletzt (weiß ich nicht, worum sie das that) rufte mich zu sich. So schwach, als sie war, richtete sich auf, zog mich zu sich, umbfaßte mich so hart, daß ich nimmer von ihr vermeinet, daß sie so viel Kräfte hätte und sagte: "Ach Mann, zu tausend guter Nacht; mein lieber Mann, vergieb! Habe ich was nicht recht gethan, ist mir's leid von Herzen. Böse Leut haben mich dazu gebracht. Sollte ich nun noch leben, ich wollte es besser machen! Aber nun ist's geschehen. Lasse es meinen Kindern nicht entgelten."

Damit schickte sie sich zum Tode und verschied auch selbige Nacht.

Ich ließe sie ehrlich mit Kutschen begraben und gab ihrer Tochter zehen Thaler zur Trauer, wie auch dem Gesinde Trauer.

Ich mag wohl sagen, so sehr übele Zeit ich bei ihr hatte, so nahe ging mir doch ihr Absterben, daß ich viel Thränen über sie vergoß. Und wäre zu wünschen gewesen, wenn ich auch nun ein alter Mann: sie wäre in Friede

augenscheinlich sehen, daß seine Hand mit im Spiel. Der Herr Obrist wollte nur fünfhundert Thaler von mir haben, hernach zweihundert, zuletzt ließ er bei meinem Schwiegersohn (welcher mich durchaus bereden wollen) nur mein Selbsterbieten suchen. Allein, ich gab ihm zur Antwort: wenn der Herr Obrist mir würde zu den fünfhundert Thalern helfen, wollte ich ihm fünfzig von geben! – Aber es ward nichts draus.

Nun wiedrum zum Ende und Absterben meiner Frau zu kommen. So ward dieselbige sehr elend, wiewohl ihr der Schwiegersohn und Tochter alles, was sie nur konnten, thaten. Ihre Beine brachen alle beide auf; und sie wurf stinkende Materie in großer Menge aus, daß niemand sonst bei ihr bleiben konnte, wiewohl sie ihre eigene Wartfrau stetig hatte.

Zuletzt (weiß ich nicht, worum sie das that) rufte mich zu sich. So schwach, als sie war, richtete sich auf, zog mich zu sich, umbfaßte mich so hart, daß ich nimmer von ihr vermeinet, daß sie so viel Kräfte hätte und sagte: „Ach Mann, zu tausend guter Nacht; mein lieber Mann, vergieb! Habe ich was nicht recht gethan, ist mir’s leid von Herzen. Böse Leut haben mich dazu gebracht. Sollte ich nun noch leben, ich wollte es besser machen! Aber nun ist’s geschehen. Lasse es meinen Kindern nicht entgelten.“

Damit schickte sie sich zum Tode und verschied auch selbige Nacht.

Ich ließe sie ehrlich mit Kutschen begraben und gab ihrer Tochter zehen Thaler zur Trauer, wie auch dem Gesinde Trauer.

Ich mag wohl sagen, so sehr übele Zeit ich bei ihr hatte, so nahe ging mir doch ihr Absterben, daß ich viel Thränen über sie vergoß. Und wäre zu wünschen gewesen, wenn ich auch nun ein alter Mann: sie wäre in Friede

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <p><pb facs="#f0304"/>
augenscheinlich sehen, daß seine Hand mit im Spiel. Der Herr Obrist wollte nur fünfhundert Thaler von mir haben, hernach zweihundert, zuletzt ließ er bei meinem Schwiegersohn (welcher mich durchaus bereden wollen) nur mein Selbsterbieten suchen. Allein, ich gab ihm zur Antwort: wenn der Herr Obrist mir würde zu den fünfhundert Thalern helfen, wollte ich ihm fünfzig von geben! &#x2013; Aber es ward nichts draus.</p>
          <p><hi rendition="#in">N</hi>un wiedrum zum Ende und Absterben meiner Frau zu kommen. So ward dieselbige sehr elend, wiewohl ihr der Schwiegersohn und Tochter alles, was sie nur konnten, thaten. Ihre Beine brachen alle beide auf; und sie wurf stinkende Materie in großer Menge aus, daß niemand sonst bei ihr bleiben konnte, wiewohl sie ihre eigene Wartfrau stetig hatte.</p>
          <p>Zuletzt (weiß ich nicht, worum sie das that) rufte mich zu sich. So schwach, als sie war, richtete sich auf, zog mich zu sich, umbfaßte mich so hart, daß ich nimmer von ihr vermeinet, daß sie so viel Kräfte hätte und sagte: &#x201E;Ach Mann, zu tausend guter Nacht; mein lieber Mann, vergieb! Habe ich was nicht recht gethan, ist mir&#x2019;s leid von Herzen. Böse Leut haben mich dazu gebracht. Sollte ich nun noch leben, ich wollte es besser machen! Aber nun ist&#x2019;s geschehen. Lasse es meinen Kindern nicht entgelten.&#x201C;</p>
          <p>Damit schickte sie sich zum Tode und verschied auch selbige Nacht.</p>
          <p>Ich ließe sie ehrlich mit Kutschen begraben und gab ihrer Tochter zehen Thaler zur Trauer, wie auch dem Gesinde Trauer.</p>
          <p>Ich mag wohl sagen, so sehr übele Zeit ich bei ihr hatte, so nahe ging mir doch ihr Absterben, daß ich viel Thränen über sie vergoß. Und wäre zu wünschen gewesen, wenn ich auch nun ein alter Mann: sie wäre in Friede
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0304] augenscheinlich sehen, daß seine Hand mit im Spiel. Der Herr Obrist wollte nur fünfhundert Thaler von mir haben, hernach zweihundert, zuletzt ließ er bei meinem Schwiegersohn (welcher mich durchaus bereden wollen) nur mein Selbsterbieten suchen. Allein, ich gab ihm zur Antwort: wenn der Herr Obrist mir würde zu den fünfhundert Thalern helfen, wollte ich ihm fünfzig von geben! – Aber es ward nichts draus. Nun wiedrum zum Ende und Absterben meiner Frau zu kommen. So ward dieselbige sehr elend, wiewohl ihr der Schwiegersohn und Tochter alles, was sie nur konnten, thaten. Ihre Beine brachen alle beide auf; und sie wurf stinkende Materie in großer Menge aus, daß niemand sonst bei ihr bleiben konnte, wiewohl sie ihre eigene Wartfrau stetig hatte. Zuletzt (weiß ich nicht, worum sie das that) rufte mich zu sich. So schwach, als sie war, richtete sich auf, zog mich zu sich, umbfaßte mich so hart, daß ich nimmer von ihr vermeinet, daß sie so viel Kräfte hätte und sagte: „Ach Mann, zu tausend guter Nacht; mein lieber Mann, vergieb! Habe ich was nicht recht gethan, ist mir’s leid von Herzen. Böse Leut haben mich dazu gebracht. Sollte ich nun noch leben, ich wollte es besser machen! Aber nun ist’s geschehen. Lasse es meinen Kindern nicht entgelten.“ Damit schickte sie sich zum Tode und verschied auch selbige Nacht. Ich ließe sie ehrlich mit Kutschen begraben und gab ihrer Tochter zehen Thaler zur Trauer, wie auch dem Gesinde Trauer. Ich mag wohl sagen, so sehr übele Zeit ich bei ihr hatte, so nahe ging mir doch ihr Absterben, daß ich viel Thränen über sie vergoß. Und wäre zu wünschen gewesen, wenn ich auch nun ein alter Mann: sie wäre in Friede

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Projekt Gutenberg-DE: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-06-28T07:11:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frank Wiegand: Bearbeitung der digitalen Edition (2012-09-04T07:11:29Z)
Frederike Neuber: Überarbeitung der digitalen Edition (2014-01-10T14:11:29Z)
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-06-28T07:11:29Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/304
Zitationshilfe: Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/304>, abgerufen am 04.05.2024.