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Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.

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Ich reisete von Magdeburg nach Halberstadt, allwo ich mich, Gebrauch nach, einlegete und bei Herrn Roppern kam. Wegen schlechter Traktamenten aber mich in ein Wirtshaus da logierete; weil böse Wetter und Weg einfiel'n und ich nicht von dannen konnte. In meinem Wirtshause waren zwei feine Jungfraun, welche auch nach Braunschweig wollten. Kunnten aber keine Gelegenheit antreffen, bis wir eigene Fuhre mietheten und teuer bezahlen mußten.

Wir reiseten miteinander fort. Und hätten die liebe Jungfern gerne gesehen, ich hätte mich familiärer mit sie gemacht und überall vor sie bezahlet. Denn sie wohl nicht viel zum besten hatten, wie sich dies auswies, als uns die erste Nacht die Wirtin des Morgens um viel Garn beschuldigte, das ihr wegkommen. Ich machte meinen Kuffer gleich auf und wurde auch vor unschuldig erkannt. Mit meinen Frauenzimmern aber hielt es was härter, bis der Gerichtsfrone kam und ihre Kuffer mit Gewalt öffnete. Aber sie mochten es unter der Zeit wieder von sich geworfen haben und wollten hernach Satisfaktion vor ihre Beschimpfung lange haben. Doch ich war neutral, verwahrete meinen Kuffer nachts unter mein'm Kopfstreu und die Ficken band ich zu, wie ich allezeit auf Reisen that. Meine Sachen abends ordentlich zusammen und verwahret legte, den Kuffer selber auf und von der Kutsche trug. So durfte ich nicht klagen, wie andere: Ach, wo ist mein Degen, wo ist mein Hut, Handschuh, Schuhschnallen; ja Mantel und Schuhe ist weg! - Und so habe ich auf den vielfältigen Reisen nichts verloren.

Ich reisete von Magdeburg nach Halberstadt, allwo ich mich, Gebrauch nach, einlegete und bei Herrn Roppern kam. Wegen schlechter Traktamenten aber mich in ein Wirtshaus da logierete; weil böse Wetter und Weg einfiel’n und ich nicht von dannen konnte. In meinem Wirtshause waren zwei feine Jungfraun, welche auch nach Braunschweig wollten. Kunnten aber keine Gelegenheit antreffen, bis wir eigene Fuhre mietheten und teuer bezahlen mußten.

Wir reiseten miteinander fort. Und hätten die liebe Jungfern gerne gesehen, ich hätte mich familiärer mit sie gemacht und überall vor sie bezahlet. Denn sie wohl nicht viel zum besten hatten, wie sich dies auswies, als uns die erste Nacht die Wirtin des Morgens um viel Garn beschuldigte, das ihr wegkommen. Ich machte meinen Kuffer gleich auf und wurde auch vor unschuldig erkannt. Mit meinen Frauenzimmern aber hielt es was härter, bis der Gerichtsfrone kam und ihre Kuffer mit Gewalt öffnete. Aber sie mochten es unter der Zeit wieder von sich geworfen haben und wollten hernach Satisfaktion vor ihre Beschimpfung lange haben. Doch ich war neutral, verwahrete meinen Kuffer nachts unter mein’m Kopfstreu und die Ficken band ich zu, wie ich allezeit auf Reisen that. Meine Sachen abends ordentlich zusammen und verwahret legte, den Kuffer selber auf und von der Kutsche trug. So durfte ich nicht klagen, wie andere: Ach, wo ist mein Degen, wo ist mein Hut, Handschuh, Schuhschnallen; ja Mantel und Schuhe ist weg! – Und so habe ich auf den vielfältigen Reisen nichts verloren.

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[0099] Ich reisete von Magdeburg nach Halberstadt, allwo ich mich, Gebrauch nach, einlegete und bei Herrn Roppern kam. Wegen schlechter Traktamenten aber mich in ein Wirtshaus da logierete; weil böse Wetter und Weg einfiel’n und ich nicht von dannen konnte. In meinem Wirtshause waren zwei feine Jungfraun, welche auch nach Braunschweig wollten. Kunnten aber keine Gelegenheit antreffen, bis wir eigene Fuhre mietheten und teuer bezahlen mußten. Wir reiseten miteinander fort. Und hätten die liebe Jungfern gerne gesehen, ich hätte mich familiärer mit sie gemacht und überall vor sie bezahlet. Denn sie wohl nicht viel zum besten hatten, wie sich dies auswies, als uns die erste Nacht die Wirtin des Morgens um viel Garn beschuldigte, das ihr wegkommen. Ich machte meinen Kuffer gleich auf und wurde auch vor unschuldig erkannt. Mit meinen Frauenzimmern aber hielt es was härter, bis der Gerichtsfrone kam und ihre Kuffer mit Gewalt öffnete. Aber sie mochten es unter der Zeit wieder von sich geworfen haben und wollten hernach Satisfaktion vor ihre Beschimpfung lange haben. Doch ich war neutral, verwahrete meinen Kuffer nachts unter mein’m Kopfstreu und die Ficken band ich zu, wie ich allezeit auf Reisen that. Meine Sachen abends ordentlich zusammen und verwahret legte, den Kuffer selber auf und von der Kutsche trug. So durfte ich nicht klagen, wie andere: Ach, wo ist mein Degen, wo ist mein Hut, Handschuh, Schuhschnallen; ja Mantel und Schuhe ist weg! – Und so habe ich auf den vielfältigen Reisen nichts verloren.

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Zitationshilfe: Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/99>, abgerufen am 26.04.2024.