Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

- Steigen wir hinab in den Keller, zu kosten den
Wein, der süß ist wie Honig.

- Lieber tränke ich wohl das Wasser der Wiesen,
von dem auch trinken die Rosse meines Vaters.

- Komm mit mir von Laden zu Laden und kaufe
dir ein Festgewand.

- Lieber möchte ich tragen einen Rock von Lein-
wand, wenn meine Mutter mir ihn gesponnen.

- Warum hatte ich nicht ein Geschwür auf der
Zunge an dem Tage, wo ich ein solcher Narr war,
dich zu kaufen, wenn Nichts dich trösten kann.

IV.

- Liebe kleine Vögel, auf eurem Flug, ich bitte
Euch, hört meine Stimme. Zu meinem Dorfe eilt Jhr
und ich gehe nimmer dort hin. Jhr seid lustig und
ich bin traurig. Bringt meine Grüße allen meinen
Landsleuten, der guten Mutter, die mir das Leben
gab, dem Vater, der mich ernährte, und meinem Bruder
sagt, ich verzeihe ihm.

V.

Zwei oder drei Monate später, als die Familie zu
Bett war, hörte man an der Thür eine sanfte Stimme.
- "Mein Vater, meine Mutter, um der Liebe Gottes
willen, betet für mich - Eure Tochter liegt auf der
Todtenbahre."

– Steigen wir hinab in den Keller, zu kosten den
Wein, der süß ist wie Honig.

– Lieber tränke ich wohl das Wasser der Wiesen,
von dem auch trinken die Rosse meines Vaters.

– Komm mit mir von Laden zu Laden und kaufe
dir ein Festgewand.

– Lieber möchte ich tragen einen Rock von Lein-
wand, wenn meine Mutter mir ihn gesponnen.

– Warum hatte ich nicht ein Geschwür auf der
Zunge an dem Tage, wo ich ein solcher Narr war,
dich zu kaufen, wenn Nichts dich trösten kann.

IV.

– Liebe kleine Vögel, auf eurem Flug, ich bitte
Euch, hört meine Stimme. Zu meinem Dorfe eilt Jhr
und ich gehe nimmer dort hin. Jhr seid lustig und
ich bin traurig. Bringt meine Grüße allen meinen
Landsleuten, der guten Mutter, die mir das Leben
gab, dem Vater, der mich ernährte, und meinem Bruder
sagt, ich verzeihe ihm.

V.

Zwei oder drei Monate später, als die Familie zu
Bett war, hörte man an der Thür eine sanfte Stimme.
– „Mein Vater, meine Mutter, um der Liebe Gottes
willen, betet für mich – Eure Tochter liegt auf der
Todtenbahre.‟

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="3">
          <div n="4">
            <pb facs="#f0097" n="89"/>
            <p>&#x2013; Steigen wir hinab in den Keller, zu kosten den<lb/>
Wein, der süß ist wie Honig.</p><lb/>
            <p>&#x2013; Lieber tränke ich wohl das Wasser der Wiesen,<lb/>
von dem auch trinken die Rosse meines Vaters.</p><lb/>
            <p>&#x2013; Komm mit mir von Laden zu Laden und kaufe<lb/>
dir ein Festgewand.</p><lb/>
            <p>&#x2013; Lieber möchte ich tragen einen Rock von Lein-<lb/>
wand, wenn meine Mutter mir ihn gesponnen.</p><lb/>
            <p>&#x2013; Warum hatte ich nicht ein Geschwür auf der<lb/>
Zunge an dem Tage, wo ich ein solcher Narr war,<lb/>
dich zu kaufen, wenn Nichts dich trösten kann.</p><lb/>
          </div>
          <div n="4">
            <head> <hi rendition="#aq">IV.</hi> </head><lb/>
            <p>&#x2013; Liebe kleine Vögel, auf eurem Flug, ich bitte<lb/>
Euch, hört meine Stimme. Zu meinem Dorfe eilt Jhr<lb/>
und ich gehe nimmer dort hin. Jhr seid lustig und<lb/>
ich bin traurig. Bringt meine Grüße allen meinen<lb/>
Landsleuten, der guten Mutter, die mir das Leben<lb/>
gab, dem Vater, der mich ernährte, und meinem Bruder<lb/>
sagt, ich verzeihe ihm.</p><lb/>
          </div>
          <div n="4">
            <head><hi rendition="#aq">V</hi>.</head><lb/>
            <p>Zwei oder drei Monate später, als die Familie zu<lb/>
Bett war, hörte man an der Thür eine sanfte Stimme.<lb/>
&#x2013; &#x201E;Mein Vater, meine Mutter, um der Liebe Gottes<lb/>
willen, betet für mich &#x2013; Eure Tochter liegt auf der<lb/>
Todtenbahre.&#x201F;</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[89/0097] – Steigen wir hinab in den Keller, zu kosten den Wein, der süß ist wie Honig. – Lieber tränke ich wohl das Wasser der Wiesen, von dem auch trinken die Rosse meines Vaters. – Komm mit mir von Laden zu Laden und kaufe dir ein Festgewand. – Lieber möchte ich tragen einen Rock von Lein- wand, wenn meine Mutter mir ihn gesponnen. – Warum hatte ich nicht ein Geschwür auf der Zunge an dem Tage, wo ich ein solcher Narr war, dich zu kaufen, wenn Nichts dich trösten kann. IV. – Liebe kleine Vögel, auf eurem Flug, ich bitte Euch, hört meine Stimme. Zu meinem Dorfe eilt Jhr und ich gehe nimmer dort hin. Jhr seid lustig und ich bin traurig. Bringt meine Grüße allen meinen Landsleuten, der guten Mutter, die mir das Leben gab, dem Vater, der mich ernährte, und meinem Bruder sagt, ich verzeihe ihm. V. Zwei oder drei Monate später, als die Familie zu Bett war, hörte man an der Thür eine sanfte Stimme. – „Mein Vater, meine Mutter, um der Liebe Gottes willen, betet für mich – Eure Tochter liegt auf der Todtenbahre.‟

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-04-07T16:13:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-04-07T16:13:32Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/97
Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/97>, abgerufen am 30.04.2024.