Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

den Gesichtspunkt zurück tritt, aus dem allein diese
Sache richtig angesehen werden kann. Allerdings
hat es seine Richtigkeit, daß die Juden, so wie sie
jetzt sind
, mit ihrem trennenden Gesetz, absondern-
den Gebräuchen und mancherley Vorurtheilen nicht
vollkommen gute Bürger seyn können. Aber diese
Hindernisse bestehen nur deshalb, weil man durch
die drückende Lage, in der man die Juden gehalten,
sie gezwungen hat, sich immer als ein von allen übri-
gen Erdebewohnern getrenntes Geschlecht in sich
zu vereinigen; Lehren und Gebräuche mit desto wär-
merer Anhänglichkeit zu umfassen, je mehr die übri-
ge Welt sie ihnen zu entreissen sich verschworen hatte-
Drückung und Verfolgung sind der fruchtbarste und
nährendste Boden des Aberglaubens und geheiligter
Vorurthelle. Ohne sie würde von manchen Secten
kaum noch der Nahme übrig seyn, und gewiß auch
der jüdische Glaube sich längst schon mit andern ver-
schmolzen oder wenigstens, welches uns hier schon
genug ist, seine schneidende Ecken abgeschliffen und
sich in die politische Verfassungen besser eingepaßt ha-
ben, wenn er nicht zu nahe verwandt mit dem christ-
lichen, von diesem unaufhörlich so abschreckende Er-
innerungen der Verschiedenheit (welche eben die nahe
Verwandschaft noch beleidigender macht) erhalten

hätte.

den Geſichtspunkt zuruͤck tritt, aus dem allein dieſe
Sache richtig angeſehen werden kann. Allerdings
hat es ſeine Richtigkeit, daß die Juden, ſo wie ſie
jetzt ſind
, mit ihrem trennenden Geſetz, abſondern-
den Gebraͤuchen und mancherley Vorurtheilen nicht
vollkommen gute Buͤrger ſeyn koͤnnen. Aber dieſe
Hinderniſſe beſtehen nur deshalb, weil man durch
die druͤckende Lage, in der man die Juden gehalten,
ſie gezwungen hat, ſich immer als ein von allen uͤbri-
gen Erdebewohnern getrenntes Geſchlecht in ſich
zu vereinigen; Lehren und Gebraͤuche mit deſto waͤr-
merer Anhaͤnglichkeit zu umfaſſen, je mehr die uͤbri-
ge Welt ſie ihnen zu entreiſſen ſich verſchworen hatte-
Druͤckung und Verfolgung ſind der fruchtbarſte und
naͤhrendſte Boden des Aberglaubens und geheiligter
Vorurthelle. Ohne ſie wuͤrde von manchen Secten
kaum noch der Nahme uͤbrig ſeyn, und gewiß auch
der juͤdiſche Glaube ſich laͤngſt ſchon mit andern ver-
ſchmolzen oder wenigſtens, welches uns hier ſchon
genug iſt, ſeine ſchneidende Ecken abgeſchliffen und
ſich in die politiſche Verfaſſungen beſſer eingepaßt ha-
ben, wenn er nicht zu nahe verwandt mit dem chriſt-
lichen, von dieſem unaufhoͤrlich ſo abſchreckende Er-
innerungen der Verſchiedenheit (welche eben die nahe
Verwandſchaft noch beleidigender macht) erhalten

haͤtte.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0181" n="173"/>
den Ge&#x017F;ichtspunkt zuru&#x0364;ck tritt, aus dem allein die&#x017F;e<lb/>
Sache richtig ange&#x017F;ehen werden kann. Allerdings<lb/>
hat es &#x017F;eine Richtigkeit, daß die <hi rendition="#fr">Juden, &#x017F;o wie &#x017F;ie<lb/>
jetzt &#x017F;ind</hi>, mit ihrem trennenden Ge&#x017F;etz, ab&#x017F;ondern-<lb/>
den Gebra&#x0364;uchen und mancherley Vorurtheilen nicht<lb/>
vollkommen gute Bu&#x0364;rger &#x017F;eyn ko&#x0364;nnen. Aber die&#x017F;e<lb/>
Hinderni&#x017F;&#x017F;e be&#x017F;tehen nur deshalb, weil man durch<lb/>
die dru&#x0364;ckende Lage, in der man die Juden gehalten,<lb/>
&#x017F;ie gezwungen hat, &#x017F;ich immer als ein von allen u&#x0364;bri-<lb/>
gen Erdebewohnern getrenntes Ge&#x017F;chlecht in &#x017F;ich<lb/>
zu vereinigen; Lehren und Gebra&#x0364;uche mit de&#x017F;to wa&#x0364;r-<lb/>
merer Anha&#x0364;nglichkeit zu umfa&#x017F;&#x017F;en, je mehr die u&#x0364;bri-<lb/>
ge Welt &#x017F;ie ihnen zu entrei&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich ver&#x017F;chworen hatte-<lb/>
Dru&#x0364;ckung und Verfolgung &#x017F;ind der fruchtbar&#x017F;te und<lb/>
na&#x0364;hrend&#x017F;te Boden des Aberglaubens und geheiligter<lb/>
Vorurthelle. Ohne &#x017F;ie wu&#x0364;rde von manchen Secten<lb/>
kaum noch der Nahme u&#x0364;brig &#x017F;eyn, und gewiß auch<lb/>
der ju&#x0364;di&#x017F;che Glaube &#x017F;ich la&#x0364;ng&#x017F;t &#x017F;chon mit andern ver-<lb/>
&#x017F;chmolzen oder wenig&#x017F;tens, welches uns hier &#x017F;chon<lb/>
genug i&#x017F;t, &#x017F;eine &#x017F;chneidende Ecken abge&#x017F;chliffen und<lb/>
&#x017F;ich in die politi&#x017F;che Verfa&#x017F;&#x017F;ungen be&#x017F;&#x017F;er eingepaßt ha-<lb/>
ben, wenn er nicht zu nahe verwandt mit dem chri&#x017F;t-<lb/>
lichen, von die&#x017F;em unaufho&#x0364;rlich &#x017F;o ab&#x017F;chreckende Er-<lb/>
innerungen der Ver&#x017F;chiedenheit (welche eben die nahe<lb/>
Verwand&#x017F;chaft noch beleidigender macht) erhalten<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ha&#x0364;tte.</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[173/0181] den Geſichtspunkt zuruͤck tritt, aus dem allein dieſe Sache richtig angeſehen werden kann. Allerdings hat es ſeine Richtigkeit, daß die Juden, ſo wie ſie jetzt ſind, mit ihrem trennenden Geſetz, abſondern- den Gebraͤuchen und mancherley Vorurtheilen nicht vollkommen gute Buͤrger ſeyn koͤnnen. Aber dieſe Hinderniſſe beſtehen nur deshalb, weil man durch die druͤckende Lage, in der man die Juden gehalten, ſie gezwungen hat, ſich immer als ein von allen uͤbri- gen Erdebewohnern getrenntes Geſchlecht in ſich zu vereinigen; Lehren und Gebraͤuche mit deſto waͤr- merer Anhaͤnglichkeit zu umfaſſen, je mehr die uͤbri- ge Welt ſie ihnen zu entreiſſen ſich verſchworen hatte- Druͤckung und Verfolgung ſind der fruchtbarſte und naͤhrendſte Boden des Aberglaubens und geheiligter Vorurthelle. Ohne ſie wuͤrde von manchen Secten kaum noch der Nahme uͤbrig ſeyn, und gewiß auch der juͤdiſche Glaube ſich laͤngſt ſchon mit andern ver- ſchmolzen oder wenigſtens, welches uns hier ſchon genug iſt, ſeine ſchneidende Ecken abgeſchliffen und ſich in die politiſche Verfaſſungen beſſer eingepaßt ha- ben, wenn er nicht zu nahe verwandt mit dem chriſt- lichen, von dieſem unaufhoͤrlich ſo abſchreckende Er- innerungen der Verſchiedenheit (welche eben die nahe Verwandſchaft noch beleidigender macht) erhalten haͤtte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/181
Zitationshilfe: Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/181>, abgerufen am 30.04.2024.