Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

sonderbar, daß man mich, der ich doch bloß mit der
Sache des Staats und gar nicht mit dem jüdischen
Lehrbegriff es zu thun habe, hat so verstehen können,
als verlangte ich, daß die Juden immer gerade sol-
che Juden
blieben, wie sie itzt sind, und daß man
dann, diese widernatürliche Unveränderlichkeit einmal
angenommen, ihre itzige Fehler mir als einen Be-
weis entgegensetzt, daß sie auch in jeder Zukunft für
den Staat nicht taugen würden. Dieser Mißver-
stand ist geschehn, ob ich gleich so deutlich mich er-
klärt hatte, daß ich von der Ausführung meiner Vor-
schläge gewiß erwarte, die Juden würden ihre bür-
gerlich nachtheiligen Vorurtheile ablegen und aufhö-
ren, solche Juden zu seyn, wie sie bisher waren.
Es ist also nöthig mich hierüber noch deutlicher und
genauer zu erklären.

Allerdings haben die Juden in ihrer Religion
Vorurtheile, die sie in gewissem Grade unfähig ma-
chen, alle Pflichten zu erfüllen, die der Staat von
seinen Bürgern verlangt, und bey denen sie diesen
nicht völlig gleich werden können. Diese Vorurthei-
le entstehen zum Theil daher, weil die Juden noch
immer streng ein Gesetz beobachten, welches freylich
die Absicht hatte, sie von allen andern Nationen zu
trennen, sie in einen eigenen für sich bestehenden

Staat

ſonderbar, daß man mich, der ich doch bloß mit der
Sache des Staats und gar nicht mit dem juͤdiſchen
Lehrbegriff es zu thun habe, hat ſo verſtehen koͤnnen,
als verlangte ich, daß die Juden immer gerade ſol-
che Juden
blieben, wie ſie itzt ſind, und daß man
dann, dieſe widernatuͤrliche Unveraͤnderlichkeit einmal
angenommen, ihre itzige Fehler mir als einen Be-
weis entgegenſetzt, daß ſie auch in jeder Zukunft fuͤr
den Staat nicht taugen wuͤrden. Dieſer Mißver-
ſtand iſt geſchehn, ob ich gleich ſo deutlich mich er-
klaͤrt hatte, daß ich von der Ausfuͤhrung meiner Vor-
ſchlaͤge gewiß erwarte, die Juden wuͤrden ihre buͤr-
gerlich nachtheiligen Vorurtheile ablegen und aufhoͤ-
ren, ſolche Juden zu ſeyn, wie ſie bisher waren.
Es iſt alſo noͤthig mich hieruͤber noch deutlicher und
genauer zu erklaͤren.

Allerdings haben die Juden in ihrer Religion
Vorurtheile, die ſie in gewiſſem Grade unfaͤhig ma-
chen, alle Pflichten zu erfuͤllen, die der Staat von
ſeinen Buͤrgern verlangt, und bey denen ſie dieſen
nicht voͤllig gleich werden koͤnnen. Dieſe Vorurthei-
le entſtehen zum Theil daher, weil die Juden noch
immer ſtreng ein Geſetz beobachten, welches freylich
die Abſicht hatte, ſie von allen andern Nationen zu
trennen, ſie in einen eigenen fuͤr ſich beſtehenden

Staat
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0183" n="175"/>
&#x017F;onderbar, daß man mich, der ich doch bloß mit der<lb/>
Sache des Staats und gar nicht mit dem ju&#x0364;di&#x017F;chen<lb/>
Lehrbegriff es zu thun habe, hat &#x017F;o ver&#x017F;tehen ko&#x0364;nnen,<lb/>
als verlangte ich, daß die <hi rendition="#fr">Juden</hi> immer <hi rendition="#fr">gerade &#x017F;ol-<lb/>
che Juden</hi> blieben, wie &#x017F;ie itzt &#x017F;ind, und daß man<lb/>
dann, die&#x017F;e widernatu&#x0364;rliche Unvera&#x0364;nderlichkeit einmal<lb/>
angenommen, ihre itzige Fehler mir als einen Be-<lb/>
weis entgegen&#x017F;etzt, daß &#x017F;ie auch in jeder Zukunft fu&#x0364;r<lb/>
den Staat nicht taugen wu&#x0364;rden. Die&#x017F;er Mißver-<lb/>
&#x017F;tand i&#x017F;t ge&#x017F;chehn, ob ich gleich &#x017F;o deutlich mich er-<lb/>
kla&#x0364;rt hatte, daß ich von der Ausfu&#x0364;hrung meiner Vor-<lb/>
&#x017F;chla&#x0364;ge gewiß erwarte, die Juden wu&#x0364;rden ihre bu&#x0364;r-<lb/>
gerlich nachtheiligen Vorurtheile ablegen und aufho&#x0364;-<lb/>
ren, <hi rendition="#fr">&#x017F;olche Juden</hi> zu &#x017F;eyn, wie &#x017F;ie bisher waren.<lb/>
Es i&#x017F;t al&#x017F;o no&#x0364;thig mich hieru&#x0364;ber noch deutlicher und<lb/>
genauer zu erkla&#x0364;ren.</p><lb/>
          <p>Allerdings haben die Juden in ihrer Religion<lb/>
Vorurtheile, die &#x017F;ie in gewi&#x017F;&#x017F;em Grade unfa&#x0364;hig ma-<lb/>
chen, alle Pflichten zu erfu&#x0364;llen, die der Staat von<lb/>
&#x017F;einen Bu&#x0364;rgern verlangt, und bey denen &#x017F;ie die&#x017F;en<lb/>
nicht vo&#x0364;llig gleich werden ko&#x0364;nnen. Die&#x017F;e Vorurthei-<lb/>
le ent&#x017F;tehen zum Theil daher, weil die Juden noch<lb/>
immer &#x017F;treng ein Ge&#x017F;etz beobachten, welches freylich<lb/>
die Ab&#x017F;icht hatte, &#x017F;ie von allen andern Nationen zu<lb/>
trennen, &#x017F;ie in einen eigenen fu&#x0364;r &#x017F;ich be&#x017F;tehenden<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Staat</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[175/0183] ſonderbar, daß man mich, der ich doch bloß mit der Sache des Staats und gar nicht mit dem juͤdiſchen Lehrbegriff es zu thun habe, hat ſo verſtehen koͤnnen, als verlangte ich, daß die Juden immer gerade ſol- che Juden blieben, wie ſie itzt ſind, und daß man dann, dieſe widernatuͤrliche Unveraͤnderlichkeit einmal angenommen, ihre itzige Fehler mir als einen Be- weis entgegenſetzt, daß ſie auch in jeder Zukunft fuͤr den Staat nicht taugen wuͤrden. Dieſer Mißver- ſtand iſt geſchehn, ob ich gleich ſo deutlich mich er- klaͤrt hatte, daß ich von der Ausfuͤhrung meiner Vor- ſchlaͤge gewiß erwarte, die Juden wuͤrden ihre buͤr- gerlich nachtheiligen Vorurtheile ablegen und aufhoͤ- ren, ſolche Juden zu ſeyn, wie ſie bisher waren. Es iſt alſo noͤthig mich hieruͤber noch deutlicher und genauer zu erklaͤren. Allerdings haben die Juden in ihrer Religion Vorurtheile, die ſie in gewiſſem Grade unfaͤhig ma- chen, alle Pflichten zu erfuͤllen, die der Staat von ſeinen Buͤrgern verlangt, und bey denen ſie dieſen nicht voͤllig gleich werden koͤnnen. Dieſe Vorurthei- le entſtehen zum Theil daher, weil die Juden noch immer ſtreng ein Geſetz beobachten, welches freylich die Abſicht hatte, ſie von allen andern Nationen zu trennen, ſie in einen eigenen fuͤr ſich beſtehenden Staat

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/183
Zitationshilfe: Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/183>, abgerufen am 30.04.2024.