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Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783.

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gion gemehrt und hiedurch die Veranlassung ihrer
religiösen Vereinigung gegeben wäre, welches, wie
mich dünkt, kein geringer Fortschritt zu der Verbes-
serung und Aufklärung des menschlichen Geschlechts

über-
"widrigenfalls, mit ihren Weibern und Kindern in
"dieser Welt unglücklich und in der künftigen der
"Seeligkeit beraubt seyn
." Gewiß das sind Verfü-
gungen, die dem Begriffe, den uns Joseph II. bis
itzt von seinem erhabenen Geiste gegeben hat, zu
geradezu widersprechen, als daß man sie für die sei-
nigen anerkennen könnte. Er, der seine Untertha-
nen auf eine so edle Art wieder in den Genuß der
natürlichen Rechte des Gewissens setzen will, sollte
sie itzt so grausam unterdrücken, die Natur aller
Ueberzeugungen des Verstandes so ganz verkennen
wollen, daß er eine Frist von acht Tagen zu An-
nehmung eines religiösen Lehrbegriffs festsetzen könn-
te? Er, der mit so entschloßnem, eines deutschen
Kaisers so würdigem Muthe, seinen Staat und sei-
ne Unterthauen von dem Druck der Hierarchie be-
freyen wollen, sollte in bürgerlichen Verordnun-
gen von einem allein seeligmachenden Glauben
reden, und denen seiner Unterthanen, welche ihn
nicht annehmen, nicht einmal erlauben, nach ihrer
eignen Einsicht, sondern nur nach gewissen bestimm-
ten Formeln, nicht seelig zu werden? Untertha-
nen,
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gion gemehrt und hiedurch die Veranlaſſung ihrer
religioͤſen Vereinigung gegeben waͤre, welches, wie
mich duͤnkt, kein geringer Fortſchritt zu der Verbeſ-
ſerung und Aufklaͤrung des menſchlichen Geſchlechts

uͤber-
„widrigenfalls, mit ihren Weibern und Kindern in
„dieſer Welt ungluͤcklich und in der kuͤnftigen der
„Seeligkeit beraubt ſeyn
.“ Gewiß das ſind Verfuͤ-
gungen, die dem Begriffe, den uns Joſeph II. bis
itzt von ſeinem erhabenen Geiſte gegeben hat, zu
geradezu widerſprechen, als daß man ſie fuͤr die ſei-
nigen anerkennen koͤnnte. Er, der ſeine Untertha-
nen auf eine ſo edle Art wieder in den Genuß der
natuͤrlichen Rechte des Gewiſſens ſetzen will, ſollte
ſie itzt ſo grauſam unterdruͤcken, die Natur aller
Ueberzeugungen des Verſtandes ſo ganz verkennen
wollen, daß er eine Friſt von acht Tagen zu An-
nehmung eines religioͤſen Lehrbegriffs feſtſetzen koͤnn-
te? Er, der mit ſo entſchloßnem, eines deutſchen
Kaiſers ſo wuͤrdigem Muthe, ſeinen Staat und ſei-
ne Unterthauen von dem Druck der Hierarchie be-
freyen wollen, ſollte in buͤrgerlichen Verordnun-
gen von einem allein ſeeligmachenden Glauben
reden, und denen ſeiner Unterthanen, welche ihn
nicht annehmen, nicht einmal erlauben, nach ihrer
eignen Einſicht, ſondern nur nach gewiſſen beſtimm-
ten Formeln, nicht ſeelig zu werden? Untertha-
nen,
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[183/0191] gion gemehrt und hiedurch die Veranlaſſung ihrer religioͤſen Vereinigung gegeben waͤre, welches, wie mich duͤnkt, kein geringer Fortſchritt zu der Verbeſ- ſerung und Aufklaͤrung des menſchlichen Geſchlechts uͤber- *) *) „widrigenfalls, mit ihren Weibern und Kindern in „dieſer Welt ungluͤcklich und in der kuͤnftigen der „Seeligkeit beraubt ſeyn.“ Gewiß das ſind Verfuͤ- gungen, die dem Begriffe, den uns Joſeph II. bis itzt von ſeinem erhabenen Geiſte gegeben hat, zu geradezu widerſprechen, als daß man ſie fuͤr die ſei- nigen anerkennen koͤnnte. Er, der ſeine Untertha- nen auf eine ſo edle Art wieder in den Genuß der natuͤrlichen Rechte des Gewiſſens ſetzen will, ſollte ſie itzt ſo grauſam unterdruͤcken, die Natur aller Ueberzeugungen des Verſtandes ſo ganz verkennen wollen, daß er eine Friſt von acht Tagen zu An- nehmung eines religioͤſen Lehrbegriffs feſtſetzen koͤnn- te? Er, der mit ſo entſchloßnem, eines deutſchen Kaiſers ſo wuͤrdigem Muthe, ſeinen Staat und ſei- ne Unterthauen von dem Druck der Hierarchie be- freyen wollen, ſollte in buͤrgerlichen Verordnun- gen von einem allein ſeeligmachenden Glauben reden, und denen ſeiner Unterthanen, welche ihn nicht annehmen, nicht einmal erlauben, nach ihrer eignen Einſicht, ſondern nur nach gewiſſen beſtimm- ten Formeln, nicht ſeelig zu werden? Untertha- nen, M 4

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Zitationshilfe: Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/191>, abgerufen am 30.04.2024.