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Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846.

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Das Unvermeidliche.
begab sich Herr W. nach der Residenz, angeblich um
wegen des gegen ihn verhängten Verfahrens persönlich
eine Vorstellung zu machen, wie das Gerücht jedoch
sagte: um über die Demagogen-Untersuchung Winke
und Mittheilungen zu geben. Das Resultat seines Be¬
suchs in der Residenz war, daß die Untersuchung gegen
ihn niedergeschlagen, er selbst als Instruktions-Richter
und Polizeidirektor nach *** gesendet und ihm die Un¬
tersuchung in Sachen der demagogischen Umtriebe daselbst
übertragen wurde. In dieser Funktion bewies er denn
bald den thätigsten Eifer. Die Gefangenen wurden mit
der größten Strenge behandelt, abwechselnd bald in häu¬
fige, lang anhaltende Verhöre genommen, bald wieder
erst nach unendlichen Zwischenräumen; es wurden ihnen
die gleichgültigsten, harmlosesten Briefe zur Erläuterung
und Rechtfertigung von einzelnen, unbezüglichen Stellen
vorgelegt, andere Papiere dagegen, auf welche sie sich
beriefen, vorenthalten, und die peinliche Bewachung ihrer
Person ging so weit, daß ein Offiziant zugegen sein
mußte, wenn der Barbier sie bediente. Dabei sprach
sich die öffentliche Meinung dahin aus, daß es gerade
die der Regierung mißliebigen früheren Opponenten seien,
gegen welche W. am strengsten verfahre.

Das Unvermeidliche.
begab ſich Herr W. nach der Reſidenz, angeblich um
wegen des gegen ihn verhaͤngten Verfahrens perſoͤnlich
eine Vorſtellung zu machen, wie das Geruͤcht jedoch
ſagte: um uͤber die Demagogen-Unterſuchung Winke
und Mittheilungen zu geben. Das Reſultat ſeines Be¬
ſuchs in der Reſidenz war, daß die Unterſuchung gegen
ihn niedergeſchlagen, er ſelbſt als Inſtruktions-Richter
und Polizeidirektor nach *** geſendet und ihm die Un¬
terſuchung in Sachen der demagogiſchen Umtriebe daſelbſt
uͤbertragen wurde. In dieſer Funktion bewies er denn
bald den thaͤtigſten Eifer. Die Gefangenen wurden mit
der groͤßten Strenge behandelt, abwechſelnd bald in haͤu¬
fige, lang anhaltende Verhoͤre genommen, bald wieder
erſt nach unendlichen Zwiſchenraͤumen; es wurden ihnen
die gleichguͤltigſten, harmloſeſten Briefe zur Erlaͤuterung
und Rechtfertigung von einzelnen, unbezuͤglichen Stellen
vorgelegt, andere Papiere dagegen, auf welche ſie ſich
beriefen, vorenthalten, und die peinliche Bewachung ihrer
Perſon ging ſo weit, daß ein Offiziant zugegen ſein
mußte, wenn der Barbier ſie bediente. Dabei ſprach
ſich die oͤffentliche Meinung dahin aus, daß es gerade
die der Regierung mißliebigen fruͤheren Opponenten ſeien,
gegen welche W. am ſtrengſten verfahre.

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[164/0178] Das Unvermeidliche. begab ſich Herr W. nach der Reſidenz, angeblich um wegen des gegen ihn verhaͤngten Verfahrens perſoͤnlich eine Vorſtellung zu machen, wie das Geruͤcht jedoch ſagte: um uͤber die Demagogen-Unterſuchung Winke und Mittheilungen zu geben. Das Reſultat ſeines Be¬ ſuchs in der Reſidenz war, daß die Unterſuchung gegen ihn niedergeſchlagen, er ſelbſt als Inſtruktions-Richter und Polizeidirektor nach *** geſendet und ihm die Un¬ terſuchung in Sachen der demagogiſchen Umtriebe daſelbſt uͤbertragen wurde. In dieſer Funktion bewies er denn bald den thaͤtigſten Eifer. Die Gefangenen wurden mit der groͤßten Strenge behandelt, abwechſelnd bald in haͤu¬ fige, lang anhaltende Verhoͤre genommen, bald wieder erſt nach unendlichen Zwiſchenraͤumen; es wurden ihnen die gleichguͤltigſten, harmloſeſten Briefe zur Erlaͤuterung und Rechtfertigung von einzelnen, unbezuͤglichen Stellen vorgelegt, andere Papiere dagegen, auf welche ſie ſich beriefen, vorenthalten, und die peinliche Bewachung ihrer Perſon ging ſo weit, daß ein Offiziant zugegen ſein mußte, wenn der Barbier ſie bediente. Dabei ſprach ſich die oͤffentliche Meinung dahin aus, daß es gerade die der Regierung mißliebigen fruͤheren Opponenten ſeien, gegen welche W. am ſtrengſten verfahre.

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Zitationshilfe: Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846/178>, abgerufen am 30.04.2024.