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Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846.

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Das Unvermeidliche.
ausgestoßen von aller Gesellschaft, in der peinlichsten Lage
und machte nunmehr seinem Vater die bitterlichsten Vor¬
würfe. Der alte W., selbst bedrückt und besorgt durch
den düsteren Unmuth seines Sohnes, suchte ihn mit
schwachen Worten zu trösten, und kam, ohne ihm davon
Mittheilung zu machen, um Heinrichs Versetzung zu
einem andern Gericht ein. Dort, so dachte er, wisse
man nichts davon, und mittlerweile werde in *** wohl
Gras über die Geschichte wachsen, daß er später doch
zurückkehren könne.

Aber es war bereits zu spät damit.

Heinrichs Braut hatte diesen Zustand auf die Länge
nicht ertragen können. Sie liebte ihren Verlobten wohl,
sie hatte selbst bei jenem Auftritt im Theater für ihn
gezittert, und ihn am Abend besorgt gefragt: ob er sich
doch nicht etwa schlagen wolle. Aber im Geheimen hatte
sie doch gewünscht, daß er ihr eine siegreiche Probe sei¬
ner Tapferkeit geben möge. Sie hatte in der Universi¬
tätsstadt täglich von Duellen gehört, und Interesse an
den benarbten, immer fröhlichen Studenten genommen:
mußte ihr nicht die Handlungsweise ihres Verlobten wie
ein Akt seltener, vereinzelter Feigheit erscheinen? Und
wenn sie sich auch selbst darüber hinwegsetzte, welche

Das Unvermeidliche.
ausgeſtoßen von aller Geſellſchaft, in der peinlichſten Lage
und machte nunmehr ſeinem Vater die bitterlichſten Vor¬
wuͤrfe. Der alte W., ſelbſt bedruͤckt und beſorgt durch
den duͤſteren Unmuth ſeines Sohnes, ſuchte ihn mit
ſchwachen Worten zu troͤſten, und kam, ohne ihm davon
Mittheilung zu machen, um Heinrichs Verſetzung zu
einem andern Gericht ein. Dort, ſo dachte er, wiſſe
man nichts davon, und mittlerweile werde in *** wohl
Gras uͤber die Geſchichte wachſen, daß er ſpaͤter doch
zuruͤckkehren koͤnne.

Aber es war bereits zu ſpaͤt damit.

Heinrichs Braut hatte dieſen Zuſtand auf die Laͤnge
nicht ertragen koͤnnen. Sie liebte ihren Verlobten wohl,
ſie hatte ſelbſt bei jenem Auftritt im Theater fuͤr ihn
gezittert, und ihn am Abend beſorgt gefragt: ob er ſich
doch nicht etwa ſchlagen wolle. Aber im Geheimen hatte
ſie doch gewuͤnſcht, daß er ihr eine ſiegreiche Probe ſei¬
ner Tapferkeit geben moͤge. Sie hatte in der Univerſi¬
taͤtsſtadt taͤglich von Duellen gehoͤrt, und Intereſſe an
den benarbten, immer froͤhlichen Studenten genommen:
mußte ihr nicht die Handlungsweiſe ihres Verlobten wie
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[185/0199] Das Unvermeidliche. ausgeſtoßen von aller Geſellſchaft, in der peinlichſten Lage und machte nunmehr ſeinem Vater die bitterlichſten Vor¬ wuͤrfe. Der alte W., ſelbſt bedruͤckt und beſorgt durch den duͤſteren Unmuth ſeines Sohnes, ſuchte ihn mit ſchwachen Worten zu troͤſten, und kam, ohne ihm davon Mittheilung zu machen, um Heinrichs Verſetzung zu einem andern Gericht ein. Dort, ſo dachte er, wiſſe man nichts davon, und mittlerweile werde in *** wohl Gras uͤber die Geſchichte wachſen, daß er ſpaͤter doch zuruͤckkehren koͤnne. Aber es war bereits zu ſpaͤt damit. Heinrichs Braut hatte dieſen Zuſtand auf die Laͤnge nicht ertragen koͤnnen. Sie liebte ihren Verlobten wohl, ſie hatte ſelbſt bei jenem Auftritt im Theater fuͤr ihn gezittert, und ihn am Abend beſorgt gefragt: ob er ſich doch nicht etwa ſchlagen wolle. Aber im Geheimen hatte ſie doch gewuͤnſcht, daß er ihr eine ſiegreiche Probe ſei¬ ner Tapferkeit geben moͤge. Sie hatte in der Univerſi¬ taͤtsſtadt taͤglich von Duellen gehoͤrt, und Intereſſe an den benarbten, immer froͤhlichen Studenten genommen: mußte ihr nicht die Handlungsweiſe ihres Verlobten wie ein Akt ſeltener, vereinzelter Feigheit erſcheinen? Und wenn ſie ſich auch ſelbſt daruͤber hinwegſetzte, welche

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Zitationshilfe: Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846/199>, abgerufen am 30.04.2024.