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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

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Die Gaben.
Nie fand, so oft auch scherzend ward gefragt,
Ich einen Mann, vom Grafen bis zum Schneider,
Der so bescheiden oder so betagt,
So hülflos, keinen so Gescheiten leider,
Der nicht gemeint, des Herrscherthumes Bürde
Sey seinen Schultern grad das rechte Maaß.
War Einer zweifelnd je an seiner Würde,
So schätzt er seine Kräfte desto baß,
Der hoffte auf der Rede Zauberbann;
Schlau aus dem Winkel wollte Jener zielen,
Kurz, daß er wisse wie und auch den Mann,
Ließ Jeder deutlich durch die Blume spielen.
Ihr Thoren! glaubt ihr denn daß Gott im Zorne
Die Großen schuf, ungleich der Menschenschaar,
Pecus inane, das sein Haupt zum Borne
Hinstreckt wie weiland Nebukadnezar?
Daß, weil zuweilen unter Zotten schlägt
Ein Herz wo große Elemente schlafen,
Deßhalb wer eine feine Wolle trägt
Unfehlbar zählt zu den Merinoschafen?
Die Gaben.
Nie fand, ſo oft auch ſcherzend ward gefragt,
Ich einen Mann, vom Grafen bis zum Schneider,
Der ſo beſcheiden oder ſo betagt,
So hülflos, keinen ſo Geſcheiten leider,
Der nicht gemeint, des Herrſcherthumes Bürde
Sey ſeinen Schultern grad das rechte Maaß.
War Einer zweifelnd je an ſeiner Würde,
So ſchätzt er ſeine Kräfte deſto baß,
Der hoffte auf der Rede Zauberbann;
Schlau aus dem Winkel wollte Jener zielen,
Kurz, daß er wiſſe wie und auch den Mann,
Ließ Jeder deutlich durch die Blume ſpielen.
Ihr Thoren! glaubt ihr denn daß Gott im Zorne
Die Großen ſchuf, ungleich der Menſchenſchaar,
Pecus inane, das ſein Haupt zum Borne
Hinſtreckt wie weiland Nebukadnezar?
Daß, weil zuweilen unter Zotten ſchlägt
Ein Herz wo große Elemente ſchlafen,
Deßhalb wer eine feine Wolle trägt
Unfehlbar zählt zu den Merinoſchafen?
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[22/0036] Die Gaben. Nie fand, ſo oft auch ſcherzend ward gefragt, Ich einen Mann, vom Grafen bis zum Schneider, Der ſo beſcheiden oder ſo betagt, So hülflos, keinen ſo Geſcheiten leider, Der nicht gemeint, des Herrſcherthumes Bürde Sey ſeinen Schultern grad das rechte Maaß. War Einer zweifelnd je an ſeiner Würde, So ſchätzt er ſeine Kräfte deſto baß, Der hoffte auf der Rede Zauberbann; Schlau aus dem Winkel wollte Jener zielen, Kurz, daß er wiſſe wie und auch den Mann, Ließ Jeder deutlich durch die Blume ſpielen. Ihr Thoren! glaubt ihr denn daß Gott im Zorne Die Großen ſchuf, ungleich der Menſchenſchaar, Pecus inane, das ſein Haupt zum Borne Hinſtreckt wie weiland Nebukadnezar? Daß, weil zuweilen unter Zotten ſchlägt Ein Herz wo große Elemente ſchlafen, Deßhalb wer eine feine Wolle trägt Unfehlbar zählt zu den Merinoſchafen?

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/36>, abgerufen am 02.11.2024.