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Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844.

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Läßt steigen über'm Liesner grad',
Den tollen Herzog kann man seh'n
Im Moose knieen, -- wahrlich nie
That er so fromm, als nur vielleicht
Den Sporn zu schnallen Morgens früh; --
Um seinen Arm der Mantel bauscht.
So ruhig wie ein Felsenriff,
An dem sich ächzend reibt das Schiff,
Dem Wort des Sterbenden er lauscht.
Matt war der Hauch, die Stimme wund,
Verschwiegen blieb der Lüfte Mund,
Was er vernahm, es ward nicht kund.
Nur einmal als die kalte Hand
Der Wunde hob, des Mondes Schein
Drang durch die blassen Finger ein,
Es heller ächzt: "An Grabes Rand
"Ich warne dich, o Halberstadt!
"Laß ab, laß ab; auch Petrus hat
"Dreimal verläugnet seinen Herrn
"Bevor der Hahn gekräht." Und fern
So lang und klagend durch die Nacht
Hebt just den hellen Schrei der Hahn;
Der Wunde zuckt dann: "Christian
"Von Halberstadt! gedenk der Stunde,
"Wenn so du liegen wirst am Grunde,
"Dann denken nicht an Sieg und Feind,
"Ein Fetzen dir die Fahne scheint,
"Doch deine Eltern aus der Gruft,
"Zerhau'ne Rümpfe ohne Haupt,
"Und hier und dort" -- Er schnappt nach Luft,

v. Droste-Hülshof, Gedichte. 35

Läßt ſteigen über'm Liesner grad',
Den tollen Herzog kann man ſeh'n
Im Mooſe knieen, — wahrlich nie
That er ſo fromm, als nur vielleicht
Den Sporn zu ſchnallen Morgens früh; —
Um ſeinen Arm der Mantel bauſcht.
So ruhig wie ein Felſenriff,
An dem ſich ächzend reibt das Schiff,
Dem Wort des Sterbenden er lauſcht.
Matt war der Hauch, die Stimme wund,
Verſchwiegen blieb der Lüfte Mund,
Was er vernahm, es ward nicht kund.
Nur einmal als die kalte Hand
Der Wunde hob, des Mondes Schein
Drang durch die blaſſen Finger ein,
Es heller ächzt: „An Grabes Rand
„Ich warne dich, o Halberſtadt!
„Laß ab, laß ab; auch Petrus hat
„Dreimal verläugnet ſeinen Herrn
„Bevor der Hahn gekräht.“ Und fern
So lang und klagend durch die Nacht
Hebt juſt den hellen Schrei der Hahn;
Der Wunde zuckt dann: „Chriſtian
„Von Halberſtadt! gedenk der Stunde,
„Wenn ſo du liegen wirſt am Grunde,
„Dann denken nicht an Sieg und Feind,
„Ein Fetzen dir die Fahne ſcheint,
„Doch deine Eltern aus der Gruft,
„Zerhau'ne Rümpfe ohne Haupt,
„Und hier und dort“ — Er ſchnappt nach Luft,

v. Droſte-Hülshof, Gedichte. 35
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[545/0559] Läßt ſteigen über'm Liesner grad', Den tollen Herzog kann man ſeh'n Im Mooſe knieen, — wahrlich nie That er ſo fromm, als nur vielleicht Den Sporn zu ſchnallen Morgens früh; — Um ſeinen Arm der Mantel bauſcht. So ruhig wie ein Felſenriff, An dem ſich ächzend reibt das Schiff, Dem Wort des Sterbenden er lauſcht. Matt war der Hauch, die Stimme wund, Verſchwiegen blieb der Lüfte Mund, Was er vernahm, es ward nicht kund. Nur einmal als die kalte Hand Der Wunde hob, des Mondes Schein Drang durch die blaſſen Finger ein, Es heller ächzt: „An Grabes Rand „Ich warne dich, o Halberſtadt! „Laß ab, laß ab; auch Petrus hat „Dreimal verläugnet ſeinen Herrn „Bevor der Hahn gekräht.“ Und fern So lang und klagend durch die Nacht Hebt juſt den hellen Schrei der Hahn; Der Wunde zuckt dann: „Chriſtian „Von Halberſtadt! gedenk der Stunde, „Wenn ſo du liegen wirſt am Grunde, „Dann denken nicht an Sieg und Feind, „Ein Fetzen dir die Fahne ſcheint, „Doch deine Eltern aus der Gruft, „Zerhau'ne Rümpfe ohne Haupt, „Und hier und dort“ — Er ſchnappt nach Luft, v. Droſte-Hülshof, Gedichte. 35

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Gedichte. Stuttgart u. a., 1844, S. 545. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_gedichte_1844/559>, abgerufen am 29.04.2024.