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Droste-Hülshoff, Annette von: Die Judenbuche. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 51–128. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Herzen zu haben. Habt Ihr nichts von Brandes gehört? fragte er plötzlich. -- Nichts; er kommt niemals hier ins Haus. -- So wißt Ihr nicht, was ihm begegnet ist? -- Was denn? fragte Margreth gespannt. -- Er ist todt! -- Todt! rief sie, was, todt? Um Gotteswillen! er ging ja noch heute Morgen ganz gesund hier vorüber mit der Flinte auf dem Rücken! -- Er ist todt, wiederholte der Schreiber, sie scharf fixirend; von den Blaukitteln erschlagen. Vor einer Viertelstunde wurde die Leiche ins Dorf gebracht.

Margreth schlug die Hände zusammen. -- Gott im Himmel, geh nicht mit ihm ins Gericht! er wußte nicht, was er that! -- Mit ihm! rief der Amtsschreiber, mit dem verfluchten Mörder, meint Ihr? Aus der Kammer drang ein schweres Stöhnen. Margreth eilte hin, und der Schreiber folgte ihr. Friedrich saß aufrecht im Bette, das Gesicht in die Hände gedrückt, und ächzte wie ein Sterbender. -- Friedrich, wie ist dir? sagte die Mutter. -- Wie ist dir? wiederholte der Amtsschreiber. -- O mein Leib, mein Kopf! jammerte er. -- Was fehlt ihm? -- Ach, Gott weiß es, versetzte sie; er ist schon um vier mit den Kühen heimgekommen, weil ihm so übel war. -- Friedrich, Friedrich, antworte doch, soll ich zum Doctor? -- Nein, nein, ächzte er, es ist nur Kolik, es wird schon besser.

Er legte sich zurück; sein Gesicht zuckte krampfhaft vor Schmerz; dann kehrte die Farbe wieder. Geht, sagte er matt; ich muß schlafen, dann geht's vorüber.--

Herzen zu haben. Habt Ihr nichts von Brandes gehört? fragte er plötzlich. — Nichts; er kommt niemals hier ins Haus. — So wißt Ihr nicht, was ihm begegnet ist? — Was denn? fragte Margreth gespannt. — Er ist todt! — Todt! rief sie, was, todt? Um Gotteswillen! er ging ja noch heute Morgen ganz gesund hier vorüber mit der Flinte auf dem Rücken! — Er ist todt, wiederholte der Schreiber, sie scharf fixirend; von den Blaukitteln erschlagen. Vor einer Viertelstunde wurde die Leiche ins Dorf gebracht.

Margreth schlug die Hände zusammen. — Gott im Himmel, geh nicht mit ihm ins Gericht! er wußte nicht, was er that! — Mit ihm! rief der Amtsschreiber, mit dem verfluchten Mörder, meint Ihr? Aus der Kammer drang ein schweres Stöhnen. Margreth eilte hin, und der Schreiber folgte ihr. Friedrich saß aufrecht im Bette, das Gesicht in die Hände gedrückt, und ächzte wie ein Sterbender. — Friedrich, wie ist dir? sagte die Mutter. — Wie ist dir? wiederholte der Amtsschreiber. — O mein Leib, mein Kopf! jammerte er. — Was fehlt ihm? — Ach, Gott weiß es, versetzte sie; er ist schon um vier mit den Kühen heimgekommen, weil ihm so übel war. — Friedrich, Friedrich, antworte doch, soll ich zum Doctor? — Nein, nein, ächzte er, es ist nur Kolik, es wird schon besser.

Er legte sich zurück; sein Gesicht zuckte krampfhaft vor Schmerz; dann kehrte die Farbe wieder. Geht, sagte er matt; ich muß schlafen, dann geht's vorüber.—

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[0041] Herzen zu haben. Habt Ihr nichts von Brandes gehört? fragte er plötzlich. — Nichts; er kommt niemals hier ins Haus. — So wißt Ihr nicht, was ihm begegnet ist? — Was denn? fragte Margreth gespannt. — Er ist todt! — Todt! rief sie, was, todt? Um Gotteswillen! er ging ja noch heute Morgen ganz gesund hier vorüber mit der Flinte auf dem Rücken! — Er ist todt, wiederholte der Schreiber, sie scharf fixirend; von den Blaukitteln erschlagen. Vor einer Viertelstunde wurde die Leiche ins Dorf gebracht. Margreth schlug die Hände zusammen. — Gott im Himmel, geh nicht mit ihm ins Gericht! er wußte nicht, was er that! — Mit ihm! rief der Amtsschreiber, mit dem verfluchten Mörder, meint Ihr? Aus der Kammer drang ein schweres Stöhnen. Margreth eilte hin, und der Schreiber folgte ihr. Friedrich saß aufrecht im Bette, das Gesicht in die Hände gedrückt, und ächzte wie ein Sterbender. — Friedrich, wie ist dir? sagte die Mutter. — Wie ist dir? wiederholte der Amtsschreiber. — O mein Leib, mein Kopf! jammerte er. — Was fehlt ihm? — Ach, Gott weiß es, versetzte sie; er ist schon um vier mit den Kühen heimgekommen, weil ihm so übel war. — Friedrich, Friedrich, antworte doch, soll ich zum Doctor? — Nein, nein, ächzte er, es ist nur Kolik, es wird schon besser. Er legte sich zurück; sein Gesicht zuckte krampfhaft vor Schmerz; dann kehrte die Farbe wieder. Geht, sagte er matt; ich muß schlafen, dann geht's vorüber.—

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Die Judenbuche. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 51–128. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_judenbuche_1910/41>, abgerufen am 27.04.2024.