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Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890.

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Beispiele für Naturalisationen.
kommen in Einklang befindliche fremde Vegetation auf,
wie z. B. die peruanische Galinsoga parviflora als nord-
deutsches Gartenunkraut. Daraus geht hervor, dass die
Flora eines Landes durchaus nicht im Verlaufe der
jetzigen Erdperiode alle die Pflanzenarten bekommen hat,
welche seine Lebensbedingungen überhaupt zu erhalten
vermögen, und es vermögen auch die in einem bestimm-
ten Lande herrschenden Lebensbedingungen nicht etwa
durch Transmutation aus den dort schon vorhandenen
Arten jene Fülle von Formen selbst zu erzeugen, welche
die Flora ertragen kann. Dagegen muss natürlicherweise
alles, was in einem Lande wächst, dem dortigen Klima,
Boden und Bewässerung entsprechend organisiert sein.

Die Naturalisationen haben schon zur Zeit die Gesamtflora
der Erde nicht unerheblich umgestaltet, besonders durch Umwand-
lung ursprünglicher Formationen in Kulturland, welches neben
den eigentlichen Kulturpflanzen eine grosse Zahl gemeiner Un-
kräuter aufgenommen hat; so entsteht die "Flora adventitia", noch
vermehrt durch Gartenflüchtlinge, welche sich den natürlichen
Beständen einmischen und deren Wanderungen aufmerksam beob-
achtet werden. Für die deutsche Flora sind die meisten Acker-
unkräuter mediterranen Ursprungs, die meisten Eindringlinge in
die natürlichen Formationen sind dagegen nordamerikanische Bür-
ger (Oenothera, Mimulus, Rudbeckia), die nordamerikanischen Un-
kräuter dagegen sind meistens europäisch.

In den Tropen haben sich in den Küsten- und Niederungs-
floren der drei Kontinentalgruppen ebenfalls gemeinsame Pflanzen-
arten vom Unkraut-Charakter herausgebildet, welche die Zahl
der Afrika, Indien und den Antillen gemeinsamen Spezies nicht
unbeträchtlich erhöhen; von manchen Arten ist die ursprüngliche
Heimat kaum noch zu bestimmen.

Im Auckland-Distrikt von Neuseeland, wo die natürliche
Flora vielleicht nur 500 Arten zählt, sind nicht weniger als
387 Arten naturalisiert (G J., Bd. XI, S. 141), von denen 280 aus
Europa, nur 14 aus Nordamerika, nur 10 aus Australien, 21 vom
Kapland, 9 aus Chile, 53 Arten aus den Tropen und Subtropen
beider Hemisphären stammen (nach Cheeseman).

Die ursprüngliche Flora von St. Helena ist durch derartige
Naturalisationen auf ein höchst bescheidenes Maß eingeschränkt;
weitere Beispiele für Umgestaltungen dieser Art liefern die Nach-
weise, welche Philippi für Chile und Semler für Kalifornien in
jüngerer Zeit in den Geographischen Mitteilungen geliefert haben.

Die Grundlagen der Arealbetrachtung. Indem wir
nun die Areale, welche die einzelnen Pflanzenformen in

Drude, Pflanzengeographie. 7

Beispiele für Naturalisationen.
kommen in Einklang befindliche fremde Vegetation auf,
wie z. B. die peruanische Galinsoga parviflora als nord-
deutsches Gartenunkraut. Daraus geht hervor, dass die
Flora eines Landes durchaus nicht im Verlaufe der
jetzigen Erdperiode alle die Pflanzenarten bekommen hat,
welche seine Lebensbedingungen überhaupt zu erhalten
vermögen, und es vermögen auch die in einem bestimm-
ten Lande herrschenden Lebensbedingungen nicht etwa
durch Transmutation aus den dort schon vorhandenen
Arten jene Fülle von Formen selbst zu erzeugen, welche
die Flora ertragen kann. Dagegen muss natürlicherweise
alles, was in einem Lande wächst, dem dortigen Klima,
Boden und Bewässerung entsprechend organisiert sein.

Die Naturalisationen haben schon zur Zeit die Gesamtflora
der Erde nicht unerheblich umgestaltet, besonders durch Umwand-
lung ursprünglicher Formationen in Kulturland, welches neben
den eigentlichen Kulturpflanzen eine grosse Zahl gemeiner Un-
kräuter aufgenommen hat; so entsteht die „Flora adventitia“, noch
vermehrt durch Gartenflüchtlinge, welche sich den natürlichen
Beständen einmischen und deren Wanderungen aufmerksam beob-
achtet werden. Für die deutsche Flora sind die meisten Acker-
unkräuter mediterranen Ursprungs, die meisten Eindringlinge in
die natürlichen Formationen sind dagegen nordamerikanische Bür-
ger (Oenothera, Mimulus, Rudbeckia), die nordamerikanischen Un-
kräuter dagegen sind meistens europäisch.

In den Tropen haben sich in den Küsten- und Niederungs-
floren der drei Kontinentalgruppen ebenfalls gemeinsame Pflanzen-
arten vom Unkraut-Charakter herausgebildet, welche die Zahl
der Afrika, Indien und den Antillen gemeinsamen Spezies nicht
unbeträchtlich erhöhen; von manchen Arten ist die ursprüngliche
Heimat kaum noch zu bestimmen.

Im Auckland-Distrikt von Neuseeland, wo die natürliche
Flora vielleicht nur 500 Arten zählt, sind nicht weniger als
387 Arten naturalisiert (G J., Bd. XI, S. 141), von denen 280 aus
Europa, nur 14 aus Nordamerika, nur 10 aus Australien, 21 vom
Kapland, 9 aus Chile, 53 Arten aus den Tropen und Subtropen
beider Hemisphären stammen (nach Cheeseman).

Die ursprüngliche Flora von St. Helena ist durch derartige
Naturalisationen auf ein höchst bescheidenes Maß eingeschränkt;
weitere Beispiele für Umgestaltungen dieser Art liefern die Nach-
weise, welche Philippi für Chile und Semler für Kalifornien in
jüngerer Zeit in den Geographischen Mitteilungen geliefert haben.

Die Grundlagen der Arealbetrachtung. Indem wir
nun die Areale, welche die einzelnen Pflanzenformen in

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[97/0119] Beispiele für Naturalisationen. kommen in Einklang befindliche fremde Vegetation auf, wie z. B. die peruanische Galinsoga parviflora als nord- deutsches Gartenunkraut. Daraus geht hervor, dass die Flora eines Landes durchaus nicht im Verlaufe der jetzigen Erdperiode alle die Pflanzenarten bekommen hat, welche seine Lebensbedingungen überhaupt zu erhalten vermögen, und es vermögen auch die in einem bestimm- ten Lande herrschenden Lebensbedingungen nicht etwa durch Transmutation aus den dort schon vorhandenen Arten jene Fülle von Formen selbst zu erzeugen, welche die Flora ertragen kann. Dagegen muss natürlicherweise alles, was in einem Lande wächst, dem dortigen Klima, Boden und Bewässerung entsprechend organisiert sein. Die Naturalisationen haben schon zur Zeit die Gesamtflora der Erde nicht unerheblich umgestaltet, besonders durch Umwand- lung ursprünglicher Formationen in Kulturland, welches neben den eigentlichen Kulturpflanzen eine grosse Zahl gemeiner Un- kräuter aufgenommen hat; so entsteht die „Flora adventitia“, noch vermehrt durch Gartenflüchtlinge, welche sich den natürlichen Beständen einmischen und deren Wanderungen aufmerksam beob- achtet werden. Für die deutsche Flora sind die meisten Acker- unkräuter mediterranen Ursprungs, die meisten Eindringlinge in die natürlichen Formationen sind dagegen nordamerikanische Bür- ger (Oenothera, Mimulus, Rudbeckia), die nordamerikanischen Un- kräuter dagegen sind meistens europäisch. In den Tropen haben sich in den Küsten- und Niederungs- floren der drei Kontinentalgruppen ebenfalls gemeinsame Pflanzen- arten vom Unkraut-Charakter herausgebildet, welche die Zahl der Afrika, Indien und den Antillen gemeinsamen Spezies nicht unbeträchtlich erhöhen; von manchen Arten ist die ursprüngliche Heimat kaum noch zu bestimmen. Im Auckland-Distrikt von Neuseeland, wo die natürliche Flora vielleicht nur 500 Arten zählt, sind nicht weniger als 387 Arten naturalisiert (G J., Bd. XI, S. 141), von denen 280 aus Europa, nur 14 aus Nordamerika, nur 10 aus Australien, 21 vom Kapland, 9 aus Chile, 53 Arten aus den Tropen und Subtropen beider Hemisphären stammen (nach Cheeseman). Die ursprüngliche Flora von St. Helena ist durch derartige Naturalisationen auf ein höchst bescheidenes Maß eingeschränkt; weitere Beispiele für Umgestaltungen dieser Art liefern die Nach- weise, welche Philippi für Chile und Semler für Kalifornien in jüngerer Zeit in den Geographischen Mitteilungen geliefert haben. Die Grundlagen der Arealbetrachtung. Indem wir nun die Areale, welche die einzelnen Pflanzenformen in Drude, Pflanzengeographie. 7

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Zitationshilfe: Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/119>, abgerufen am 28.04.2024.