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Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890.

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Schranken der Wanderung.
England; in Frankreich ist es nach 1700 von Montpellier aus ein-
gebürgert. Weiter hat es sich im Verlauf unseres Jahrhunderts
nach Nord- und Südafrika, Australien und nach Nordamerika ver-
breitet. In Australien hat es den Süden (mit Tasmanien) und
Osten ergriffen; nach Schomburgk zuerst um 1850 dort bemerkt,
gehört es jetzt in Südaustralien zu den Kulturunkräutern und
ebenso zu den Ansiedlern in den natürlichen Formationen, wo es
die Weiden verschlechtert und die Viehzucht stellenweise fast zur
Unmöglichkeit macht. -- Solche Ausbreitungsfähigkeit ist eine sehr
seltene Erscheinung.

Aber auch die für Wanderung am besten ausge-
rüstete Art begegnet früher oder später festen, richtiger
gesagt: "nur wenig und langsam verschiebbaren" Schranken,
welche trotz zahlreicher Nachkommenschaft mit demselben
Wanderungsvermögen das Areal in sich selbst erhalten.
An jedem Orte begegnet sie solchen Schranken in der
Verschiedenheit der Standorte, welche jeder Sippe nur
ein ganz kleines Stückchen desjenigen Erdbodens zu eigen
gibt, den die äusseren Grenzen ihres Areals umspannen;
nur die wenigsten Pflanzenarten bedecken mit einer Masse
von geselligen Individuen grössere Landstrecken nahezu
allein, und auch diese sind überall von den Standorten
anderer Pflanzen unterbrochen und haben meistens kein
starkes Wanderungsvermögen für die Ferne. Die Schranken
der Umfangsgrenzen des gesamten Areals sind im natür-
lichen Verlauf der Dinge entweder rein geographischer
Natur, oder in der Zusammenwirkung der Lebensbe-
dingungen enthalten. Die grossen Ozeane, wasserlosen
Einöden, die Gletschermassen der Polargegenden und Ge-
birgskämme, das sind rein geographische Schranken
der Areale, über welche nur ein Zufall oder die Absicht
des Menschen einzelne Arten hinausbringen kann; der
Wechsel von Höhenregionen in einem Hochgebirge, welches
sich mitten im Lande erhebt, der Wechsel von Sand-
und Kalkstein, das Begegnen von kontinentalen Frösten
und Seeklima in bestimmten Erdstrichen, die Grenze von
Sommer- oder Winterregen, Mangel oder Ueberfluss an
Luftfeuchtigkeit: das sind einzelne Züge jener anderen
Gattung von Schranken, welche unter "Zusammenwir-
kung der Lebensbedingungen
" gemeint ist. Die
geographischen Schranken begründen sich auf die Unbe-

Schranken der Wanderung.
England; in Frankreich ist es nach 1700 von Montpellier aus ein-
gebürgert. Weiter hat es sich im Verlauf unseres Jahrhunderts
nach Nord- und Südafrika, Australien und nach Nordamerika ver-
breitet. In Australien hat es den Süden (mit Tasmanien) und
Osten ergriffen; nach Schomburgk zuerst um 1850 dort bemerkt,
gehört es jetzt in Südaustralien zu den Kulturunkräutern und
ebenso zu den Ansiedlern in den natürlichen Formationen, wo es
die Weiden verschlechtert und die Viehzucht stellenweise fast zur
Unmöglichkeit macht. — Solche Ausbreitungsfähigkeit ist eine sehr
seltene Erscheinung.

Aber auch die für Wanderung am besten ausge-
rüstete Art begegnet früher oder später festen, richtiger
gesagt: „nur wenig und langsam verschiebbaren“ Schranken,
welche trotz zahlreicher Nachkommenschaft mit demselben
Wanderungsvermögen das Areal in sich selbst erhalten.
An jedem Orte begegnet sie solchen Schranken in der
Verschiedenheit der Standorte, welche jeder Sippe nur
ein ganz kleines Stückchen desjenigen Erdbodens zu eigen
gibt, den die äusseren Grenzen ihres Areals umspannen;
nur die wenigsten Pflanzenarten bedecken mit einer Masse
von geselligen Individuen grössere Landstrecken nahezu
allein, und auch diese sind überall von den Standorten
anderer Pflanzen unterbrochen und haben meistens kein
starkes Wanderungsvermögen für die Ferne. Die Schranken
der Umfangsgrenzen des gesamten Areals sind im natür-
lichen Verlauf der Dinge entweder rein geographischer
Natur, oder in der Zusammenwirkung der Lebensbe-
dingungen enthalten. Die grossen Ozeane, wasserlosen
Einöden, die Gletschermassen der Polargegenden und Ge-
birgskämme, das sind rein geographische Schranken
der Areale, über welche nur ein Zufall oder die Absicht
des Menschen einzelne Arten hinausbringen kann; der
Wechsel von Höhenregionen in einem Hochgebirge, welches
sich mitten im Lande erhebt, der Wechsel von Sand-
und Kalkstein, das Begegnen von kontinentalen Frösten
und Seeklima in bestimmten Erdstrichen, die Grenze von
Sommer- oder Winterregen, Mangel oder Ueberfluss an
Luftfeuchtigkeit: das sind einzelne Züge jener anderen
Gattung von Schranken, welche unter „Zusammenwir-
kung der Lebensbedingungen
“ gemeint ist. Die
geographischen Schranken begründen sich auf die Unbe-

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[102/0124] Schranken der Wanderung. England; in Frankreich ist es nach 1700 von Montpellier aus ein- gebürgert. Weiter hat es sich im Verlauf unseres Jahrhunderts nach Nord- und Südafrika, Australien und nach Nordamerika ver- breitet. In Australien hat es den Süden (mit Tasmanien) und Osten ergriffen; nach Schomburgk zuerst um 1850 dort bemerkt, gehört es jetzt in Südaustralien zu den Kulturunkräutern und ebenso zu den Ansiedlern in den natürlichen Formationen, wo es die Weiden verschlechtert und die Viehzucht stellenweise fast zur Unmöglichkeit macht. — Solche Ausbreitungsfähigkeit ist eine sehr seltene Erscheinung. Aber auch die für Wanderung am besten ausge- rüstete Art begegnet früher oder später festen, richtiger gesagt: „nur wenig und langsam verschiebbaren“ Schranken, welche trotz zahlreicher Nachkommenschaft mit demselben Wanderungsvermögen das Areal in sich selbst erhalten. An jedem Orte begegnet sie solchen Schranken in der Verschiedenheit der Standorte, welche jeder Sippe nur ein ganz kleines Stückchen desjenigen Erdbodens zu eigen gibt, den die äusseren Grenzen ihres Areals umspannen; nur die wenigsten Pflanzenarten bedecken mit einer Masse von geselligen Individuen grössere Landstrecken nahezu allein, und auch diese sind überall von den Standorten anderer Pflanzen unterbrochen und haben meistens kein starkes Wanderungsvermögen für die Ferne. Die Schranken der Umfangsgrenzen des gesamten Areals sind im natür- lichen Verlauf der Dinge entweder rein geographischer Natur, oder in der Zusammenwirkung der Lebensbe- dingungen enthalten. Die grossen Ozeane, wasserlosen Einöden, die Gletschermassen der Polargegenden und Ge- birgskämme, das sind rein geographische Schranken der Areale, über welche nur ein Zufall oder die Absicht des Menschen einzelne Arten hinausbringen kann; der Wechsel von Höhenregionen in einem Hochgebirge, welches sich mitten im Lande erhebt, der Wechsel von Sand- und Kalkstein, das Begegnen von kontinentalen Frösten und Seeklima in bestimmten Erdstrichen, die Grenze von Sommer- oder Winterregen, Mangel oder Ueberfluss an Luftfeuchtigkeit: das sind einzelne Züge jener anderen Gattung von Schranken, welche unter „Zusammenwir- kung der Lebensbedingungen“ gemeint ist. Die geographischen Schranken begründen sich auf die Unbe-

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Zitationshilfe: Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/124>, abgerufen am 28.04.2024.