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Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890.

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Deren geologische Entwickelung.
vorhanden gewesen sind und auch im Tertiär noch eine
enorme Ausdehnung besessen haben, sind gegenwärtig
(seit dem Eocän) auf einen einzigen, schmal gewordenen
äquatorialen Gürtel beschränkt, und einen grossen Teil
ihrer Plätze haben die Xerophilen eingenommen, deren
reichliche Gegenwart auch im Tertiär paläontologisch
noch nicht hinreichend erwiesen ist und welche daher als
eine biologische Gruppe jüngeren Alters erscheinen. Die
Mesothermen waren, nach den über sie am besten be-
kannt gewordenen paläontologischen Verbreitungsfeststel-
lungen, noch im älteren Tertiär von Spitzbergen, Island,
Grönland durch das nördliche Europa hindurch bis zu
ihren heutigen Plätzen in Südeuropa hin verbreitet, wäh-
rend sie jetzt durch die Nordgrenze immergrüner Laub-
bäume von den nördlichen (und ebenso südlichen, palä-
ontologisch noch nicht untersuchten) Gebieten ausge-
schlossen sind. Diese sind von den Mikrothermen und
Hekistothermen an ihrer Stelle erfüllt, und während der
zu beiden Seiten des Atlantischen Ozeans ausgebreiteten
Vergletscherung zur Glacialzeit haben die Hekistothermen
sogar nach mittleren Breiten hin eine grössere Ausdeh-
nung besessen und Plätze inne gehabt, aus denen sie
durch erhöhte Jahrestemperaturen geographischer Klima-
umformung von den Mikrothermen wiederum verdrängt
sind. So sind die Vegetationszonen allmählich entstanden.
Fügen wir nun noch hinzu, dass, wie schon zu Beginn
dieser Betrachtung hervorgehoben, jede thermo-hygro-
phile Gruppe vorzugsweise von besonderen Sippen des
Systems getragen wird, dass also auch die jüngeren Grup-
pen (Xerophilen, Mikro- und Hekistothermen) auf durch
Transmutationswege entstandenen geologisch jüngeren
Arten, Gattungen, Gattungsgruppen oder Sippen von noch
höherem Range, aufbauen, so haben wir dadurch ein Bild
von dem Umwandlungsgange der Vegetation der Erde
im Anschluss an deren grosse Klimazonen und die in
diesen vorgegangenen Veränderungen im Verlaufe langer
geologischer Perioden.

Das Eigentümliche und wissenschaftlich Neue der
angeführten Gruppenbildung von A. de Candolle besteht

Drude, Pflanzengeographie. 8

Deren geologische Entwickelung.
vorhanden gewesen sind und auch im Tertiär noch eine
enorme Ausdehnung besessen haben, sind gegenwärtig
(seit dem Eocän) auf einen einzigen, schmal gewordenen
äquatorialen Gürtel beschränkt, und einen grossen Teil
ihrer Plätze haben die Xerophilen eingenommen, deren
reichliche Gegenwart auch im Tertiär paläontologisch
noch nicht hinreichend erwiesen ist und welche daher als
eine biologische Gruppe jüngeren Alters erscheinen. Die
Mesothermen waren, nach den über sie am besten be-
kannt gewordenen paläontologischen Verbreitungsfeststel-
lungen, noch im älteren Tertiär von Spitzbergen, Island,
Grönland durch das nördliche Europa hindurch bis zu
ihren heutigen Plätzen in Südeuropa hin verbreitet, wäh-
rend sie jetzt durch die Nordgrenze immergrüner Laub-
bäume von den nördlichen (und ebenso südlichen, palä-
ontologisch noch nicht untersuchten) Gebieten ausge-
schlossen sind. Diese sind von den Mikrothermen und
Hekistothermen an ihrer Stelle erfüllt, und während der
zu beiden Seiten des Atlantischen Ozeans ausgebreiteten
Vergletscherung zur Glacialzeit haben die Hekistothermen
sogar nach mittleren Breiten hin eine grössere Ausdeh-
nung besessen und Plätze inne gehabt, aus denen sie
durch erhöhte Jahrestemperaturen geographischer Klima-
umformung von den Mikrothermen wiederum verdrängt
sind. So sind die Vegetationszonen allmählich entstanden.
Fügen wir nun noch hinzu, dass, wie schon zu Beginn
dieser Betrachtung hervorgehoben, jede thermo-hygro-
phile Gruppe vorzugsweise von besonderen Sippen des
Systems getragen wird, dass also auch die jüngeren Grup-
pen (Xerophilen, Mikro- und Hekistothermen) auf durch
Transmutationswege entstandenen geologisch jüngeren
Arten, Gattungen, Gattungsgruppen oder Sippen von noch
höherem Range, aufbauen, so haben wir dadurch ein Bild
von dem Umwandlungsgange der Vegetation der Erde
im Anschluss an deren grosse Klimazonen und die in
diesen vorgegangenen Veränderungen im Verlaufe langer
geologischer Perioden.

Das Eigentümliche und wissenschaftlich Neue der
angeführten Gruppenbildung von A. de Candolle besteht

Drude, Pflanzengeographie. 8
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[113/0135] Deren geologische Entwickelung. vorhanden gewesen sind und auch im Tertiär noch eine enorme Ausdehnung besessen haben, sind gegenwärtig (seit dem Eocän) auf einen einzigen, schmal gewordenen äquatorialen Gürtel beschränkt, und einen grossen Teil ihrer Plätze haben die Xerophilen eingenommen, deren reichliche Gegenwart auch im Tertiär paläontologisch noch nicht hinreichend erwiesen ist und welche daher als eine biologische Gruppe jüngeren Alters erscheinen. Die Mesothermen waren, nach den über sie am besten be- kannt gewordenen paläontologischen Verbreitungsfeststel- lungen, noch im älteren Tertiär von Spitzbergen, Island, Grönland durch das nördliche Europa hindurch bis zu ihren heutigen Plätzen in Südeuropa hin verbreitet, wäh- rend sie jetzt durch die Nordgrenze immergrüner Laub- bäume von den nördlichen (und ebenso südlichen, palä- ontologisch noch nicht untersuchten) Gebieten ausge- schlossen sind. Diese sind von den Mikrothermen und Hekistothermen an ihrer Stelle erfüllt, und während der zu beiden Seiten des Atlantischen Ozeans ausgebreiteten Vergletscherung zur Glacialzeit haben die Hekistothermen sogar nach mittleren Breiten hin eine grössere Ausdeh- nung besessen und Plätze inne gehabt, aus denen sie durch erhöhte Jahrestemperaturen geographischer Klima- umformung von den Mikrothermen wiederum verdrängt sind. So sind die Vegetationszonen allmählich entstanden. Fügen wir nun noch hinzu, dass, wie schon zu Beginn dieser Betrachtung hervorgehoben, jede thermo-hygro- phile Gruppe vorzugsweise von besonderen Sippen des Systems getragen wird, dass also auch die jüngeren Grup- pen (Xerophilen, Mikro- und Hekistothermen) auf durch Transmutationswege entstandenen geologisch jüngeren Arten, Gattungen, Gattungsgruppen oder Sippen von noch höherem Range, aufbauen, so haben wir dadurch ein Bild von dem Umwandlungsgange der Vegetation der Erde im Anschluss an deren grosse Klimazonen und die in diesen vorgegangenen Veränderungen im Verlaufe langer geologischer Perioden. Das Eigentümliche und wissenschaftlich Neue der angeführten Gruppenbildung von A. de Candolle besteht Drude, Pflanzengeographie. 8

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Zitationshilfe: Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/135>, abgerufen am 28.04.2024.