Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite

Humuspflanzen. Laubentfaltung, Blütezeit.
Schluss des Mai an, wo die genannten Stauden nur noch
unterirdische Vegetationsthätigkeit zeigen, kahl dasteht
und höchstens noch im Hochsommer von einzelnen Gruppen
lichtscheuer Humuspflanzen (Monotropa, Neottia, Epi-
pogium
) ausser von Pilzen besiedelt wird. Diese sogen.
Saprophyten aber bilden gerade so charakteristische Ne-
benbestände, wie die Epiphyten im Tropenwald, sind
auch in letzterem vorhanden in ganz anderen Gattungen
(Voyria, Burmannia), und sind, als dem ernährenden
Lichte entzogen, auf Benutzung der modernden organi-
schen Waldreste hingewiesen.

In den biologischen Einrichtungen steht die Ge-
schwindigkeit der Laubentfaltung bei eintretendem Früh-
ling, das beschleunigte Blühen oft schon vor der Laub-
entfaltung, und die günstigste Ausnutzung der ganzen
Vegetationsperiode obenan.

Diese Verhältnisse sind auf botanisch-morphologischem Wege
besonders von F. W. C. Areschoug mehrfach erläutert worden;
siehe z. B. dessen zusammenfassende Abhandlung in Englers
botan. Jahrb. IX, S. 70. Die meisten Bäume blühen sehr früh-
zeitig im Frühjahr (Ausnahme: Linde!), aus schon im Vorjahr bis
zu hochgradiger Entwickelung angelegten Knospen. Diese über-
wintern sogar bei einigen (Birken, Erlen etc.) nackt aus den Knospen
hervorgetreten, und zur Zeit der Blütenstaubentleerung in den
ersten warmen Frühlingstagen ist das Pistill bei diesen Arten
noch nicht weit genug zur Befruchtung vorgeschritten. Areschoug
bringt auch die beschleunigte Entwickelung im Blühen in Zu-
sammenhang mit der einfachen Organisation in den Blüten der
nordischen Bäume, welche ja bekanntlich Kätzchenträger sind, und
meint, es werde dadurch der Vorteil gewonnen, dass der Baum
den grösseren Teil seiner vegetativen Kraft auf das Verstärken
und Vergrössern von Stamm und Zweigen verwenden könne. Doch
sei an die für die Mehrzahl der Tropenbäume festgestellte Blumen-
kleinheit hier zurückerinnert, und auch die Frucht- und Samen-
produktion steht bei den nordischen Bäumen in einem nicht
geringfügigeren Verhältnis.

Die Geschwindigkeit der Entwickelung zwingt natur-
gemäß unter höheren Breiten zum Ausnutzen niederer
Temperaturen, sei es auf die eine oder die andere Weise
in Hinsicht auf den Beginn der Phase oder auf die ganze
für die Vegetationsperiode verwendete Temperatursumme.
Unter Verweis auf das früher allgemein darüber Gesagte

Humuspflanzen. Laubentfaltung, Blütezeit.
Schluss des Mai an, wo die genannten Stauden nur noch
unterirdische Vegetationsthätigkeit zeigen, kahl dasteht
und höchstens noch im Hochsommer von einzelnen Gruppen
lichtscheuer Humuspflanzen (Monotropa, Neottia, Epi-
pogium
) ausser von Pilzen besiedelt wird. Diese sogen.
Saprophyten aber bilden gerade so charakteristische Ne-
benbestände, wie die Epiphyten im Tropenwald, sind
auch in letzterem vorhanden in ganz anderen Gattungen
(Voyria, Burmannia), und sind, als dem ernährenden
Lichte entzogen, auf Benutzung der modernden organi-
schen Waldreste hingewiesen.

In den biologischen Einrichtungen steht die Ge-
schwindigkeit der Laubentfaltung bei eintretendem Früh-
ling, das beschleunigte Blühen oft schon vor der Laub-
entfaltung, und die günstigste Ausnutzung der ganzen
Vegetationsperiode obenan.

Diese Verhältnisse sind auf botanisch-morphologischem Wege
besonders von F. W. C. Areschoug mehrfach erläutert worden;
siehe z. B. dessen zusammenfassende Abhandlung in Englers
botan. Jahrb. IX, S. 70. Die meisten Bäume blühen sehr früh-
zeitig im Frühjahr (Ausnahme: Linde!), aus schon im Vorjahr bis
zu hochgradiger Entwickelung angelegten Knospen. Diese über-
wintern sogar bei einigen (Birken, Erlen etc.) nackt aus den Knospen
hervorgetreten, und zur Zeit der Blütenstaubentleerung in den
ersten warmen Frühlingstagen ist das Pistill bei diesen Arten
noch nicht weit genug zur Befruchtung vorgeschritten. Areschoug
bringt auch die beschleunigte Entwickelung im Blühen in Zu-
sammenhang mit der einfachen Organisation in den Blüten der
nordischen Bäume, welche ja bekanntlich Kätzchenträger sind, und
meint, es werde dadurch der Vorteil gewonnen, dass der Baum
den grösseren Teil seiner vegetativen Kraft auf das Verstärken
und Vergrössern von Stamm und Zweigen verwenden könne. Doch
sei an die für die Mehrzahl der Tropenbäume festgestellte Blumen-
kleinheit hier zurückerinnert, und auch die Frucht- und Samen-
produktion steht bei den nordischen Bäumen in einem nicht
geringfügigeren Verhältnis.

Die Geschwindigkeit der Entwickelung zwingt natur-
gemäß unter höheren Breiten zum Ausnutzen niederer
Temperaturen, sei es auf die eine oder die andere Weise
in Hinsicht auf den Beginn der Phase oder auf die ganze
für die Vegetationsperiode verwendete Temperatursumme.
Unter Verweis auf das früher allgemein darüber Gesagte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0302" n="272"/><fw place="top" type="header">Humuspflanzen. Laubentfaltung, Blütezeit.</fw><lb/>
Schluss des Mai an, wo die genannten Stauden nur noch<lb/>
unterirdische Vegetationsthätigkeit zeigen, kahl dasteht<lb/>
und höchstens noch im Hochsommer von einzelnen Gruppen<lb/>
lichtscheuer Humuspflanzen (<hi rendition="#i">Monotropa, Neottia, Epi-<lb/>
pogium</hi>) ausser von Pilzen besiedelt wird. Diese sogen.<lb/>
Saprophyten aber bilden gerade so charakteristische Ne-<lb/>
benbestände, wie die Epiphyten im Tropenwald, sind<lb/>
auch in letzterem vorhanden in ganz anderen Gattungen<lb/>
(<hi rendition="#i">Voyria, Burmannia</hi>), und sind, als dem ernährenden<lb/>
Lichte entzogen, auf Benutzung der modernden organi-<lb/>
schen Waldreste hingewiesen.</p><lb/>
          <p>In den biologischen Einrichtungen steht die Ge-<lb/>
schwindigkeit der Laubentfaltung bei eintretendem Früh-<lb/>
ling, das beschleunigte Blühen oft schon vor der Laub-<lb/>
entfaltung, und die günstigste Ausnutzung der ganzen<lb/>
Vegetationsperiode obenan.</p><lb/>
          <p>Diese Verhältnisse sind auf botanisch-morphologischem Wege<lb/>
besonders von F. W. C. Areschoug mehrfach erläutert worden;<lb/>
siehe z. B. dessen zusammenfassende Abhandlung in Englers<lb/>
botan. Jahrb. IX, S. 70. Die meisten Bäume blühen sehr früh-<lb/>
zeitig im Frühjahr (Ausnahme: Linde!), aus schon im Vorjahr bis<lb/>
zu hochgradiger Entwickelung angelegten Knospen. Diese über-<lb/>
wintern sogar bei einigen (Birken, Erlen etc.) nackt aus den Knospen<lb/>
hervorgetreten, und zur Zeit der Blütenstaubentleerung in den<lb/>
ersten warmen Frühlingstagen ist das Pistill bei diesen Arten<lb/>
noch nicht weit genug zur Befruchtung vorgeschritten. Areschoug<lb/>
bringt auch die beschleunigte Entwickelung im Blühen in Zu-<lb/>
sammenhang mit der einfachen Organisation in den Blüten der<lb/>
nordischen Bäume, welche ja bekanntlich Kätzchenträger sind, und<lb/>
meint, es werde dadurch der Vorteil gewonnen, dass der Baum<lb/>
den grösseren Teil seiner vegetativen Kraft auf das Verstärken<lb/>
und Vergrössern von Stamm und Zweigen verwenden könne. Doch<lb/>
sei an die für die Mehrzahl der Tropenbäume festgestellte Blumen-<lb/>
kleinheit hier zurückerinnert, und auch die Frucht- und Samen-<lb/>
produktion steht bei den nordischen Bäumen in einem nicht<lb/>
geringfügigeren Verhältnis.</p><lb/>
          <p>Die Geschwindigkeit der Entwickelung zwingt natur-<lb/>
gemäß unter höheren Breiten zum Ausnutzen niederer<lb/>
Temperaturen, sei es auf die eine oder die andere Weise<lb/>
in Hinsicht auf den Beginn der Phase oder auf die ganze<lb/>
für die Vegetationsperiode verwendete Temperatursumme.<lb/>
Unter Verweis auf das früher allgemein darüber Gesagte<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[272/0302] Humuspflanzen. Laubentfaltung, Blütezeit. Schluss des Mai an, wo die genannten Stauden nur noch unterirdische Vegetationsthätigkeit zeigen, kahl dasteht und höchstens noch im Hochsommer von einzelnen Gruppen lichtscheuer Humuspflanzen (Monotropa, Neottia, Epi- pogium) ausser von Pilzen besiedelt wird. Diese sogen. Saprophyten aber bilden gerade so charakteristische Ne- benbestände, wie die Epiphyten im Tropenwald, sind auch in letzterem vorhanden in ganz anderen Gattungen (Voyria, Burmannia), und sind, als dem ernährenden Lichte entzogen, auf Benutzung der modernden organi- schen Waldreste hingewiesen. In den biologischen Einrichtungen steht die Ge- schwindigkeit der Laubentfaltung bei eintretendem Früh- ling, das beschleunigte Blühen oft schon vor der Laub- entfaltung, und die günstigste Ausnutzung der ganzen Vegetationsperiode obenan. Diese Verhältnisse sind auf botanisch-morphologischem Wege besonders von F. W. C. Areschoug mehrfach erläutert worden; siehe z. B. dessen zusammenfassende Abhandlung in Englers botan. Jahrb. IX, S. 70. Die meisten Bäume blühen sehr früh- zeitig im Frühjahr (Ausnahme: Linde!), aus schon im Vorjahr bis zu hochgradiger Entwickelung angelegten Knospen. Diese über- wintern sogar bei einigen (Birken, Erlen etc.) nackt aus den Knospen hervorgetreten, und zur Zeit der Blütenstaubentleerung in den ersten warmen Frühlingstagen ist das Pistill bei diesen Arten noch nicht weit genug zur Befruchtung vorgeschritten. Areschoug bringt auch die beschleunigte Entwickelung im Blühen in Zu- sammenhang mit der einfachen Organisation in den Blüten der nordischen Bäume, welche ja bekanntlich Kätzchenträger sind, und meint, es werde dadurch der Vorteil gewonnen, dass der Baum den grösseren Teil seiner vegetativen Kraft auf das Verstärken und Vergrössern von Stamm und Zweigen verwenden könne. Doch sei an die für die Mehrzahl der Tropenbäume festgestellte Blumen- kleinheit hier zurückerinnert, und auch die Frucht- und Samen- produktion steht bei den nordischen Bäumen in einem nicht geringfügigeren Verhältnis. Die Geschwindigkeit der Entwickelung zwingt natur- gemäß unter höheren Breiten zum Ausnutzen niederer Temperaturen, sei es auf die eine oder die andere Weise in Hinsicht auf den Beginn der Phase oder auf die ganze für die Vegetationsperiode verwendete Temperatursumme. Unter Verweis auf das früher allgemein darüber Gesagte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/302
Zitationshilfe: Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/302>, abgerufen am 12.05.2024.