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Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890.

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Belaubungs- und Entlaubungsdaten.
arbeitung durch Arnell und später durch Hult gelangten, welcher
letztere die schöne Abhandlung: Recherches sur les phenomenes
periodiques des plantes, Ges. d. Wissensch. zu Upsala, Nova Acta
Ser. III, 1881, darüber veröffentlichte. Die Temperaturkurven a
bis e beziehen sich auf 1873--1878; an der Stelle der Kurve, auf
welche der erste Beblätterungstermin der Birke in dem gleichen
Zeitraum von Jahren fällt, ist ein starker Querstrich eingetragen,
und diese Marken sind zu einer eigenen Kurve verbunden. Das-
selbe ist mit der vom September bis Oktober fallenden Entlau-
bung vollzogen. Für die Frühlingsphase habe ich das kleine Stück
der Dresdener Temperaturkurve im 40jährigen Mittel hinzugefügt,
welches die mittlere Belaubungszeit der Birke (20. April) ein-
schliesst. Man sieht, dass die Belaubungstemperatur nur zwischen
8,6° (Upsala) und 10° schwankt, die viel ungenauer zu ermittelnde
Entlaubungstemperatur zwischen 7° und 10°C.; in Dresden fällt
erstere auf 9°, ist in Schonen 1° höher, sinkt dann unter 9°, um
im nördlichen Lappland wiederum bis gegen 10° zu steigen. Hult
hat diese Erscheinung ganz allgemein auf die Regel zurückgeführt,
dass jede Spezies ihre Phasenentwickelung bei einer bestimmten,
ziemlich gleichmäßigen und konstanten Temperatur eintreten
lässt; wenn aber die Temperaturkurve so rasch steigt, dass sie
die Geschwindigkeit der Zeit-erfordernden organischen Entwicke-
lung überflügelt, so wird letztere dadurch auf ein Datum ver-
schoben, an welchem schon eine höhere Mitteltemperatur fällig
ist. Berücksichtigt man nämlich die Geschwindigkeit des An-
steigens der Temperaturkurve in den hochnordischen Gebieten, so
ergibt sich, dass die dortigen Pflanzen die ersten vorbereitenden
Anfänge für die spätere Belaubung oder Blüte schon bei niede-
reren Temperaturen vor sich gehen lassen, als in südlicheren Ge-
bieten desselben Art-Areals; aber die Phase selbst bricht doch bei
noch etwas höheren Temperaturen erst durch. -- So ist es auch
erklärlich, dass das raschere Herabsinken der herbstlichen Tempe-
raturkurve die Entlaubung auf eine tiefere Mitteltemperatur fallen
lässt, als es die südlicheren Gebiete zeigen.

Verbindet man nun durch eine gerade Linie die
Belaubungs- und Entblätterungsdaten, so erhält man
dadurch ein graphisches Bild von der Länge der Vege-
tationsperiode an den einzelnen Orten, wie es in vor-
stehender Figur mit der Birke im nördlichen Lappland
geschehen ist. Im Mittelwert ist die Länge der Vege-
tationsperiode auch mit 9°, bez. 8° in der Figur (S. 268)
vermerkt. Es würde interessant sein, auch zu diesen
Vergleichen die von Hoffmann empfohlenen Insolations-
temperaturen zur Verfügung zu haben; vielleicht würden
dieselben noch schärfere Zahlenwerte ergeben, zumal wenn

Belaubungs- und Entlaubungsdaten.
arbeitung durch Arnell und später durch Hult gelangten, welcher
letztere die schöne Abhandlung: Recherches sur les phénomènes
périodiques des plantes, Ges. d. Wissensch. zu Upsala, Nova Acta
Ser. III, 1881, darüber veröffentlichte. Die Temperaturkurven a
bis e beziehen sich auf 1873—1878; an der Stelle der Kurve, auf
welche der erste Beblätterungstermin der Birke in dem gleichen
Zeitraum von Jahren fällt, ist ein starker Querstrich eingetragen,
und diese Marken sind zu einer eigenen Kurve verbunden. Das-
selbe ist mit der vom September bis Oktober fallenden Entlau-
bung vollzogen. Für die Frühlingsphase habe ich das kleine Stück
der Dresdener Temperaturkurve im 40jährigen Mittel hinzugefügt,
welches die mittlere Belaubungszeit der Birke (20. April) ein-
schliesst. Man sieht, dass die Belaubungstemperatur nur zwischen
8,6° (Upsala) und 10° schwankt, die viel ungenauer zu ermittelnde
Entlaubungstemperatur zwischen 7° und 10°C.; in Dresden fällt
erstere auf 9°, ist in Schonen 1° höher, sinkt dann unter 9°, um
im nördlichen Lappland wiederum bis gegen 10° zu steigen. Hult
hat diese Erscheinung ganz allgemein auf die Regel zurückgeführt,
dass jede Spezies ihre Phasenentwickelung bei einer bestimmten,
ziemlich gleichmäßigen und konstanten Temperatur eintreten
lässt; wenn aber die Temperaturkurve so rasch steigt, dass sie
die Geschwindigkeit der Zeit-erfordernden organischen Entwicke-
lung überflügelt, so wird letztere dadurch auf ein Datum ver-
schoben, an welchem schon eine höhere Mitteltemperatur fällig
ist. Berücksichtigt man nämlich die Geschwindigkeit des An-
steigens der Temperaturkurve in den hochnordischen Gebieten, so
ergibt sich, dass die dortigen Pflanzen die ersten vorbereitenden
Anfänge für die spätere Belaubung oder Blüte schon bei niede-
reren Temperaturen vor sich gehen lassen, als in südlicheren Ge-
bieten desselben Art-Areals; aber die Phase selbst bricht doch bei
noch etwas höheren Temperaturen erst durch. — So ist es auch
erklärlich, dass das raschere Herabsinken der herbstlichen Tempe-
raturkurve die Entlaubung auf eine tiefere Mitteltemperatur fallen
lässt, als es die südlicheren Gebiete zeigen.

Verbindet man nun durch eine gerade Linie die
Belaubungs- und Entblätterungsdaten, so erhält man
dadurch ein graphisches Bild von der Länge der Vege-
tationsperiode an den einzelnen Orten, wie es in vor-
stehender Figur mit der Birke im nördlichen Lappland
geschehen ist. Im Mittelwert ist die Länge der Vege-
tationsperiode auch mit 9°, bez. 8° in der Figur (S. 268)
vermerkt. Es würde interessant sein, auch zu diesen
Vergleichen die von Hoffmann empfohlenen Insolations-
temperaturen zur Verfügung zu haben; vielleicht würden
dieselben noch schärfere Zahlenwerte ergeben, zumal wenn

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[274/0304] Belaubungs- und Entlaubungsdaten. arbeitung durch Arnell und später durch Hult gelangten, welcher letztere die schöne Abhandlung: Recherches sur les phénomènes périodiques des plantes, Ges. d. Wissensch. zu Upsala, Nova Acta Ser. III, 1881, darüber veröffentlichte. Die Temperaturkurven a bis e beziehen sich auf 1873—1878; an der Stelle der Kurve, auf welche der erste Beblätterungstermin der Birke in dem gleichen Zeitraum von Jahren fällt, ist ein starker Querstrich eingetragen, und diese Marken sind zu einer eigenen Kurve verbunden. Das- selbe ist mit der vom September bis Oktober fallenden Entlau- bung vollzogen. Für die Frühlingsphase habe ich das kleine Stück der Dresdener Temperaturkurve im 40jährigen Mittel hinzugefügt, welches die mittlere Belaubungszeit der Birke (20. April) ein- schliesst. Man sieht, dass die Belaubungstemperatur nur zwischen 8,6° (Upsala) und 10° schwankt, die viel ungenauer zu ermittelnde Entlaubungstemperatur zwischen 7° und 10°C.; in Dresden fällt erstere auf 9°, ist in Schonen 1° höher, sinkt dann unter 9°, um im nördlichen Lappland wiederum bis gegen 10° zu steigen. Hult hat diese Erscheinung ganz allgemein auf die Regel zurückgeführt, dass jede Spezies ihre Phasenentwickelung bei einer bestimmten, ziemlich gleichmäßigen und konstanten Temperatur eintreten lässt; wenn aber die Temperaturkurve so rasch steigt, dass sie die Geschwindigkeit der Zeit-erfordernden organischen Entwicke- lung überflügelt, so wird letztere dadurch auf ein Datum ver- schoben, an welchem schon eine höhere Mitteltemperatur fällig ist. Berücksichtigt man nämlich die Geschwindigkeit des An- steigens der Temperaturkurve in den hochnordischen Gebieten, so ergibt sich, dass die dortigen Pflanzen die ersten vorbereitenden Anfänge für die spätere Belaubung oder Blüte schon bei niede- reren Temperaturen vor sich gehen lassen, als in südlicheren Ge- bieten desselben Art-Areals; aber die Phase selbst bricht doch bei noch etwas höheren Temperaturen erst durch. — So ist es auch erklärlich, dass das raschere Herabsinken der herbstlichen Tempe- raturkurve die Entlaubung auf eine tiefere Mitteltemperatur fallen lässt, als es die südlicheren Gebiete zeigen. Verbindet man nun durch eine gerade Linie die Belaubungs- und Entblätterungsdaten, so erhält man dadurch ein graphisches Bild von der Länge der Vege- tationsperiode an den einzelnen Orten, wie es in vor- stehender Figur mit der Birke im nördlichen Lappland geschehen ist. Im Mittelwert ist die Länge der Vege- tationsperiode auch mit 9°, bez. 8° in der Figur (S. 268) vermerkt. Es würde interessant sein, auch zu diesen Vergleichen die von Hoffmann empfohlenen Insolations- temperaturen zur Verfügung zu haben; vielleicht würden dieselben noch schärfere Zahlenwerte ergeben, zumal wenn

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Zitationshilfe: Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/304>, abgerufen am 29.04.2024.