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Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890.

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Verbreitung und Biologie der Gräser.
Zizania aquatica, die Tuscarora-Reispflanze im nordamerikanischen
Seengebiet und im nordöstlichen Asien, boreal sehr ausdehnen. In
der neuesten Bearbeitung der Gräser gibt Hackel an, dass keine
einzige Tribus auf nur eine Hemisphäre, und keine einzige
artenreiche Gattung auf nur ein Florenreich beschränkt sei. --
Eine solche Ordnung muss eine grosse Menge biologischer An-
passungen an die verschiedenartigen Klimate und Standortsver-
hältnisse ihres Areals zeigen; man möge dabei bedenken, dass
ausser den von Gräsern allein oder hauptsächlich gebildeten Be-
ständen noch Formationsgenossen in die Bestände der fliessenden
und stehenden Gewässer, in die Wälder, Steppen etc. geliefert
werden. Die inneren Organisationsverschiedenheiten hat Güntz
vor kurzem mit Rücksicht auf die Grasflurbestände der verschiede-
nen Klimate untersucht (G. J., XIII, 312) und hat dabei ausser
der Bambusengruppe die Wiesen-, Steppen- und Savanengräser
als natürlich begründet gefunden, freilich nicht ganz adäquat der
geographischen Formationslehre, welche die Steppengräser nicht
im arktischen Gebiet und die Wiesengräser nicht im Sudan als
vorhanden betrachtet. Hierüber werden ausführlichere Untersuch-
ungen der aussereuropäischen Formationen belehren. Güntz stellte
als Verbreitungsländer der Wiesengräser das arktische Florengebiet,
das Waldgebiet des nordischen Florenreichs, das kalifornische
Küstengebiet, reine Marschen Australiens und Anteile der Pampas,
Prairien und Tropen auf; als Verbreitungsländer der Steppengräser
die asiatischen Steppen, Teile des Mediterrangebiets, die Sahara,
Kalahari, die Prairien, Pampas und andinen Plateaus, grosse
Strecken Australiens, und endlich einzelne trockene Gegenden auch
von Mitteleuropa und der arktischen Flora. Die Form der Sa-
vanengräser aber hält sich ihm zufolge fast ganz in den Grenzen
der Tropen.

Die Unterscheidung zwischen eigentlichen (süssen)
Wiesen und Gras- oder Wiesenmooren (Grünmooren),
welche bei Zunahme des Wassers zu den Sumpfforma-
tionen überleiten und sich mit den Moosmooren derartig
ergänzen, dass sie letzteren oft als Unterlage dienen und
sie umsäumen, liegt in der eigentümlichen Rückwirkung
des von den Grasmooren gebildeten torfigen Substrats auf
die fernere Besiedelung begründet. Wie nur wenige
Gräser gleichzeitig in der Wiese und im Moor stand-
halten, so zieht sich überhaupt diese Ordnung vor nassem
Torf zurück und überlässt hier den Cyperaceen und Jun-
caceen das Feld, in welchen beiden Ordnungen aber die-
selben rasenbildenden Eigenschaften entwickelt sind.

Die Cyperaceen zählen zwischen 60 und 70 Gattungen mit
circa 3000 Arten, gehören also ebenfalls zu den bedeutendsten der

Verbreitung und Biologie der Gräser.
Zizania aquatica, die Tuscarora-Reispflanze im nordamerikanischen
Seengebiet und im nordöstlichen Asien, boreal sehr ausdehnen. In
der neuesten Bearbeitung der Gräser gibt Hackel an, dass keine
einzige Tribus auf nur eine Hemisphäre, und keine einzige
artenreiche Gattung auf nur ein Florenreich beschränkt sei. —
Eine solche Ordnung muss eine grosse Menge biologischer An-
passungen an die verschiedenartigen Klimate und Standortsver-
hältnisse ihres Areals zeigen; man möge dabei bedenken, dass
ausser den von Gräsern allein oder hauptsächlich gebildeten Be-
ständen noch Formationsgenossen in die Bestände der fliessenden
und stehenden Gewässer, in die Wälder, Steppen etc. geliefert
werden. Die inneren Organisationsverschiedenheiten hat Güntz
vor kurzem mit Rücksicht auf die Grasflurbestände der verschiede-
nen Klimate untersucht (G. J., XIII, 312) und hat dabei ausser
der Bambusengruppe die Wiesen-, Steppen- und Savanengräser
als natürlich begründet gefunden, freilich nicht ganz adäquat der
geographischen Formationslehre, welche die Steppengräser nicht
im arktischen Gebiet und die Wiesengräser nicht im Sudan als
vorhanden betrachtet. Hierüber werden ausführlichere Untersuch-
ungen der aussereuropäischen Formationen belehren. Güntz stellte
als Verbreitungsländer der Wiesengräser das arktische Florengebiet,
das Waldgebiet des nordischen Florenreichs, das kalifornische
Küstengebiet, reine Marschen Australiens und Anteile der Pampas,
Prairien und Tropen auf; als Verbreitungsländer der Steppengräser
die asiatischen Steppen, Teile des Mediterrangebiets, die Sahara,
Kalahari, die Prairien, Pampas und andinen Plateaus, grosse
Strecken Australiens, und endlich einzelne trockene Gegenden auch
von Mitteleuropa und der arktischen Flora. Die Form der Sa-
vanengräser aber hält sich ihm zufolge fast ganz in den Grenzen
der Tropen.

Die Unterscheidung zwischen eigentlichen (süssen)
Wiesen und Gras- oder Wiesenmooren (Grünmooren),
welche bei Zunahme des Wassers zu den Sumpfforma-
tionen überleiten und sich mit den Moosmooren derartig
ergänzen, dass sie letzteren oft als Unterlage dienen und
sie umsäumen, liegt in der eigentümlichen Rückwirkung
des von den Grasmooren gebildeten torfigen Substrats auf
die fernere Besiedelung begründet. Wie nur wenige
Gräser gleichzeitig in der Wiese und im Moor stand-
halten, so zieht sich überhaupt diese Ordnung vor nassem
Torf zurück und überlässt hier den Cyperaceen und Jun-
caceen das Feld, in welchen beiden Ordnungen aber die-
selben rasenbildenden Eigenschaften entwickelt sind.

Die Cyperaceen zählen zwischen 60 und 70 Gattungen mit
circa 3000 Arten, gehören also ebenfalls zu den bedeutendsten der

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[291/0321] Verbreitung und Biologie der Gräser. Zizania aquatica, die Tuscarora-Reispflanze im nordamerikanischen Seengebiet und im nordöstlichen Asien, boreal sehr ausdehnen. In der neuesten Bearbeitung der Gräser gibt Hackel an, dass keine einzige Tribus auf nur eine Hemisphäre, und keine einzige artenreiche Gattung auf nur ein Florenreich beschränkt sei. — Eine solche Ordnung muss eine grosse Menge biologischer An- passungen an die verschiedenartigen Klimate und Standortsver- hältnisse ihres Areals zeigen; man möge dabei bedenken, dass ausser den von Gräsern allein oder hauptsächlich gebildeten Be- ständen noch Formationsgenossen in die Bestände der fliessenden und stehenden Gewässer, in die Wälder, Steppen etc. geliefert werden. Die inneren Organisationsverschiedenheiten hat Güntz vor kurzem mit Rücksicht auf die Grasflurbestände der verschiede- nen Klimate untersucht (G. J., XIII, 312) und hat dabei ausser der Bambusengruppe die Wiesen-, Steppen- und Savanengräser als natürlich begründet gefunden, freilich nicht ganz adäquat der geographischen Formationslehre, welche die Steppengräser nicht im arktischen Gebiet und die Wiesengräser nicht im Sudan als vorhanden betrachtet. Hierüber werden ausführlichere Untersuch- ungen der aussereuropäischen Formationen belehren. Güntz stellte als Verbreitungsländer der Wiesengräser das arktische Florengebiet, das Waldgebiet des nordischen Florenreichs, das kalifornische Küstengebiet, reine Marschen Australiens und Anteile der Pampas, Prairien und Tropen auf; als Verbreitungsländer der Steppengräser die asiatischen Steppen, Teile des Mediterrangebiets, die Sahara, Kalahari, die Prairien, Pampas und andinen Plateaus, grosse Strecken Australiens, und endlich einzelne trockene Gegenden auch von Mitteleuropa und der arktischen Flora. Die Form der Sa- vanengräser aber hält sich ihm zufolge fast ganz in den Grenzen der Tropen. Die Unterscheidung zwischen eigentlichen (süssen) Wiesen und Gras- oder Wiesenmooren (Grünmooren), welche bei Zunahme des Wassers zu den Sumpfforma- tionen überleiten und sich mit den Moosmooren derartig ergänzen, dass sie letzteren oft als Unterlage dienen und sie umsäumen, liegt in der eigentümlichen Rückwirkung des von den Grasmooren gebildeten torfigen Substrats auf die fernere Besiedelung begründet. Wie nur wenige Gräser gleichzeitig in der Wiese und im Moor stand- halten, so zieht sich überhaupt diese Ordnung vor nassem Torf zurück und überlässt hier den Cyperaceen und Jun- caceen das Feld, in welchen beiden Ordnungen aber die- selben rasenbildenden Eigenschaften entwickelt sind. Die Cyperaceen zählen zwischen 60 und 70 Gattungen mit circa 3000 Arten, gehören also ebenfalls zu den bedeutendsten der

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Zitationshilfe: Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/321>, abgerufen am 13.05.2024.