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Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 1. Hildesheim, 1747.

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das sie nicht wollen.
Jn solcher Absicht an? die wenigsten thun das,
Sie leben in der Welt, sie sehn ohn Unterlaß
Derselben Schönheit an, und denken nur dabei,
Daß dieses alles da, dieweil es ist so sei.
Wär ihr begierger Wunsch so brünstig als man meinet:
So suchten sie ihn da, wo uns sein Bild erscheinet.
Ja! Menschen! sagt mir nicht; das ist ein falscher
Schlus
Jhr wolt die Quelle sehn, ich weise euch den Flus
Der nur daraus herstammt; Jch will nicht wieder-
streben,
Jch will euch lieber noch dies zum Beweise geben:
Wer einen Endzwek wünscht, der nimmt die Mit-
tel an;
Jhr wolt die Gottheit sehn, die keiner sehen kan,
Als wer sich recht bestrebt ins Himmelreich zu gehen,
Wo mit verklärten Aug sein ewigs Licht zu sehen.
Jst euer Wandel stets nach diesem Ziel bemüht,
Dabei ihr euch der Welt, und ihrer Lust entzieht?
Prüft eur Gewissen recht, und last ein Urtheil fällen;
So wird die Warheit klar von diesem Saz erhellen.
Jhr wünscht und wolt doch nicht; ihr geht nach
Abend hin
Und wolt ins Morgenland, nach euren Wunsch
und Sin;
Jst nun ein solcher Mensch, kein Wiederspruch zu
nennen,
Der GOtt dort sehen will, und will Jhn hier
nicht kennen?


Wo-
das ſie nicht wollen.
Jn ſolcher Abſicht an? die wenigſten thun das,
Sie leben in der Welt, ſie ſehn ohn Unterlaß
Derſelben Schoͤnheit an, und denken nur dabei,
Daß dieſes alles da, dieweil es iſt ſo ſei.
Waͤr ihr begierger Wunſch ſo bruͤnſtig als man meinet:
So ſuchten ſie ihn da, wo uns ſein Bild erſcheinet.
Ja! Menſchen! ſagt mir nicht; das iſt ein falſcher
Schlus
Jhr wolt die Quelle ſehn, ich weiſe euch den Flus
Der nur daraus herſtammt; Jch will nicht wieder-
ſtreben,
Jch will euch lieber noch dies zum Beweiſe geben:
Wer einen Endzwek wuͤnſcht, der nimmt die Mit-
tel an;
Jhr wolt die Gottheit ſehn, die keiner ſehen kan,
Als wer ſich recht beſtrebt ins Himmelreich zu gehen,
Wo mit verklaͤrten Aug ſein ewigs Licht zu ſehen.
Jſt euer Wandel ſtets nach dieſem Ziel bemuͤht,
Dabei ihr euch der Welt, und ihrer Luſt entzieht?
Pruͤft eur Gewiſſen recht, und laſt ein Urtheil faͤllen;
So wird die Warheit klar von dieſem Saz erhellen.
Jhr wuͤnſcht und wolt doch nicht; ihr geht nach
Abend hin
Und wolt ins Morgenland, nach euren Wunſch
und Sin;
Jſt nun ein ſolcher Menſch, kein Wiederſpruch zu
nennen,
Der GOtt dort ſehen will, und will Jhn hier
nicht kennen?


Wo-
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[253/0269] das ſie nicht wollen. Jn ſolcher Abſicht an? die wenigſten thun das, Sie leben in der Welt, ſie ſehn ohn Unterlaß Derſelben Schoͤnheit an, und denken nur dabei, Daß dieſes alles da, dieweil es iſt ſo ſei. Waͤr ihr begierger Wunſch ſo bruͤnſtig als man meinet: So ſuchten ſie ihn da, wo uns ſein Bild erſcheinet. Ja! Menſchen! ſagt mir nicht; das iſt ein falſcher Schlus Jhr wolt die Quelle ſehn, ich weiſe euch den Flus Der nur daraus herſtammt; Jch will nicht wieder- ſtreben, Jch will euch lieber noch dies zum Beweiſe geben: Wer einen Endzwek wuͤnſcht, der nimmt die Mit- tel an; Jhr wolt die Gottheit ſehn, die keiner ſehen kan, Als wer ſich recht beſtrebt ins Himmelreich zu gehen, Wo mit verklaͤrten Aug ſein ewigs Licht zu ſehen. Jſt euer Wandel ſtets nach dieſem Ziel bemuͤht, Dabei ihr euch der Welt, und ihrer Luſt entzieht? Pruͤft eur Gewiſſen recht, und laſt ein Urtheil faͤllen; So wird die Warheit klar von dieſem Saz erhellen. Jhr wuͤnſcht und wolt doch nicht; ihr geht nach Abend hin Und wolt ins Morgenland, nach euren Wunſch und Sin; Jſt nun ein ſolcher Menſch, kein Wiederſpruch zu nennen, Der GOtt dort ſehen will, und will Jhn hier nicht kennen? Wo-

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Zitationshilfe: Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 1. Hildesheim, 1747, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen01_1747/269>, abgerufen am 29.04.2024.