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Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 2. Hildesheim, 1747.

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Die Liebe.
Wo wahre Liebe fehlt, kan man auf sanften Küs-
sen,

Beim Schlaf der Sicherheit auch keine Ruh ge-
niessen:

Alsdenn lebt man vergnügt, wenn uns der Schöpfer
freund,

Es foltert uns die Angst, wenn er uns zornig
scheint.

O! Menschen trachtet doch das höchste Gut zu lie-
ben;

So kan euch keine Noth und keine Angst betrüben.
Die Ruhe des Gemüths, die Seel und Leib erhält,
Jst warlich unschäzbar, das Beste in der Welt;
Wer dieses Kleinod sucht, wird es nicht ehr erlan-
gen,

Er hab erst GOtt und Mensch zu lieben angefan-
gen.

Des Höchsten Absicht ist, daß man des andern
Wol,

Aus Lieb und Lust gerührt, allhie befördern sol;
Drum hat er in das Herz die Liebe ausgegossen,
Das aber leider jezt in Gift und Haß zerflossen.
Es wolte daß der Mensch dem andern hold und treu,
Jn reiner Lust geneigt, des andern Engel sey:
Allein der Haß regiert, zeugt Feindschaft, Rotten,
Morden.

Und dadurch ist der Mensch, des andern Teufel
worden.

Die Liebe ist der Grund, ohn welcher nichts be-
steht;

Weil durch den Has und Neid, der Staat zu trüm-
mern geht,

Den GOttes Huld erbaut. Wir könten ruhig
wohnen,

Es
Die Liebe.
Wo wahre Liebe fehlt, kan man auf ſanften Kuͤſ-
ſen,

Beim Schlaf der Sicherheit auch keine Ruh ge-
nieſſen:

Alsdenn lebt man vergnuͤgt, wenn uns der Schoͤpfer
freund,

Es foltert uns die Angſt, wenn er uns zornig
ſcheint.

O! Menſchen trachtet doch das hoͤchſte Gut zu lie-
ben;

So kan euch keine Noth und keine Angſt betruͤben.
Die Ruhe des Gemuͤths, die Seel und Leib erhaͤlt,
Jſt warlich unſchaͤzbar, das Beſte in der Welt;
Wer dieſes Kleinod ſucht, wird es nicht ehr erlan-
gen,

Er hab erſt GOtt und Menſch zu lieben angefan-
gen.

Des Hoͤchſten Abſicht iſt, daß man des andern
Wol,

Aus Lieb und Luſt geruͤhrt, allhie befoͤrdern ſol;
Drum hat er in das Herz die Liebe ausgegoſſen,
Das aber leider jezt in Gift und Haß zerfloſſen.
Es wolte daß der Menſch dem andern hold und treu,
Jn reiner Luſt geneigt, des andern Engel ſey:
Allein der Haß regiert, zeugt Feindſchaft, Rotten,
Morden.

Und dadurch iſt der Menſch, des andern Teufel
worden.

Die Liebe iſt der Grund, ohn welcher nichts be-
ſteht;

Weil durch den Has und Neid, der Staat zu truͤm-
mern geht,

Den GOttes Huld erbaut. Wir koͤnten ruhig
wohnen,

Es
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[194/0206] Die Liebe. Wo wahre Liebe fehlt, kan man auf ſanften Kuͤſ- ſen, Beim Schlaf der Sicherheit auch keine Ruh ge- nieſſen: Alsdenn lebt man vergnuͤgt, wenn uns der Schoͤpfer freund, Es foltert uns die Angſt, wenn er uns zornig ſcheint. O! Menſchen trachtet doch das hoͤchſte Gut zu lie- ben; So kan euch keine Noth und keine Angſt betruͤben. Die Ruhe des Gemuͤths, die Seel und Leib erhaͤlt, Jſt warlich unſchaͤzbar, das Beſte in der Welt; Wer dieſes Kleinod ſucht, wird es nicht ehr erlan- gen, Er hab erſt GOtt und Menſch zu lieben angefan- gen. Des Hoͤchſten Abſicht iſt, daß man des andern Wol, Aus Lieb und Luſt geruͤhrt, allhie befoͤrdern ſol; Drum hat er in das Herz die Liebe ausgegoſſen, Das aber leider jezt in Gift und Haß zerfloſſen. Es wolte daß der Menſch dem andern hold und treu, Jn reiner Luſt geneigt, des andern Engel ſey: Allein der Haß regiert, zeugt Feindſchaft, Rotten, Morden. Und dadurch iſt der Menſch, des andern Teufel worden. Die Liebe iſt der Grund, ohn welcher nichts be- ſteht; Weil durch den Has und Neid, der Staat zu truͤm- mern geht, Den GOttes Huld erbaut. Wir koͤnten ruhig wohnen, Es

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Zitationshilfe: Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 2. Hildesheim, 1747, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen02_1747/206>, abgerufen am 06.05.2024.