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Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 2. Hildesheim, 1747.

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Der Neid.

Er sieht was andere gethan,
Durchs Glas das nur verkleinert an: (*)
Hingegen weis er seine Sachen,
Durchs Fernglas übergros zu machen. (**)

Er wünscht daß alle Ehrenkronen,
Die das Verdienst allhie belohnen;
Auf seinen Haupt alleine stehn:
Und andere verachtet gehn.
Der Neid beweiset seine Tükke,
Und freut sich ob dem Ungelükke
Das seinen armen Nächsten plagt;
Er lacht wenn der ganz trostlos klagt,
Und wenn die Armen ängstlich weinen,
Kan er dabey ganz munter scheinen.
Er pflegt zwar alles zu beflekken,
Mit seiner Zunge anzustekken,
Was sich der Tugend nur befleißt,
Die bey ihm Schand und Laster heist:
Vornemlich pflegt er zu besprüzzen,
Die durch die Tugend vieles nüzzen;
Die herrlich glänzen in der Welt,
Sind ihm am meisten blos gestellt:
Er ist den Mükken gleich zu schäzzen,
Die sich auf schöne Blumen sezzen.
Der
(*) Microsopium pflegt man ein solches Glas zu
nennen, welches die Dinge die sich demselben
darfiellen, verkleinert.
(**) Ein solches Glas daß die Dings vergrössert,
welches man Macroscopium heisset.

Der Neid.

Er ſieht was andere gethan,
Durchs Glas das nur verkleinert an: (*)
Hingegen weis er ſeine Sachen,
Durchs Fernglas uͤbergros zu machen. (**)

Er wuͤnſcht daß alle Ehrenkronen,
Die das Verdienſt allhie belohnen;
Auf ſeinen Haupt alleine ſtehn:
Und andere verachtet gehn.
Der Neid beweiſet ſeine Tuͤkke,
Und freut ſich ob dem Ungeluͤkke
Das ſeinen armen Naͤchſten plagt;
Er lacht wenn der ganz troſtlos klagt,
Und wenn die Armen aͤngſtlich weinen,
Kan er dabey ganz munter ſcheinen.
Er pflegt zwar alles zu beflekken,
Mit ſeiner Zunge anzuſtekken,
Was ſich der Tugend nur befleißt,
Die bey ihm Schand und Laſter heiſt:
Vornemlich pflegt er zu beſpruͤzzen,
Die durch die Tugend vieles nuͤzzen;
Die herrlich glaͤnzen in der Welt,
Sind ihm am meiſten blos geſtellt:
Er iſt den Muͤkken gleich zu ſchaͤzzen,
Die ſich auf ſchoͤne Blumen ſezzen.
Der
(*) Microſopium pflegt man ein ſolches Glas zu
nennen, welches die Dinge die ſich demſelben
darfiellen, verkleinert.
(**) Ein ſolches Glas daß die Dings vergroͤſſert,
welches man Macroſcopium heiſſet.
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[200/0212] Der Neid. Er ſieht was andere gethan, Durchs Glas das nur verkleinert an: (*) Hingegen weis er ſeine Sachen, Durchs Fernglas uͤbergros zu machen. (**) Er wuͤnſcht daß alle Ehrenkronen, Die das Verdienſt allhie belohnen; Auf ſeinen Haupt alleine ſtehn: Und andere verachtet gehn. Der Neid beweiſet ſeine Tuͤkke, Und freut ſich ob dem Ungeluͤkke Das ſeinen armen Naͤchſten plagt; Er lacht wenn der ganz troſtlos klagt, Und wenn die Armen aͤngſtlich weinen, Kan er dabey ganz munter ſcheinen. Er pflegt zwar alles zu beflekken, Mit ſeiner Zunge anzuſtekken, Was ſich der Tugend nur befleißt, Die bey ihm Schand und Laſter heiſt: Vornemlich pflegt er zu beſpruͤzzen, Die durch die Tugend vieles nuͤzzen; Die herrlich glaͤnzen in der Welt, Sind ihm am meiſten blos geſtellt: Er iſt den Muͤkken gleich zu ſchaͤzzen, Die ſich auf ſchoͤne Blumen ſezzen. Der (*) Microſopium pflegt man ein ſolches Glas zu nennen, welches die Dinge die ſich demſelben darfiellen, verkleinert. (**) Ein ſolches Glas daß die Dings vergroͤſſert, welches man Macroſcopium heiſſet.

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Zitationshilfe: Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 2. Hildesheim, 1747, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen02_1747/212>, abgerufen am 05.05.2024.