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Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 2. Hildesheim, 1747.

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Die Kaiser-Krone.

Alsdenn würden im Gedeien,
Niedre sich der Hohen freuen.

Jch besah die innre Ründe,
Was ich in der Blume fünde;
Gukte in den Kelch hinein,
Da cristalne Augen seyn,
Die beim Anrührn gleich den Güssen
Der gethränten Perlen, fliessen.
Ach! dacht ich in meiner Seelen,
Was vor innren Gram und Quälen,
Was vor untermischtes Leid,
Jst wol oft im Purpurkleid,
Und beim Heer der schwarzen Sorgen,
Jn der Fürsten Herz verborgen!
Bei dem äusren Schein der Freude,
Schwimmt das Herz gar oft im Leide,
Und von einem hohen Stand,
Jst der Gram nicht weggebannt:
Aeusre Lust und innre Wehen,
Sind bei Kronen anzusehen.
Doch der Kaiser-Kronen Augen
Sind, wenn wir ihr Naß nur saugen
Honig süß, erquiklich schön:
Daran ist die Lehr zu sehn;
Wie erquiklich Fürstenthränen,
Bei der Unterthanen Sehnen.
Wenn die Noth bei jeden Stande
Sich anfindet in dem Lande,
Die

Die Kaiſer-Krone.

Alsdenn wuͤrden im Gedeien,
Niedre ſich der Hohen freuen.

Jch beſah die innre Ruͤnde,
Was ich in der Blume fuͤnde;
Gukte in den Kelch hinein,
Da criſtalne Augen ſeyn,
Die beim Anruͤhrn gleich den Guͤſſen
Der gethraͤnten Perlen, flieſſen.
Ach! dacht ich in meiner Seelen,
Was vor innren Gram und Quaͤlen,
Was vor untermiſchtes Leid,
Jſt wol oft im Purpurkleid,
Und beim Heer der ſchwarzen Sorgen,
Jn der Fuͤrſten Herz verborgen!
Bei dem aͤuſren Schein der Freude,
Schwimmt das Herz gar oft im Leide,
Und von einem hohen Stand,
Jſt der Gram nicht weggebannt:
Aeuſre Luſt und innre Wehen,
Sind bei Kronen anzuſehen.
Doch der Kaiſer-Kronen Augen
Sind, wenn wir ihr Naß nur ſaugen
Honig ſuͤß, erquiklich ſchoͤn:
Daran iſt die Lehr zu ſehn;
Wie erquiklich Fuͤrſtenthraͤnen,
Bei der Unterthanen Sehnen.
Wenn die Noth bei jeden Stande
Sich anfindet in dem Lande,
Die
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[331/0343] Die Kaiſer-Krone. Alsdenn wuͤrden im Gedeien, Niedre ſich der Hohen freuen. Jch beſah die innre Ruͤnde, Was ich in der Blume fuͤnde; Gukte in den Kelch hinein, Da criſtalne Augen ſeyn, Die beim Anruͤhrn gleich den Guͤſſen Der gethraͤnten Perlen, flieſſen. Ach! dacht ich in meiner Seelen, Was vor innren Gram und Quaͤlen, Was vor untermiſchtes Leid, Jſt wol oft im Purpurkleid, Und beim Heer der ſchwarzen Sorgen, Jn der Fuͤrſten Herz verborgen! Bei dem aͤuſren Schein der Freude, Schwimmt das Herz gar oft im Leide, Und von einem hohen Stand, Jſt der Gram nicht weggebannt: Aeuſre Luſt und innre Wehen, Sind bei Kronen anzuſehen. Doch der Kaiſer-Kronen Augen Sind, wenn wir ihr Naß nur ſaugen Honig ſuͤß, erquiklich ſchoͤn: Daran iſt die Lehr zu ſehn; Wie erquiklich Fuͤrſtenthraͤnen, Bei der Unterthanen Sehnen. Wenn die Noth bei jeden Stande Sich anfindet in dem Lande, Die

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Zitationshilfe: Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 2. Hildesheim, 1747, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen02_1747/343>, abgerufen am 05.05.2024.