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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

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gab dem Athener zurück: "Dann haben die Götter den
Vater in seinen Kindern bestraft."

"Wie meinst Du das? -- Psamtik behagt dem Kö-
nige in seiner jetzigen Stimmung ganz wohl; Tachot leidet
zwar, betet und opfert jedoch um so fleißiger mit dem
Vater. Was endlich Nitetis betrifft, so wird ihm der
wahrscheinliche Tod derselben nicht allzunahe gehn; das
weißt Du so gut als ich."

"Abermals kann ich Dich nicht verstehen."

"Das ist natürlich, so lange Du wähnst, daß ich die
schöne Kranke für eine Tochter des Amasis halte."

Der Aegypter erbebte wiederum; Phanes aber fuhr
fort, ohne scheinbar auf seine Erregung zu achten: "Jch
bin besser unterrichtet, als Du vermuthen kannst. Nitetis
ist die Tochter Hophra's, des entthronten Vorgängers
Deines Königs. Amasis hat dieselbe auferzogen, als wäre
sie sein eigenes Kind, um Deinen Landsleuten erstens den
Glauben beizubringen, der gestürzte Pharao sei ohne Nach-
kommen gestorben; zweitens aber, um Nitetis aller An-
sprüche auf einen Thron, der ihr von Rechtswegen zukommt,
zu berauben. Am Nil sind ja auch Weiber regierungsfähig!" 7)

"Dieß sind Vermuthungen --"

"Die ich durch unumstößliche Beweise zu bekräftigen
vermag! Unter den Papieren, welche Dein alter Diener
Hib in einem Kästchen bei sich führte, müssen sich Briefe
eines gewissen Sonnophre, eines berühmten Geburtshelfers 8),
Deines Vaters, vorfinden --"

"Wenn dem so wäre, dann sind doch in jedem Falle
diese Schreiben mein Eigenthum, das ich nicht herauszugeben
gesonnen bin; zweitens aber möchtest Du in Persien ver-
geblich nach einem Manne suchen, der die Schrift meines
Vaters zu entziffern verstände."

gab dem Athener zurück: „Dann haben die Götter den
Vater in ſeinen Kindern beſtraft.“

„Wie meinſt Du das? — Pſamtik behagt dem Kö-
nige in ſeiner jetzigen Stimmung ganz wohl; Tachot leidet
zwar, betet und opfert jedoch um ſo fleißiger mit dem
Vater. Was endlich Nitetis betrifft, ſo wird ihm der
wahrſcheinliche Tod derſelben nicht allzunahe gehn; das
weißt Du ſo gut als ich.“

„Abermals kann ich Dich nicht verſtehen.“

„Das iſt natürlich, ſo lange Du wähnſt, daß ich die
ſchöne Kranke für eine Tochter des Amaſis halte.“

Der Aegypter erbebte wiederum; Phanes aber fuhr
fort, ohne ſcheinbar auf ſeine Erregung zu achten: „Jch
bin beſſer unterrichtet, als Du vermuthen kannſt. Nitetis
iſt die Tochter Hophra’s, des entthronten Vorgängers
Deines Königs. Amaſis hat dieſelbe auferzogen, als wäre
ſie ſein eigenes Kind, um Deinen Landsleuten erſtens den
Glauben beizubringen, der geſtürzte Pharao ſei ohne Nach-
kommen geſtorben; zweitens aber, um Nitetis aller An-
ſprüche auf einen Thron, der ihr von Rechtswegen zukommt,
zu berauben. Am Nil ſind ja auch Weiber regierungsfähig!“ 7)

„Dieß ſind Vermuthungen —“

„Die ich durch unumſtößliche Beweiſe zu bekräftigen
vermag! Unter den Papieren, welche Dein alter Diener
Hib in einem Käſtchen bei ſich führte, müſſen ſich Briefe
eines gewiſſen Sonnophre, eines berühmten Geburtshelfers 8),
Deines Vaters, vorfinden —“

„Wenn dem ſo wäre, dann ſind doch in jedem Falle
dieſe Schreiben mein Eigenthum, das ich nicht herauszugeben
geſonnen bin; zweitens aber möchteſt Du in Perſien ver-
geblich nach einem Manne ſuchen, der die Schrift meines
Vaters zu entziffern verſtände.“

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[14/0022] gab dem Athener zurück: „Dann haben die Götter den Vater in ſeinen Kindern beſtraft.“ „Wie meinſt Du das? — Pſamtik behagt dem Kö- nige in ſeiner jetzigen Stimmung ganz wohl; Tachot leidet zwar, betet und opfert jedoch um ſo fleißiger mit dem Vater. Was endlich Nitetis betrifft, ſo wird ihm der wahrſcheinliche Tod derſelben nicht allzunahe gehn; das weißt Du ſo gut als ich.“ „Abermals kann ich Dich nicht verſtehen.“ „Das iſt natürlich, ſo lange Du wähnſt, daß ich die ſchöne Kranke für eine Tochter des Amaſis halte.“ Der Aegypter erbebte wiederum; Phanes aber fuhr fort, ohne ſcheinbar auf ſeine Erregung zu achten: „Jch bin beſſer unterrichtet, als Du vermuthen kannſt. Nitetis iſt die Tochter Hophra’s, des entthronten Vorgängers Deines Königs. Amaſis hat dieſelbe auferzogen, als wäre ſie ſein eigenes Kind, um Deinen Landsleuten erſtens den Glauben beizubringen, der geſtürzte Pharao ſei ohne Nach- kommen geſtorben; zweitens aber, um Nitetis aller An- ſprüche auf einen Thron, der ihr von Rechtswegen zukommt, zu berauben. Am Nil ſind ja auch Weiber regierungsfähig!“ 7) „Dieß ſind Vermuthungen —“ „Die ich durch unumſtößliche Beweiſe zu bekräftigen vermag! Unter den Papieren, welche Dein alter Diener Hib in einem Käſtchen bei ſich führte, müſſen ſich Briefe eines gewiſſen Sonnophre, eines berühmten Geburtshelfers 8), Deines Vaters, vorfinden —“ „Wenn dem ſo wäre, dann ſind doch in jedem Falle dieſe Schreiben mein Eigenthum, das ich nicht herauszugeben geſonnen bin; zweitens aber möchteſt Du in Perſien ver- geblich nach einem Manne ſuchen, der die Schrift meines Vaters zu entziffern verſtände.“

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/22>, abgerufen am 28.04.2024.