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Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864.

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Lohne für all' die Augen, welche er sehend macht, seine
eigenen auskratzen wird!"

"Solche Schändlichkeit!" rief der Alte, in Ver-
wünschungen ausbrechend.

Der Arzt hatte schweigend und sinnend der Er-
zählung seines Dieners zugehört. Von Zeit zu Zeit
wechselte die Farbe seines Angesichts. Als er hörte, daß
man seine Papiere, die Frucht vieler mühsam durch-
arbeiteter Nächte, verbrannt, mit dem Willen seiner
Standesgenossen und des Königs freventlich zerstört habe,
ballten sich seine Fäuste und sein Körper erbebte, als
überkomme ihn ein harter Frost.

Dem Athener war keine Bewegung des Saiten ent-
gangen. Er kannte die menschliche Natur und wußte,
daß häufig ein Wort des Spottes die Seele des Ehr-
geizigen tiefer verletzt, als harte Beleidigungen. Darum
wiederholte er gerade jetzt jenen leichtfertigen Scherz, den
sich Amasis in Wahrheit einstmals, seiner schalkhaften
Neigung folgend, erlaubt hatte. Auch war seine Rech-
nung richtig gewesen, denn er bemerkte, daß Nebenchari
bei seinen letzten Worten eine Rose, welche vor ihm auf
dem Tische lag, mit der flachen Hand zerdrückte. Ein
wohlgefälliges Lächeln unterdrückend, sah Phanes zu
Boden und fuhr fort: "Jetzt wollen wir aber die Er-
zählung der Reiseabenteuer des braven Hib schnell be-
schließen. Jch lud ihn ein, meinen Wagen zu theilen.
Erst weigerte er sich, mit einem so verruchten Fremden,
wie ich bin, auf einem Polster zu sitzen; doch gab er
endlich meinen Bitten nach, hatte auf der letzten Station
Gelegenheit, an dem Bruder des Oberpriesters Oropastes
die Handgriffe, welche er Dir und Deinem Vater abgesehen,

Lohne für all’ die Augen, welche er ſehend macht, ſeine
eigenen auskratzen wird!“

„Solche Schändlichkeit!“ rief der Alte, in Ver-
wünſchungen ausbrechend.

Der Arzt hatte ſchweigend und ſinnend der Er-
zählung ſeines Dieners zugehört. Von Zeit zu Zeit
wechſelte die Farbe ſeines Angeſichts. Als er hörte, daß
man ſeine Papiere, die Frucht vieler mühſam durch-
arbeiteter Nächte, verbrannt, mit dem Willen ſeiner
Standesgenoſſen und des Königs freventlich zerſtört habe,
ballten ſich ſeine Fäuſte und ſein Körper erbebte, als
überkomme ihn ein harter Froſt.

Dem Athener war keine Bewegung des Saïten ent-
gangen. Er kannte die menſchliche Natur und wußte,
daß häufig ein Wort des Spottes die Seele des Ehr-
geizigen tiefer verletzt, als harte Beleidigungen. Darum
wiederholte er gerade jetzt jenen leichtfertigen Scherz, den
ſich Amaſis in Wahrheit einſtmals, ſeiner ſchalkhaften
Neigung folgend, erlaubt hatte. Auch war ſeine Rech-
nung richtig geweſen, denn er bemerkte, daß Nebenchari
bei ſeinen letzten Worten eine Roſe, welche vor ihm auf
dem Tiſche lag, mit der flachen Hand zerdrückte. Ein
wohlgefälliges Lächeln unterdrückend, ſah Phanes zu
Boden und fuhr fort: „Jetzt wollen wir aber die Er-
zählung der Reiſeabenteuer des braven Hib ſchnell be-
ſchließen. Jch lud ihn ein, meinen Wagen zu theilen.
Erſt weigerte er ſich, mit einem ſo verruchten Fremden,
wie ich bin, auf einem Polſter zu ſitzen; doch gab er
endlich meinen Bitten nach, hatte auf der letzten Station
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[26/0034] Lohne für all’ die Augen, welche er ſehend macht, ſeine eigenen auskratzen wird!“ „Solche Schändlichkeit!“ rief der Alte, in Ver- wünſchungen ausbrechend. Der Arzt hatte ſchweigend und ſinnend der Er- zählung ſeines Dieners zugehört. Von Zeit zu Zeit wechſelte die Farbe ſeines Angeſichts. Als er hörte, daß man ſeine Papiere, die Frucht vieler mühſam durch- arbeiteter Nächte, verbrannt, mit dem Willen ſeiner Standesgenoſſen und des Königs freventlich zerſtört habe, ballten ſich ſeine Fäuſte und ſein Körper erbebte, als überkomme ihn ein harter Froſt. Dem Athener war keine Bewegung des Saïten ent- gangen. Er kannte die menſchliche Natur und wußte, daß häufig ein Wort des Spottes die Seele des Ehr- geizigen tiefer verletzt, als harte Beleidigungen. Darum wiederholte er gerade jetzt jenen leichtfertigen Scherz, den ſich Amaſis in Wahrheit einſtmals, ſeiner ſchalkhaften Neigung folgend, erlaubt hatte. Auch war ſeine Rech- nung richtig geweſen, denn er bemerkte, daß Nebenchari bei ſeinen letzten Worten eine Roſe, welche vor ihm auf dem Tiſche lag, mit der flachen Hand zerdrückte. Ein wohlgefälliges Lächeln unterdrückend, ſah Phanes zu Boden und fuhr fort: „Jetzt wollen wir aber die Er- zählung der Reiſeabenteuer des braven Hib ſchnell be- ſchließen. Jch lud ihn ein, meinen Wagen zu theilen. Erſt weigerte er ſich, mit einem ſo verruchten Fremden, wie ich bin, auf einem Polſter zu ſitzen; doch gab er endlich meinen Bitten nach, hatte auf der letzten Station Gelegenheit, an dem Bruder des Oberprieſters Oropaſtes die Handgriffe, welche er Dir und Deinem Vater abgeſehen,

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Zitationshilfe: Ebers, Georg: Eine Aegyptische Königstochter. Bd. 3. Stuttgart, 1864, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebers_koenigstochter03_1864/34>, abgerufen am 28.04.2024.