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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836.

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zu gebrauchen und zu behandeln, wie Sie es gethan
haben.

"Ohne eine lebenslängliche Beschäftigung mit der
bildenden Kunst, sagte Goethe, wäre es mir nicht mög¬
lich gewesen. Das Schwierige indessen war, sich bey
so großer Fülle mäßig zu halten, und alle solche Figu¬
ren abzulehnen, die nicht durchaus zu meiner Intention
paßten. So habe ich z. B. von dem Minotaurus, den
Harpyen, und einigen andern Ungeheuern, keinen Ge¬
brauch gemacht."

Aber was Sie in jener Nacht erscheinen lassen, sagte
ich, ist alles so zusammengehörig und so gruppirt, daß
man es sich in der Einbildungskraft leicht und gerne
zurückruft und alles willig ein Bild macht. Die Ma¬
ler werden sich so gute Anlässe auch gewiß nicht entge¬
hen lassen; besonders freue ich mich den Mephistopheles
bey den Phorkyaden zu sehen, wo er im Profil die fa¬
möse Maske probirt.

"Es stecken darin einige gute Späße, sagte Goethe,
welche die Welt über kurz oder lang auf manche Weise
benutzen wird. Wenn die Franzosen nur erst die Helena
gewahr werden, und sehen was daraus für ihr Theater
zu machen ist! Sie werden das Stück, wie es ist, ver¬
derben; aber sie werden es zu ihren Zwecken klug ge¬
brauchen, und das ist alles was man erwarten und
wünschen kann. Der Phorkyas werden sie sicher einen

zu gebrauchen und zu behandeln, wie Sie es gethan
haben.

„Ohne eine lebenslaͤngliche Beſchaͤftigung mit der
bildenden Kunſt, ſagte Goethe, waͤre es mir nicht moͤg¬
lich geweſen. Das Schwierige indeſſen war, ſich bey
ſo großer Fuͤlle maͤßig zu halten, und alle ſolche Figu¬
ren abzulehnen, die nicht durchaus zu meiner Intention
paßten. So habe ich z. B. von dem Minotaurus, den
Harpyen, und einigen andern Ungeheuern, keinen Ge¬
brauch gemacht.“

Aber was Sie in jener Nacht erſcheinen laſſen, ſagte
ich, iſt alles ſo zuſammengehoͤrig und ſo gruppirt, daß
man es ſich in der Einbildungskraft leicht und gerne
zuruͤckruft und alles willig ein Bild macht. Die Ma¬
ler werden ſich ſo gute Anlaͤſſe auch gewiß nicht entge¬
hen laſſen; beſonders freue ich mich den Mephiſtopheles
bey den Phorkyaden zu ſehen, wo er im Profil die fa¬
moͤſe Maske probirt.

„Es ſtecken darin einige gute Spaͤße, ſagte Goethe,
welche die Welt uͤber kurz oder lang auf manche Weiſe
benutzen wird. Wenn die Franzoſen nur erſt die Helena
gewahr werden, und ſehen was daraus fuͤr ihr Theater
zu machen iſt! Sie werden das Stuͤck, wie es iſt, ver¬
derben; aber ſie werden es zu ihren Zwecken klug ge¬
brauchen, und das iſt alles was man erwarten und
wuͤnſchen kann. Der Phorkyas werden ſie ſicher einen

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[286/0296] zu gebrauchen und zu behandeln, wie Sie es gethan haben. „Ohne eine lebenslaͤngliche Beſchaͤftigung mit der bildenden Kunſt, ſagte Goethe, waͤre es mir nicht moͤg¬ lich geweſen. Das Schwierige indeſſen war, ſich bey ſo großer Fuͤlle maͤßig zu halten, und alle ſolche Figu¬ ren abzulehnen, die nicht durchaus zu meiner Intention paßten. So habe ich z. B. von dem Minotaurus, den Harpyen, und einigen andern Ungeheuern, keinen Ge¬ brauch gemacht.“ Aber was Sie in jener Nacht erſcheinen laſſen, ſagte ich, iſt alles ſo zuſammengehoͤrig und ſo gruppirt, daß man es ſich in der Einbildungskraft leicht und gerne zuruͤckruft und alles willig ein Bild macht. Die Ma¬ ler werden ſich ſo gute Anlaͤſſe auch gewiß nicht entge¬ hen laſſen; beſonders freue ich mich den Mephiſtopheles bey den Phorkyaden zu ſehen, wo er im Profil die fa¬ moͤſe Maske probirt. „Es ſtecken darin einige gute Spaͤße, ſagte Goethe, welche die Welt uͤber kurz oder lang auf manche Weiſe benutzen wird. Wenn die Franzoſen nur erſt die Helena gewahr werden, und ſehen was daraus fuͤr ihr Theater zu machen iſt! Sie werden das Stuͤck, wie es iſt, ver¬ derben; aber ſie werden es zu ihren Zwecken klug ge¬ brauchen, und das iſt alles was man erwarten und wuͤnſchen kann. Der Phorkyas werden ſie ſicher einen

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/296>, abgerufen am 29.04.2024.