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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836.

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den er im Sommer 1828, nach dem Tode des Gro߬
herzogs, bey seinem Aufenthalte in Dornburg, an den
Obersten von Beulwitz geschrieben. Ich hatte von
diesem Brief damals viel im Publicum reden hören,
und es war mir nun sehr lieb, daß Goethe mir ihn
heute mit jener gezeichneten Thür vorlegte.

Ich las den Brief mit großem Interesse, und hatte
daran zu bewundern, wie er die Localität des Dorn¬
burger Schlosses sowohl, als das untere Terrain im
Thale benutzt um daran die größten Ansichten zu knüpfen,
und zwar Ansichten solcher Art, um den Menschen, nach
einem erlittenen großen Verlust, durchaus wieder auf¬
zurichten und auf die frischesten Füße zu stellen.

Ich war über diesen Brief sehr glücklich, indem ich
für mich bemerkte, daß man nach einem guten Stoff
nicht weit zu reisen brauche, sondern daß Alles auf einem
tüchtigen Gehalt im Innern des Dichters ankomme,
um aus den geringsten Anlässen etwas Bedeutendes zu
machen.

Goethe legte den Brief und die Zeichnung in eine
besondere Mappe zusammen, um Beydes für die Zu¬
kunft zu erhalten.


den er im Sommer 1828, nach dem Tode des Gro߬
herzogs, bey ſeinem Aufenthalte in Dornburg, an den
Oberſten von Beulwitz geſchrieben. Ich hatte von
dieſem Brief damals viel im Publicum reden hoͤren,
und es war mir nun ſehr lieb, daß Goethe mir ihn
heute mit jener gezeichneten Thuͤr vorlegte.

Ich las den Brief mit großem Intereſſe, und hatte
daran zu bewundern, wie er die Localitaͤt des Dorn¬
burger Schloſſes ſowohl, als das untere Terrain im
Thale benutzt um daran die groͤßten Anſichten zu knuͤpfen,
und zwar Anſichten ſolcher Art, um den Menſchen, nach
einem erlittenen großen Verluſt, durchaus wieder auf¬
zurichten und auf die friſcheſten Fuͤße zu ſtellen.

Ich war uͤber dieſen Brief ſehr gluͤcklich, indem ich
fuͤr mich bemerkte, daß man nach einem guten Stoff
nicht weit zu reiſen brauche, ſondern daß Alles auf einem
tuͤchtigen Gehalt im Innern des Dichters ankomme,
um aus den geringſten Anlaͤſſen etwas Bedeutendes zu
machen.

Goethe legte den Brief und die Zeichnung in eine
beſondere Mappe zuſammen, um Beydes fuͤr die Zu¬
kunft zu erhalten.


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[306/0316] den er im Sommer 1828, nach dem Tode des Gro߬ herzogs, bey ſeinem Aufenthalte in Dornburg, an den Oberſten von Beulwitz geſchrieben. Ich hatte von dieſem Brief damals viel im Publicum reden hoͤren, und es war mir nun ſehr lieb, daß Goethe mir ihn heute mit jener gezeichneten Thuͤr vorlegte. Ich las den Brief mit großem Intereſſe, und hatte daran zu bewundern, wie er die Localitaͤt des Dorn¬ burger Schloſſes ſowohl, als das untere Terrain im Thale benutzt um daran die groͤßten Anſichten zu knuͤpfen, und zwar Anſichten ſolcher Art, um den Menſchen, nach einem erlittenen großen Verluſt, durchaus wieder auf¬ zurichten und auf die friſcheſten Fuͤße zu ſtellen. Ich war uͤber dieſen Brief ſehr gluͤcklich, indem ich fuͤr mich bemerkte, daß man nach einem guten Stoff nicht weit zu reiſen brauche, ſondern daß Alles auf einem tuͤchtigen Gehalt im Innern des Dichters ankomme, um aus den geringſten Anlaͤſſen etwas Bedeutendes zu machen. Goethe legte den Brief und die Zeichnung in eine beſondere Mappe zuſammen, um Beydes fuͤr die Zu¬ kunft zu erhalten.

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 2. Leipzig, 1836, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe02_1836/316>, abgerufen am 29.04.2024.