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Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848.

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bei seiner entschiedenen Tendenz nach Westen, in dreißig
bis vierzig Jahren auch die großen Landstrecken jenseits
der Felsengebirge in Besitz genommen und bevölkert
haben wird. -- Es ist ferner vorauszusehen, daß an
dieser ganzen Küste des stillen Oceans, wo die Natur
bereits die geräumigsten und sichersten Häfen gebildet
hat, nach und nach sehr bedeutende Handelsstädte ent¬
stehen werden, zur Vermittelung eines großen Verkehrs
zwischen China nebst Ostindien und den vereinigten Staa¬
ten. In solchem Fall wäre es aber nicht bloß wünschens¬
werth, sondern fast nothwendig, daß sowohl Handels- als
Kriegsschiffe zwischen der nordamerikanischen westlichen
und östlichen Küste eine raschere Verbindung unterhielten,
als es bisher durch die langweilige, widerwärtige und
kostspielige Fahrt um das Cap Horn möglich gewesen.
Ich wiederhole also: es ist für die vereinigten Staaten
durchaus unerläßlich, daß sie sich eine Durchfahrt aus
dem Mexikanischen Meerbusen in den stillen Ocean
bewerkstelligen, und ich bin gewiß, daß sie es erreichen."

"Dieses möchte ich erleben; aber ich werde es nicht.
Zweitens möchte ich erleben; eine Verbindung der Donau
mit dem Rhein hergestellt zu sehen. Aber dieses Un¬
ternehmen ist gleichfalls so riesenhaft, daß ich an der
Ausführung zweifle, zumal in Erwägung unserer deutschen
Mittel. Und endlich drittens möchte ich die Engländer
im Besitz eines Canals von Suez sehen. Diese drei
großen Dinge möchte ich erleben, und es wäre wohl

bei ſeiner entſchiedenen Tendenz nach Weſten, in dreißig
bis vierzig Jahren auch die großen Landſtrecken jenſeits
der Felſengebirge in Beſitz genommen und bevölkert
haben wird. — Es iſt ferner vorauszuſehen, daß an
dieſer ganzen Küſte des ſtillen Oceans, wo die Natur
bereits die geräumigſten und ſicherſten Häfen gebildet
hat, nach und nach ſehr bedeutende Handelsſtädte ent¬
ſtehen werden, zur Vermittelung eines großen Verkehrs
zwiſchen China nebſt Oſtindien und den vereinigten Staa¬
ten. In ſolchem Fall wäre es aber nicht bloß wünſchens¬
werth, ſondern faſt nothwendig, daß ſowohl Handels- als
Kriegsſchiffe zwiſchen der nordamerikaniſchen weſtlichen
und öſtlichen Küſte eine raſchere Verbindung unterhielten,
als es bisher durch die langweilige, widerwärtige und
koſtſpielige Fahrt um das Cap Horn möglich geweſen.
Ich wiederhole alſo: es iſt für die vereinigten Staaten
durchaus unerläßlich, daß ſie ſich eine Durchfahrt aus
dem Mexikaniſchen Meerbuſen in den ſtillen Ocean
bewerkſtelligen, und ich bin gewiß, daß ſie es erreichen.“

„Dieſes möchte ich erleben; aber ich werde es nicht.
Zweitens möchte ich erleben; eine Verbindung der Donau
mit dem Rhein hergeſtellt zu ſehen. Aber dieſes Un¬
ternehmen iſt gleichfalls ſo rieſenhaft, daß ich an der
Ausführung zweifle, zumal in Erwägung unſerer deutſchen
Mittel. Und endlich drittens möchte ich die Engländer
im Beſitz eines Canals von Suez ſehen. Dieſe drei
großen Dinge möchte ich erleben, und es wäre wohl

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[120/0142] bei ſeiner entſchiedenen Tendenz nach Weſten, in dreißig bis vierzig Jahren auch die großen Landſtrecken jenſeits der Felſengebirge in Beſitz genommen und bevölkert haben wird. — Es iſt ferner vorauszuſehen, daß an dieſer ganzen Küſte des ſtillen Oceans, wo die Natur bereits die geräumigſten und ſicherſten Häfen gebildet hat, nach und nach ſehr bedeutende Handelsſtädte ent¬ ſtehen werden, zur Vermittelung eines großen Verkehrs zwiſchen China nebſt Oſtindien und den vereinigten Staa¬ ten. In ſolchem Fall wäre es aber nicht bloß wünſchens¬ werth, ſondern faſt nothwendig, daß ſowohl Handels- als Kriegsſchiffe zwiſchen der nordamerikaniſchen weſtlichen und öſtlichen Küſte eine raſchere Verbindung unterhielten, als es bisher durch die langweilige, widerwärtige und koſtſpielige Fahrt um das Cap Horn möglich geweſen. Ich wiederhole alſo: es iſt für die vereinigten Staaten durchaus unerläßlich, daß ſie ſich eine Durchfahrt aus dem Mexikaniſchen Meerbuſen in den ſtillen Ocean bewerkſtelligen, und ich bin gewiß, daß ſie es erreichen.“ „Dieſes möchte ich erleben; aber ich werde es nicht. Zweitens möchte ich erleben; eine Verbindung der Donau mit dem Rhein hergeſtellt zu ſehen. Aber dieſes Un¬ ternehmen iſt gleichfalls ſo rieſenhaft, daß ich an der Ausführung zweifle, zumal in Erwägung unſerer deutſchen Mittel. Und endlich drittens möchte ich die Engländer im Beſitz eines Canals von Suez ſehen. Dieſe drei großen Dinge möchte ich erleben, und es wäre wohl

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Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/142>, abgerufen am 28.04.2024.