Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848.

Bild:
<< vorherige Seite

Fleiß zusammengebracht, sodann Alles vom Hauch der
innigsten Liebe beseelt, und zugleich die Darstellung so
knapp und kurz, daß That auf That sich drängt und
bei dem Anblick einer solchen Fülle von Leben und
Thun es uns zu Muthe wird, als würden wir von
einem geistigen Schwindel ergriffen. Der Canzler hat
seine Schrift auch nach Berlin geschickt, und darauf
vor einiger Zeit einen höchst merkwürdigen Brief von
Alexander von Humboldt erhalten, den ich nicht
ohne tiefe Rührung habe lesen können. Humboldt war
dem Großherzog während eines langen Lebens auf das
Innigste befreundet, welches freilich nicht zu verwundern,
indem die reich angelegte tiefe Natur des Fürsten im¬
mer nach neuem Wissen bedürftig und gerade Humboldt
der Mann war, der bei seiner großen Universalität auf
jede Frage die beste und gründlichste Antwort immer
bereit hatte."

"Nun fügte es sich in der That wunderbar, daß
der Großherzog gerade die letzten Tage vor seinem
Tode in Berlin in fast beständiger Gesellschaft mit
Humboldt verleben und daß er über manches wichtige
Problem, was ihm am Herzen lag, noch zuletzt von
seinem Freunde Aufschluß erhalten konnte; und wiederum
war es nicht ohne höhere günstige Einwirkung, daß
einer der größten Fürsten, die Deutschland je besessen,
einen Mann wie Humboldt zum Zeugen seiner letzten
Tage und Stunden hatte. Ich habe mir von dem

Fleiß zuſammengebracht, ſodann Alles vom Hauch der
innigſten Liebe beſeelt, und zugleich die Darſtellung ſo
knapp und kurz, daß That auf That ſich drängt und
bei dem Anblick einer ſolchen Fülle von Leben und
Thun es uns zu Muthe wird, als würden wir von
einem geiſtigen Schwindel ergriffen. Der Canzler hat
ſeine Schrift auch nach Berlin geſchickt, und darauf
vor einiger Zeit einen höchſt merkwürdigen Brief von
Alexander von Humboldt erhalten, den ich nicht
ohne tiefe Rührung habe leſen können. Humboldt war
dem Großherzog während eines langen Lebens auf das
Innigſte befreundet, welches freilich nicht zu verwundern,
indem die reich angelegte tiefe Natur des Fürſten im¬
mer nach neuem Wiſſen bedürftig und gerade Humboldt
der Mann war, der bei ſeiner großen Univerſalität auf
jede Frage die beſte und gründlichſte Antwort immer
bereit hatte.“

„Nun fügte es ſich in der That wunderbar, daß
der Großherzog gerade die letzten Tage vor ſeinem
Tode in Berlin in faſt beſtändiger Geſellſchaft mit
Humboldt verleben und daß er über manches wichtige
Problem, was ihm am Herzen lag, noch zuletzt von
ſeinem Freunde Aufſchluß erhalten konnte; und wiederum
war es nicht ohne höhere günſtige Einwirkung, daß
einer der größten Fürſten, die Deutſchland je beſeſſen,
einen Mann wie Humboldt zum Zeugen ſeiner letzten
Tage und Stunden hatte. Ich habe mir von dem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="3">
        <div n="4">
          <p><pb facs="#f0280" n="258"/>
Fleiß zu&#x017F;ammengebracht, &#x017F;odann Alles vom Hauch der<lb/>
innig&#x017F;ten Liebe be&#x017F;eelt, und zugleich die Dar&#x017F;tellung &#x017F;o<lb/>
knapp und kurz, daß That auf That &#x017F;ich drängt und<lb/>
bei dem Anblick einer &#x017F;olchen Fülle von Leben und<lb/>
Thun es uns zu Muthe wird, als würden wir von<lb/>
einem gei&#x017F;tigen Schwindel ergriffen. Der Canzler hat<lb/>
&#x017F;eine Schrift auch nach Berlin ge&#x017F;chickt, und darauf<lb/>
vor einiger Zeit einen höch&#x017F;t merkwürdigen Brief von<lb/><hi rendition="#g">Alexander von Humboldt</hi> erhalten, den ich nicht<lb/>
ohne tiefe Rührung habe le&#x017F;en können. Humboldt war<lb/>
dem Großherzog während eines langen Lebens auf das<lb/>
Innig&#x017F;te befreundet, welches freilich nicht zu verwundern,<lb/>
indem die reich angelegte tiefe Natur des Für&#x017F;ten im¬<lb/>
mer nach neuem Wi&#x017F;&#x017F;en bedürftig und gerade Humboldt<lb/>
der Mann war, der bei &#x017F;einer großen Univer&#x017F;alität auf<lb/>
jede Frage die be&#x017F;te und gründlich&#x017F;te Antwort immer<lb/>
bereit hatte.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Nun fügte es &#x017F;ich in der That wunderbar, daß<lb/>
der Großherzog gerade die letzten Tage vor &#x017F;einem<lb/>
Tode in Berlin in fa&#x017F;t be&#x017F;tändiger Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft mit<lb/>
Humboldt verleben und daß er über manches wichtige<lb/>
Problem, was ihm am Herzen lag, noch zuletzt von<lb/>
&#x017F;einem Freunde Auf&#x017F;chluß erhalten konnte; und wiederum<lb/>
war es nicht ohne höhere gün&#x017F;tige Einwirkung, daß<lb/>
einer der größten Für&#x017F;ten, die Deut&#x017F;chland je be&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
einen Mann wie Humboldt zum Zeugen &#x017F;einer letzten<lb/>
Tage und Stunden hatte. Ich habe mir von dem<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[258/0280] Fleiß zuſammengebracht, ſodann Alles vom Hauch der innigſten Liebe beſeelt, und zugleich die Darſtellung ſo knapp und kurz, daß That auf That ſich drängt und bei dem Anblick einer ſolchen Fülle von Leben und Thun es uns zu Muthe wird, als würden wir von einem geiſtigen Schwindel ergriffen. Der Canzler hat ſeine Schrift auch nach Berlin geſchickt, und darauf vor einiger Zeit einen höchſt merkwürdigen Brief von Alexander von Humboldt erhalten, den ich nicht ohne tiefe Rührung habe leſen können. Humboldt war dem Großherzog während eines langen Lebens auf das Innigſte befreundet, welches freilich nicht zu verwundern, indem die reich angelegte tiefe Natur des Fürſten im¬ mer nach neuem Wiſſen bedürftig und gerade Humboldt der Mann war, der bei ſeiner großen Univerſalität auf jede Frage die beſte und gründlichſte Antwort immer bereit hatte.“ „Nun fügte es ſich in der That wunderbar, daß der Großherzog gerade die letzten Tage vor ſeinem Tode in Berlin in faſt beſtändiger Geſellſchaft mit Humboldt verleben und daß er über manches wichtige Problem, was ihm am Herzen lag, noch zuletzt von ſeinem Freunde Aufſchluß erhalten konnte; und wiederum war es nicht ohne höhere günſtige Einwirkung, daß einer der größten Fürſten, die Deutſchland je beſeſſen, einen Mann wie Humboldt zum Zeugen ſeiner letzten Tage und Stunden hatte. Ich habe mir von dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/280
Zitationshilfe: Eckermann, Johann Peter: Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens. Bd. 3. Leipzig, 1848, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eckermann_goethe03_1848/280>, abgerufen am 29.04.2024.