Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

Bild:
<< vorherige Seite

Sentiments wollen Sie sagen, fiel Er ihr in's
Wort, und rückte sich mit eitler Wichtigkeit zusam¬
men.

O Jemine! flüsterte Leontin wieder, mir juckt
der Aedelmuth schon in allen Fingern, ich dächte, wir
prügeln ihn durch.

Die beyden Sentimentalischen hatten einander
indeß mit den Armen umschlungen, und sahen lange
stumm in den Mond. Nun sizt die Unterhaltung
auf dem Sande, sagte Leontin, der Witz ist im ab¬
nehmenden Monde. Aber zu seiner Verwunderung
hub Er von neuem an: O heilige Melankolie! du
sympathetische Harmonie gleichgestimmter Seelen!
So rein, wie der Mond dort oben, ist unsere Lie¬
be! Während deß fieng er an, heftig an dem Bu¬
senbande des Mädchens zu arbeiten, die sich nur
wenig sträubte. Nun, sagte Leontin, sind sie in
ihre eigentliche Natur zurückgefallen, der Teufel hat
die Poesie geholt. Das ist ja ein verwetterter
Schuft, rief Friedrich, und fieng oben auf seinem
Baume an ganz laut zu singen. Die Sentimentali¬
schen sahen sich eine Weile erschrocken nach allen Seiten
um, dann nahmen sie in der größten Verwirrung
Reißaus. Leontin schwang sich lachend, wie ein Wet¬
terkeil, vom Baume hinter ihnen drein und verdop¬
pelte ihren Schreck und ihre Flucht.

Unsere Reisenden waren nun wahrscheinlich ver¬
rathen und mußten also auf einen klugen Rückzug

7 *

Sentiments wollen Sie ſagen, fiel Er ihr in's
Wort, und rückte ſich mit eitler Wichtigkeit zuſam¬
men.

O Jemine! flüſterte Leontin wieder, mir juckt
der Aedelmuth ſchon in allen Fingern, ich dächte, wir
prügeln ihn durch.

Die beyden Sentimentaliſchen hatten einander
indeß mit den Armen umſchlungen, und ſahen lange
ſtumm in den Mond. Nun ſizt die Unterhaltung
auf dem Sande, ſagte Leontin, der Witz iſt im ab¬
nehmenden Monde. Aber zu ſeiner Verwunderung
hub Er von neuem an: O heilige Melankolie! du
ſympathetiſche Harmonie gleichgeſtimmter Seelen!
So rein, wie der Mond dort oben, iſt unſere Lie¬
be! Während deß fieng er an, heftig an dem Bu¬
ſenbande des Mädchens zu arbeiten, die ſich nur
wenig ſträubte. Nun, ſagte Leontin, ſind ſie in
ihre eigentliche Natur zurückgefallen, der Teufel hat
die Poeſie geholt. Das iſt ja ein verwetterter
Schuft, rief Friedrich, und fieng oben auf ſeinem
Baume an ganz laut zu ſingen. Die Sentimentali¬
ſchen ſahen ſich eine Weile erſchrocken nach allen Seiten
um, dann nahmen ſie in der größten Verwirrung
Reißaus. Leontin ſchwang ſich lachend, wie ein Wet¬
terkeil, vom Baume hinter ihnen drein und verdop¬
pelte ihren Schreck und ihre Flucht.

Unſere Reiſenden waren nun wahrſcheinlich ver¬
rathen und mußten alſo auf einen klugen Rückzug

7 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0105" n="99"/>
Sentiments wollen Sie &#x017F;agen, fiel Er ihr in's<lb/>
Wort, und rückte &#x017F;ich mit eitler Wichtigkeit zu&#x017F;am¬<lb/>
men.</p><lb/>
          <p>O Jemine! flü&#x017F;terte Leontin wieder, mir juckt<lb/>
der Aedelmuth &#x017F;chon in allen Fingern, ich dächte, wir<lb/>
prügeln ihn durch.</p><lb/>
          <p>Die beyden Sentimentali&#x017F;chen hatten einander<lb/>
indeß mit den Armen um&#x017F;chlungen, und &#x017F;ahen lange<lb/>
&#x017F;tumm in den Mond. Nun &#x017F;izt die Unterhaltung<lb/>
auf dem Sande, &#x017F;agte Leontin, der Witz i&#x017F;t im ab¬<lb/>
nehmenden Monde. Aber zu &#x017F;einer Verwunderung<lb/>
hub Er von neuem an: O heilige Melankolie! du<lb/>
&#x017F;ympatheti&#x017F;che Harmonie gleichge&#x017F;timmter Seelen!<lb/>
So rein, wie der Mond dort oben, i&#x017F;t un&#x017F;ere Lie¬<lb/>
be! Während deß fieng er an, heftig an dem Bu¬<lb/>
&#x017F;enbande des Mädchens zu arbeiten, die &#x017F;ich nur<lb/>
wenig &#x017F;träubte. Nun, &#x017F;agte Leontin, &#x017F;ind &#x017F;ie in<lb/>
ihre eigentliche Natur zurückgefallen, der Teufel hat<lb/>
die Poe&#x017F;ie geholt. Das i&#x017F;t ja ein verwetterter<lb/>
Schuft, rief <hi rendition="#g">Friedrich</hi>, und fieng oben auf &#x017F;einem<lb/>
Baume an ganz laut zu &#x017F;ingen. Die Sentimentali¬<lb/>
&#x017F;chen &#x017F;ahen &#x017F;ich eine Weile er&#x017F;chrocken nach allen Seiten<lb/>
um, dann nahmen &#x017F;ie in der größten Verwirrung<lb/>
Reißaus. Leontin &#x017F;chwang &#x017F;ich lachend, wie ein Wet¬<lb/>
terkeil, vom Baume hinter ihnen drein und verdop¬<lb/>
pelte ihren Schreck und ihre Flucht.</p><lb/>
          <p>Un&#x017F;ere Rei&#x017F;enden waren nun wahr&#x017F;cheinlich ver¬<lb/>
rathen und mußten al&#x017F;o auf einen klugen Rückzug<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">7 *<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[99/0105] Sentiments wollen Sie ſagen, fiel Er ihr in's Wort, und rückte ſich mit eitler Wichtigkeit zuſam¬ men. O Jemine! flüſterte Leontin wieder, mir juckt der Aedelmuth ſchon in allen Fingern, ich dächte, wir prügeln ihn durch. Die beyden Sentimentaliſchen hatten einander indeß mit den Armen umſchlungen, und ſahen lange ſtumm in den Mond. Nun ſizt die Unterhaltung auf dem Sande, ſagte Leontin, der Witz iſt im ab¬ nehmenden Monde. Aber zu ſeiner Verwunderung hub Er von neuem an: O heilige Melankolie! du ſympathetiſche Harmonie gleichgeſtimmter Seelen! So rein, wie der Mond dort oben, iſt unſere Lie¬ be! Während deß fieng er an, heftig an dem Bu¬ ſenbande des Mädchens zu arbeiten, die ſich nur wenig ſträubte. Nun, ſagte Leontin, ſind ſie in ihre eigentliche Natur zurückgefallen, der Teufel hat die Poeſie geholt. Das iſt ja ein verwetterter Schuft, rief Friedrich, und fieng oben auf ſeinem Baume an ganz laut zu ſingen. Die Sentimentali¬ ſchen ſahen ſich eine Weile erſchrocken nach allen Seiten um, dann nahmen ſie in der größten Verwirrung Reißaus. Leontin ſchwang ſich lachend, wie ein Wet¬ terkeil, vom Baume hinter ihnen drein und verdop¬ pelte ihren Schreck und ihre Flucht. Unſere Reiſenden waren nun wahrſcheinlich ver¬ rathen und mußten alſo auf einen klugen Rückzug 7 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/105
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/105>, abgerufen am 03.05.2024.