Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Städtchen schlugen um die Wette. Mehrere alte
Brunnen mit zierlichem Gitterwerk rauschten einför¬
mig auf den Gassen. In dem Wirthshause, wo sie
abstiegen, war auch noch niemand auf. Der Postil¬
lon blies daher, um sie zu wecken, mehrere Stücke,
daß es über die stillen Strassen weg in die Berge
hineinschallte. Erwin saß indeß auf einem Spring¬
brunnen auf dem Platze und wusch sich die Augen
klar.

Friedrich und Leontin ließen Erwin bey dem
Wagen zurück und giengen von der anderen Seite
ins Gebirge. Als sie aus dem Walde auf einen
hervorragenden Felsen heraustraten, sahen sie auf
einmal aus wunderreicher Ferne von alten Burgen
und ewigen Wäldern kommend den Strom vergan¬
gener Zeiten und unvergänglicher Begeisterung, den
königlichen Rhein. Leontin sah lange still in Ge¬
danken in die grüne Kühle hinunter, dann fieng er
sich schnell an auszukleiden. Einige Fischer fuhren
auf dem Rheine vorüber und sangen ihr Morgen¬
lied, die Sonne gieng eben prächtig auf, da sprang
er mit ausgebreiteten Armen in die kühlen Flam¬
men hinab. Friedrich folgte seinem Beispiel und,
beyde rüstige Schwimmer, rangen sich lange jubelnd
mit den vom Morgenglanze trunkenen, eisigen Wo¬
gen. Unbeschreiblich leicht und heiter kehrten sie nach
dem Morgenbade wieder in das Städtchen zurück,
wo unterdeß alles schon munter geworden. Es war
die Weihe der Kraft für lange Kämpfe, die ihrer
harrten.

Städtchen ſchlugen um die Wette. Mehrere alte
Brunnen mit zierlichem Gitterwerk rauſchten einför¬
mig auf den Gaſſen. In dem Wirthshauſe, wo ſie
abſtiegen, war auch noch niemand auf. Der Poſtil¬
lon blies daher, um ſie zu wecken, mehrere Stücke,
daß es über die ſtillen Straſſen weg in die Berge
hineinſchallte. Erwin ſaß indeß auf einem Spring¬
brunnen auf dem Platze und wuſch ſich die Augen
klar.

Friedrich und Leontin ließen Erwin bey dem
Wagen zurück und giengen von der anderen Seite
ins Gebirge. Als ſie aus dem Walde auf einen
hervorragenden Felſen heraustraten, ſahen ſie auf
einmal aus wunderreicher Ferne von alten Burgen
und ewigen Wäldern kommend den Strom vergan¬
gener Zeiten und unvergänglicher Begeiſterung, den
königlichen Rhein. Leontin ſah lange ſtill in Ge¬
danken in die grüne Kühle hinunter, dann fieng er
ſich ſchnell an auszukleiden. Einige Fiſcher fuhren
auf dem Rheine vorüber und ſangen ihr Morgen¬
lied, die Sonne gieng eben prächtig auf, da ſprang
er mit ausgebreiteten Armen in die kühlen Flam¬
men hinab. Friedrich folgte ſeinem Beiſpiel und,
beyde rüſtige Schwimmer, rangen ſich lange jubelnd
mit den vom Morgenglanze trunkenen, eiſigen Wo¬
gen. Unbeſchreiblich leicht und heiter kehrten ſie nach
dem Morgenbade wieder in das Städtchen zurück,
wo unterdeß alles ſchon munter geworden. Es war
die Weihe der Kraft für lange Kämpfe, die ihrer
harrten.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0284" n="278"/>
Städtchen &#x017F;chlugen um die Wette. Mehrere alte<lb/>
Brunnen mit zierlichem Gitterwerk rau&#x017F;chten einför¬<lb/>
mig auf den Ga&#x017F;&#x017F;en. In dem Wirthshau&#x017F;e, wo &#x017F;ie<lb/>
ab&#x017F;tiegen, war auch noch niemand auf. Der Po&#x017F;til¬<lb/>
lon blies daher, um &#x017F;ie zu wecken, mehrere Stücke,<lb/>
daß es über die &#x017F;tillen Stra&#x017F;&#x017F;en weg in die Berge<lb/>
hinein&#x017F;challte. Erwin &#x017F;aß indeß auf einem Spring¬<lb/>
brunnen auf dem Platze und wu&#x017F;ch &#x017F;ich die Augen<lb/>
klar.</p><lb/>
          <p>Friedrich und Leontin ließen Erwin bey dem<lb/>
Wagen zurück und giengen von der anderen Seite<lb/>
ins Gebirge. Als &#x017F;ie aus dem Walde auf einen<lb/>
hervorragenden Fel&#x017F;en heraustraten, &#x017F;ahen &#x017F;ie auf<lb/>
einmal aus wunderreicher Ferne von alten Burgen<lb/>
und ewigen Wäldern kommend den Strom vergan¬<lb/>
gener Zeiten und unvergänglicher Begei&#x017F;terung, den<lb/>
königlichen Rhein. Leontin &#x017F;ah lange &#x017F;till in Ge¬<lb/>
danken in die grüne Kühle hinunter, dann fieng er<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;chnell an auszukleiden. Einige Fi&#x017F;cher fuhren<lb/>
auf dem Rheine vorüber und &#x017F;angen ihr Morgen¬<lb/>
lied, die Sonne gieng eben prächtig auf, da &#x017F;prang<lb/>
er mit ausgebreiteten Armen in die kühlen Flam¬<lb/>
men hinab. Friedrich folgte &#x017F;einem <choice><sic>Be&#x017F;piel</sic><corr>Bei&#x017F;piel</corr></choice> und,<lb/>
beyde rü&#x017F;tige Schwimmer, rangen &#x017F;ich lange jubelnd<lb/>
mit den vom Morgenglanze trunkenen, ei&#x017F;igen Wo¬<lb/>
gen. Unbe&#x017F;chreiblich leicht und heiter kehrten &#x017F;ie nach<lb/>
dem Morgenbade wieder in das Städtchen zurück,<lb/>
wo unterdeß alles &#x017F;chon munter geworden. Es war<lb/>
die Weihe der Kraft für lange Kämpfe, die ihrer<lb/>
harrten.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[278/0284] Städtchen ſchlugen um die Wette. Mehrere alte Brunnen mit zierlichem Gitterwerk rauſchten einför¬ mig auf den Gaſſen. In dem Wirthshauſe, wo ſie abſtiegen, war auch noch niemand auf. Der Poſtil¬ lon blies daher, um ſie zu wecken, mehrere Stücke, daß es über die ſtillen Straſſen weg in die Berge hineinſchallte. Erwin ſaß indeß auf einem Spring¬ brunnen auf dem Platze und wuſch ſich die Augen klar. Friedrich und Leontin ließen Erwin bey dem Wagen zurück und giengen von der anderen Seite ins Gebirge. Als ſie aus dem Walde auf einen hervorragenden Felſen heraustraten, ſahen ſie auf einmal aus wunderreicher Ferne von alten Burgen und ewigen Wäldern kommend den Strom vergan¬ gener Zeiten und unvergänglicher Begeiſterung, den königlichen Rhein. Leontin ſah lange ſtill in Ge¬ danken in die grüne Kühle hinunter, dann fieng er ſich ſchnell an auszukleiden. Einige Fiſcher fuhren auf dem Rheine vorüber und ſangen ihr Morgen¬ lied, die Sonne gieng eben prächtig auf, da ſprang er mit ausgebreiteten Armen in die kühlen Flam¬ men hinab. Friedrich folgte ſeinem Beiſpiel und, beyde rüſtige Schwimmer, rangen ſich lange jubelnd mit den vom Morgenglanze trunkenen, eiſigen Wo¬ gen. Unbeſchreiblich leicht und heiter kehrten ſie nach dem Morgenbade wieder in das Städtchen zurück, wo unterdeß alles ſchon munter geworden. Es war die Weihe der Kraft für lange Kämpfe, die ihrer harrten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/284
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/284>, abgerufen am 05.05.2024.