Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

schlechter Soldat ist, der ist auch kein rechter
Mann.

Sie wurden hier unterbrochen, denn so eben
fielen von mehreren Seiten Schüsse tiefer unten im
Walde. Es war das verabredete Zeichen zum Auf¬
bruch. Sie wollten den Feind nicht erwarten, son¬
dern ihn von dieser Seite, wo er es nicht vermu¬
thete, selber angreifen. Alles sprang fröhlich auf
und griff nach den herumliegenden Waffen. In
kurzer Zeit hatten sie den Feind im Angesicht. Wie
ein heller Strom brachen sie aus ihren Schlüften
gegen den blinkenden Damm der feindlichen Glieder,
die auf der halben Höhe des Berges steif gespreitzt
standen. Die ersten Reihen waren bald gebrochen,
und das Gefecht zerschlug sich in so viele einzelne
Zweykämpfe, als es Ehrenfeste Herzen gab, die es
auf Tod und Leben meynten. Es kommandirte, wem
Besonnenheit oder Begeisterung die Uebermacht gab.
Friedrich war überall zu sehen, wo es am gefähr¬
lichsten hergieng, selber mit Blut überdeckt. Ein¬
zelne rangen da auf schwindlichten Klippen, bis
beyde einander umklammernd in den Abgrund stürz¬
ten. Blutroth stieg die Sonne auf die Höhen, ein
wilder Sturm wüthete durch die alten Wälder,
Felsenstücke stürzten zermalmend auf den Feind.
Es schien das ganze Gebirge selbst wie ein Riese
die steinernen Glieder zu bewegen, um die fremden
Menschlein abzuschütteln, die ihn dreist geweckt
hatten und an ihm heraufklettern wollten. Mit

22

ſchlechter Soldat iſt, der iſt auch kein rechter
Mann.

Sie wurden hier unterbrochen, denn ſo eben
fielen von mehreren Seiten Schüſſe tiefer unten im
Walde. Es war das verabredete Zeichen zum Auf¬
bruch. Sie wollten den Feind nicht erwarten, ſon¬
dern ihn von dieſer Seite, wo er es nicht vermu¬
thete, ſelber angreifen. Alles ſprang fröhlich auf
und griff nach den herumliegenden Waffen. In
kurzer Zeit hatten ſie den Feind im Angeſicht. Wie
ein heller Strom brachen ſie aus ihren Schlüften
gegen den blinkenden Damm der feindlichen Glieder,
die auf der halben Höhe des Berges ſteif geſpreitzt
ſtanden. Die erſten Reihen waren bald gebrochen,
und das Gefecht zerſchlug ſich in ſo viele einzelne
Zweykämpfe, als es Ehrenfeſte Herzen gab, die es
auf Tod und Leben meynten. Es kommandirte, wem
Beſonnenheit oder Begeiſterung die Uebermacht gab.
Friedrich war überall zu ſehen, wo es am gefähr¬
lichſten hergieng, ſelber mit Blut überdeckt. Ein¬
zelne rangen da auf ſchwindlichten Klippen, bis
beyde einander umklammernd in den Abgrund ſtürz¬
ten. Blutroth ſtieg die Sonne auf die Höhen, ein
wilder Sturm wüthete durch die alten Wälder,
Felſenſtücke ſtürzten zermalmend auf den Feind.
Es ſchien das ganze Gebirge ſelbſt wie ein Rieſe
die ſteinernen Glieder zu bewegen, um die fremden
Menſchlein abzuſchütteln, die ihn dreiſt geweckt
hatten und an ihm heraufklettern wollten. Mit

22
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0343" n="337"/>
&#x017F;chlechter Soldat i&#x017F;t, der i&#x017F;t auch kein rechter<lb/>
Mann.</p><lb/>
          <p>Sie wurden hier unterbrochen, denn &#x017F;o eben<lb/>
fielen von mehreren Seiten Schü&#x017F;&#x017F;e tiefer unten im<lb/>
Walde. Es war das verabredete Zeichen zum Auf¬<lb/>
bruch. Sie wollten den Feind nicht erwarten, &#x017F;on¬<lb/>
dern ihn von die&#x017F;er Seite, wo er es nicht vermu¬<lb/>
thete, &#x017F;elber angreifen. Alles &#x017F;prang fröhlich auf<lb/>
und griff nach den herumliegenden Waffen. In<lb/>
kurzer Zeit hatten &#x017F;ie den Feind im Ange&#x017F;icht. Wie<lb/>
ein heller Strom brachen &#x017F;ie aus ihren Schlüften<lb/>
gegen den blinkenden Damm der feindlichen Glieder,<lb/>
die auf der halben Höhe des Berges &#x017F;teif ge&#x017F;preitzt<lb/>
&#x017F;tanden. Die er&#x017F;ten Reihen waren bald gebrochen,<lb/>
und das Gefecht zer&#x017F;chlug &#x017F;ich in &#x017F;o viele einzelne<lb/>
Zweykämpfe, als es Ehrenfe&#x017F;te Herzen gab, die es<lb/>
auf Tod und Leben meynten. Es kommandirte, wem<lb/>
Be&#x017F;onnenheit oder Begei&#x017F;terung die Uebermacht gab.<lb/>
Friedrich war überall zu &#x017F;ehen, wo es am gefähr¬<lb/>
lich&#x017F;ten hergieng, &#x017F;elber mit Blut überdeckt. Ein¬<lb/>
zelne rangen da auf &#x017F;chwindlichten Klippen, bis<lb/>
beyde einander umklammernd in den Abgrund &#x017F;türz¬<lb/>
ten. Blutroth &#x017F;tieg die Sonne auf die Höhen, ein<lb/>
wilder Sturm wüthete durch die alten Wälder,<lb/>
Fel&#x017F;en&#x017F;tücke &#x017F;türzten zermalmend auf den Feind.<lb/>
Es &#x017F;chien das ganze Gebirge &#x017F;elb&#x017F;t wie ein Rie&#x017F;e<lb/>
die &#x017F;teinernen Glieder zu bewegen, um die fremden<lb/>
Men&#x017F;chlein abzu&#x017F;chütteln, die ihn drei&#x017F;t geweckt<lb/>
hatten und an ihm heraufklettern wollten. Mit<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">22<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[337/0343] ſchlechter Soldat iſt, der iſt auch kein rechter Mann. Sie wurden hier unterbrochen, denn ſo eben fielen von mehreren Seiten Schüſſe tiefer unten im Walde. Es war das verabredete Zeichen zum Auf¬ bruch. Sie wollten den Feind nicht erwarten, ſon¬ dern ihn von dieſer Seite, wo er es nicht vermu¬ thete, ſelber angreifen. Alles ſprang fröhlich auf und griff nach den herumliegenden Waffen. In kurzer Zeit hatten ſie den Feind im Angeſicht. Wie ein heller Strom brachen ſie aus ihren Schlüften gegen den blinkenden Damm der feindlichen Glieder, die auf der halben Höhe des Berges ſteif geſpreitzt ſtanden. Die erſten Reihen waren bald gebrochen, und das Gefecht zerſchlug ſich in ſo viele einzelne Zweykämpfe, als es Ehrenfeſte Herzen gab, die es auf Tod und Leben meynten. Es kommandirte, wem Beſonnenheit oder Begeiſterung die Uebermacht gab. Friedrich war überall zu ſehen, wo es am gefähr¬ lichſten hergieng, ſelber mit Blut überdeckt. Ein¬ zelne rangen da auf ſchwindlichten Klippen, bis beyde einander umklammernd in den Abgrund ſtürz¬ ten. Blutroth ſtieg die Sonne auf die Höhen, ein wilder Sturm wüthete durch die alten Wälder, Felſenſtücke ſtürzten zermalmend auf den Feind. Es ſchien das ganze Gebirge ſelbſt wie ein Rieſe die ſteinernen Glieder zu bewegen, um die fremden Menſchlein abzuſchütteln, die ihn dreiſt geweckt hatten und an ihm heraufklettern wollten. Mit 22

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/343
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/343>, abgerufen am 13.05.2024.