Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

Bild:
<< vorherige Seite

Sie hatten indeß über diesen Unterhaltungen
alle nicht bemerkt, daß es bereits anfieng dunkel zu
werden. Julie wurde es zuerst gewahr, und zwar
nicht ohne sichtbare Verlegenheit, denn jetzt in der
Nacht nach Hause zu reiten, war, wegen den noch
immer herumstreifenden Soldaten, für ihr Geheim¬
niß höchstbedenklich, andrerseits überfiel sie ein mäd¬
chenhafter Schauer bey dem Gedanken, so alleine
mit zwey Männern im Walde über Nacht zu blei¬
ben. Am Ende mußte sie sich doch zu dem letzteren
bequemen, und so lagerten sie sich dann, so gut sie
konnten, vergnüglich in das hohe Gras auf der An¬
höhe.

Die Nacht dehnte langsam die ungeheueren
Drachenflügel über den Kreis der Wildniß unter
ihnen, die Wälder rauschten dunkel aus der grän¬
zenlosen Stille herauf. Julie war ohne alle Furcht.
Leontin aber, der noch matt war, fieng endlich an,
sich nach kräftigerer Ruhe zu sehnen, und auch
Julien wurde die zunehmende Frische der Nacht nach
und nach empfindlich. Sie brachen daher auf und
begaben sich zu der nahen, alten, verlassenen Müh¬
le, wo Leontin, wie gesagt, schon seit einigen Ta¬
gen heimlich sein Quartier hatte. Friedrich wollte
draussen auf der Schwelle bleiben und als ein wa¬
ckerer Ritter die Jungfrau im Kastell bewachen,
Julie bat ihn aber erröthend mit hineinzugehen,
und er willigte lächelnd ein, während einem Be¬
dienten, den Julie mitgebracht, aufgetragen wurde,
vor der Thür Haus und Pferde zu bewachen.

Sie hatten indeß über dieſen Unterhaltungen
alle nicht bemerkt, daß es bereits anfieng dunkel zu
werden. Julie wurde es zuerſt gewahr, und zwar
nicht ohne ſichtbare Verlegenheit, denn jetzt in der
Nacht nach Hauſe zu reiten, war, wegen den noch
immer herumſtreifenden Soldaten, für ihr Geheim¬
niß höchſtbedenklich, andrerſeits überfiel ſie ein mäd¬
chenhafter Schauer bey dem Gedanken, ſo alleine
mit zwey Männern im Walde über Nacht zu blei¬
ben. Am Ende mußte ſie ſich doch zu dem letzteren
bequemen, und ſo lagerten ſie ſich dann, ſo gut ſie
konnten, vergnüglich in das hohe Gras auf der An¬
höhe.

Die Nacht dehnte langſam die ungeheueren
Drachenflügel über den Kreis der Wildniß unter
ihnen, die Wälder rauſchten dunkel aus der grän¬
zenloſen Stille herauf. Julie war ohne alle Furcht.
Leontin aber, der noch matt war, fieng endlich an,
ſich nach kräftigerer Ruhe zu ſehnen, und auch
Julien wurde die zunehmende Friſche der Nacht nach
und nach empfindlich. Sie brachen daher auf und
begaben ſich zu der nahen, alten, verlaſſenen Müh¬
le, wo Leontin, wie geſagt, ſchon ſeit einigen Ta¬
gen heimlich ſein Quartier hatte. Friedrich wollte
drauſſen auf der Schwelle bleiben und als ein wa¬
ckerer Ritter die Jungfrau im Kaſtell bewachen,
Julie bat ihn aber erröthend mit hineinzugehen,
und er willigte lächelnd ein, während einem Be¬
dienten, den Julie mitgebracht, aufgetragen wurde,
vor der Thür Haus und Pferde zu bewachen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0381" n="375"/>
          <p>Sie hatten indeß über die&#x017F;en Unterhaltungen<lb/>
alle nicht bemerkt, daß es bereits anfieng dunkel zu<lb/>
werden. Julie wurde es zuer&#x017F;t gewahr, und zwar<lb/>
nicht ohne &#x017F;ichtbare Verlegenheit, denn jetzt in der<lb/>
Nacht nach Hau&#x017F;e zu reiten, war, wegen den noch<lb/>
immer herum&#x017F;treifenden Soldaten, für ihr Geheim¬<lb/>
niß höch&#x017F;tbedenklich, andrer&#x017F;eits überfiel &#x017F;ie ein mäd¬<lb/>
chenhafter Schauer bey dem Gedanken, &#x017F;o alleine<lb/>
mit zwey Männern im Walde über Nacht zu blei¬<lb/>
ben. Am Ende mußte &#x017F;ie &#x017F;ich doch zu dem letzteren<lb/>
bequemen, und &#x017F;o lagerten &#x017F;ie &#x017F;ich dann, &#x017F;o gut &#x017F;ie<lb/>
konnten, vergnüglich in das hohe Gras auf der An¬<lb/>
höhe.</p><lb/>
          <p>Die Nacht dehnte lang&#x017F;am die ungeheueren<lb/>
Drachenflügel über den Kreis der Wildniß unter<lb/>
ihnen, die Wälder rau&#x017F;chten dunkel aus der grän¬<lb/>
zenlo&#x017F;en Stille herauf. Julie war ohne alle Furcht.<lb/>
Leontin aber, der noch matt war, fieng endlich an,<lb/>
&#x017F;ich nach kräftigerer Ruhe zu &#x017F;ehnen, und auch<lb/>
Julien wurde die zunehmende Fri&#x017F;che der Nacht nach<lb/>
und nach empfindlich. Sie brachen daher auf und<lb/>
begaben &#x017F;ich zu der nahen, alten, verla&#x017F;&#x017F;enen Müh¬<lb/>
le, wo Leontin, wie ge&#x017F;agt, &#x017F;chon &#x017F;eit einigen Ta¬<lb/>
gen heimlich &#x017F;ein Quartier hatte. Friedrich wollte<lb/>
drau&#x017F;&#x017F;en auf der Schwelle bleiben und als ein wa¬<lb/>
ckerer Ritter die Jungfrau im Ka&#x017F;tell bewachen,<lb/>
Julie bat ihn aber erröthend mit hineinzugehen,<lb/>
und er willigte lächelnd ein, während einem Be¬<lb/>
dienten, den Julie mitgebracht, aufgetragen wurde,<lb/>
vor der Thür Haus und Pferde zu bewachen.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[375/0381] Sie hatten indeß über dieſen Unterhaltungen alle nicht bemerkt, daß es bereits anfieng dunkel zu werden. Julie wurde es zuerſt gewahr, und zwar nicht ohne ſichtbare Verlegenheit, denn jetzt in der Nacht nach Hauſe zu reiten, war, wegen den noch immer herumſtreifenden Soldaten, für ihr Geheim¬ niß höchſtbedenklich, andrerſeits überfiel ſie ein mäd¬ chenhafter Schauer bey dem Gedanken, ſo alleine mit zwey Männern im Walde über Nacht zu blei¬ ben. Am Ende mußte ſie ſich doch zu dem letzteren bequemen, und ſo lagerten ſie ſich dann, ſo gut ſie konnten, vergnüglich in das hohe Gras auf der An¬ höhe. Die Nacht dehnte langſam die ungeheueren Drachenflügel über den Kreis der Wildniß unter ihnen, die Wälder rauſchten dunkel aus der grän¬ zenloſen Stille herauf. Julie war ohne alle Furcht. Leontin aber, der noch matt war, fieng endlich an, ſich nach kräftigerer Ruhe zu ſehnen, und auch Julien wurde die zunehmende Friſche der Nacht nach und nach empfindlich. Sie brachen daher auf und begaben ſich zu der nahen, alten, verlaſſenen Müh¬ le, wo Leontin, wie geſagt, ſchon ſeit einigen Ta¬ gen heimlich ſein Quartier hatte. Friedrich wollte drauſſen auf der Schwelle bleiben und als ein wa¬ ckerer Ritter die Jungfrau im Kaſtell bewachen, Julie bat ihn aber erröthend mit hineinzugehen, und er willigte lächelnd ein, während einem Be¬ dienten, den Julie mitgebracht, aufgetragen wurde, vor der Thür Haus und Pferde zu bewachen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/381
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/381>, abgerufen am 15.05.2024.