Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

Bild:
<< vorherige Seite

me und Reue und Besserung verspüren lassen woll¬
te. --

Leontin lachte bey diesen Worten laut auf und
gab seinem Pferde die Sporen. Frischauf! sagte
er zu Friedrich, ich ziehe mit den Todten, da die
Lebendigen so abgestanden sind! Ich mag keinen
von ihnen mehr wiedersehen, kommen wir wieder
zurück auf unsere grünen Freiheitsburgen!

Sie waren indeß an das fürstliche Schloß ge¬
kommen. Tanzmusik schallte aus den hellen Fen¬
stern. Eine Menge Volks war unten versammelt
und gebährdete sich wie unsinnig vor Entzücken.
Denn Rosa zeigte sich eben an der Seite ihres
Bräutigams am Fenster. Man konnte sie deutlich
sehen. Ihre blendende Schönheit, mit einem reichen
Diadem von Edelsteinen geschmückt, funkelte und
blitzte bey den vielen Lichtern manches Herz unten
zu Asche. -- So hatte sie ihr höchstes Ziel, die
weltliche Pracht und Herrlichkeit erreicht. -- Sie
taugte niemals viel, Weltfutter, nichts als Welt¬
futter! schimpfte Leontin ärgerlich immerfort. Frie¬
drich drückte den Hut tief in die Augen und so zo¬
gen die beyden dunklen Gestalten einsam durch den
Jubel hindurch, zum Thore hinaus und wieder in
die Berge zurück.

Nach mehreren einsamen Tagereisen, wobey
auch die schönen Nächte zu Hülfe genommen wur¬
den, kamen sie endlich immer höher auf das Ge¬
birge. Die Gegend wurde immer größer und ern¬

25 *

me und Reue und Beſſerung verſpüren laſſen woll¬
te. —

Leontin lachte bey dieſen Worten laut auf und
gab ſeinem Pferde die Sporen. Friſchauf! ſagte
er zu Friedrich, ich ziehe mit den Todten, da die
Lebendigen ſo abgeſtanden ſind! Ich mag keinen
von ihnen mehr wiederſehen, kommen wir wieder
zurück auf unſere grünen Freiheitsburgen!

Sie waren indeß an das fürſtliche Schloß ge¬
kommen. Tanzmuſik ſchallte aus den hellen Fen¬
ſtern. Eine Menge Volks war unten verſammelt
und gebährdete ſich wie unſinnig vor Entzücken.
Denn Roſa zeigte ſich eben an der Seite ihres
Bräutigams am Fenſter. Man konnte ſie deutlich
ſehen. Ihre blendende Schönheit, mit einem reichen
Diadem von Edelſteinen geſchmückt, funkelte und
blitzte bey den vielen Lichtern manches Herz unten
zu Aſche. — So hatte ſie ihr höchſtes Ziel, die
weltliche Pracht und Herrlichkeit erreicht. — Sie
taugte niemals viel, Weltfutter, nichts als Welt¬
futter! ſchimpfte Leontin ärgerlich immerfort. Frie¬
drich drückte den Hut tief in die Augen und ſo zo¬
gen die beyden dunklen Geſtalten einſam durch den
Jubel hindurch, zum Thore hinaus und wieder in
die Berge zurück.

Nach mehreren einſamen Tagereiſen, wobey
auch die ſchönen Nächte zu Hülfe genommen wur¬
den, kamen ſie endlich immer höher auf das Ge¬
birge. Die Gegend wurde immer größer und ern¬

25 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0393" n="387"/>
me und Reue und Be&#x017F;&#x017F;erung ver&#x017F;püren la&#x017F;&#x017F;en woll¬<lb/>
te. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Leontin lachte bey die&#x017F;en Worten laut auf und<lb/>
gab &#x017F;einem Pferde die Sporen. Fri&#x017F;chauf! &#x017F;agte<lb/>
er zu Friedrich, ich ziehe mit den Todten, da die<lb/>
Lebendigen &#x017F;o abge&#x017F;tanden &#x017F;ind! Ich mag keinen<lb/>
von ihnen mehr wieder&#x017F;ehen, kommen wir wieder<lb/>
zurück auf un&#x017F;ere grünen Freiheitsburgen!</p><lb/>
          <p>Sie waren indeß an das für&#x017F;tliche Schloß ge¬<lb/>
kommen. Tanzmu&#x017F;ik &#x017F;challte aus den hellen Fen¬<lb/>
&#x017F;tern. Eine Menge Volks war unten ver&#x017F;ammelt<lb/>
und gebährdete &#x017F;ich wie un&#x017F;innig vor Entzücken.<lb/>
Denn Ro&#x017F;a zeigte &#x017F;ich eben an der Seite ihres<lb/>
Bräutigams am Fen&#x017F;ter. Man konnte &#x017F;ie deutlich<lb/>
&#x017F;ehen. Ihre blendende Schönheit, mit einem reichen<lb/>
Diadem von Edel&#x017F;teinen ge&#x017F;chmückt, funkelte und<lb/>
blitzte bey den vielen Lichtern manches Herz unten<lb/>
zu A&#x017F;che. &#x2014; So hatte &#x017F;ie ihr höch&#x017F;tes Ziel, die<lb/>
weltliche Pracht und Herrlichkeit erreicht. &#x2014; Sie<lb/>
taugte niemals viel, Weltfutter, nichts als Welt¬<lb/>
futter! &#x017F;chimpfte Leontin ärgerlich immerfort. Frie¬<lb/>
drich drückte den Hut tief in die Augen und &#x017F;o zo¬<lb/>
gen die beyden dunklen Ge&#x017F;talten ein&#x017F;am durch den<lb/>
Jubel hindurch, zum Thore hinaus und wieder in<lb/>
die Berge zurück.</p><lb/>
          <p>Nach mehreren ein&#x017F;amen Tagerei&#x017F;en, wobey<lb/>
auch die &#x017F;chönen Nächte zu Hülfe genommen wur¬<lb/>
den, kamen &#x017F;ie endlich immer höher auf das Ge¬<lb/>
birge. Die Gegend wurde immer größer und ern¬<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">25 *<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[387/0393] me und Reue und Beſſerung verſpüren laſſen woll¬ te. — Leontin lachte bey dieſen Worten laut auf und gab ſeinem Pferde die Sporen. Friſchauf! ſagte er zu Friedrich, ich ziehe mit den Todten, da die Lebendigen ſo abgeſtanden ſind! Ich mag keinen von ihnen mehr wiederſehen, kommen wir wieder zurück auf unſere grünen Freiheitsburgen! Sie waren indeß an das fürſtliche Schloß ge¬ kommen. Tanzmuſik ſchallte aus den hellen Fen¬ ſtern. Eine Menge Volks war unten verſammelt und gebährdete ſich wie unſinnig vor Entzücken. Denn Roſa zeigte ſich eben an der Seite ihres Bräutigams am Fenſter. Man konnte ſie deutlich ſehen. Ihre blendende Schönheit, mit einem reichen Diadem von Edelſteinen geſchmückt, funkelte und blitzte bey den vielen Lichtern manches Herz unten zu Aſche. — So hatte ſie ihr höchſtes Ziel, die weltliche Pracht und Herrlichkeit erreicht. — Sie taugte niemals viel, Weltfutter, nichts als Welt¬ futter! ſchimpfte Leontin ärgerlich immerfort. Frie¬ drich drückte den Hut tief in die Augen und ſo zo¬ gen die beyden dunklen Geſtalten einſam durch den Jubel hindurch, zum Thore hinaus und wieder in die Berge zurück. Nach mehreren einſamen Tagereiſen, wobey auch die ſchönen Nächte zu Hülfe genommen wur¬ den, kamen ſie endlich immer höher auf das Ge¬ birge. Die Gegend wurde immer größer und ern¬ 25 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/393
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/393>, abgerufen am 15.05.2024.