Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

Bild:
<< vorherige Seite

Als er einmal von so einem Zuge zurückkam,
erzählte er Friedrich'n, er habe unten weit von hier
einen großen Leichenzug gesehen, der sich bey Fa¬
ckelschein und mit schwarzbehängten Pferden lang¬
sam über die beschneyten Felder hinbewegte. Er
habe weder die Gegend, noch die Personen ge¬
kannt, die der Leiche im Wagen folgten. Aber
Leontin sey bey dem Zuge, ohne ihn zu bemer¬
ken, an ihm vorübergesprengt. -- Friedrich erschrack
über diese düstere Bothschaft. Aber er konnte nicht
errathen, welchem alten Bekannten der Zug gegol¬
ten, da sich Rudolph weiter um nichts bekümmert
hatte.

Friedrich setzte indeß noch immer seine geistli¬
chen Betrachtungen fort. Er besuchte, so oft es
nur das Wetter erlaubte, das nahgelegene Kloster,
das er an Leontins Abschiedstage zum erstenmal
gesehen, und blieb oft Wochenlang dort. Rudol¬
phen konnte er niemals bewegen, ihn zu begleiten,
oder auch nur ein einzigesmal die Kirche zu besu¬
chen. Er fand in dem Prior des Klosters einen
frommen, erleuchteten Mann, der besonders auf
der Kanzel in seiner Begeisterung, gleich einem
Apostel, wunderbar und alterthümlich erschien. Frie¬
drich schied nie ohne Belehrung und himmlische Be¬
ruhigung von ihm und mochte sich bald gar nicht
mehr von ihm trennen. Und so bildete sich denn
sein Entschluß, selber ins Kloster zu gehen, im¬
mer mehr zur Reife.

Als er einmal von ſo einem Zuge zurückkam,
erzählte er Friedrich'n, er habe unten weit von hier
einen großen Leichenzug geſehen, der ſich bey Fa¬
ckelſchein und mit ſchwarzbehängten Pferden lang¬
ſam über die beſchneyten Felder hinbewegte. Er
habe weder die Gegend, noch die Perſonen ge¬
kannt, die der Leiche im Wagen folgten. Aber
Leontin ſey bey dem Zuge, ohne ihn zu bemer¬
ken, an ihm vorübergeſprengt. — Friedrich erſchrack
über dieſe düſtere Bothſchaft. Aber er konnte nicht
errathen, welchem alten Bekannten der Zug gegol¬
ten, da ſich Rudolph weiter um nichts bekümmert
hatte.

Friedrich ſetzte indeß noch immer ſeine geiſtli¬
chen Betrachtungen fort. Er beſuchte, ſo oft es
nur das Wetter erlaubte, das nahgelegene Kloſter,
das er an Leontins Abſchiedstage zum erſtenmal
geſehen, und blieb oft Wochenlang dort. Rudol¬
phen konnte er niemals bewegen, ihn zu begleiten,
oder auch nur ein einzigesmal die Kirche zu beſu¬
chen. Er fand in dem Prior des Kloſters einen
frommen, erleuchteten Mann, der beſonders auf
der Kanzel in ſeiner Begeiſterung, gleich einem
Apoſtel, wunderbar und alterthümlich erſchien. Frie¬
drich ſchied nie ohne Belehrung und himmliſche Be¬
ruhigung von ihm und mochte ſich bald gar nicht
mehr von ihm trennen. Und ſo bildete ſich denn
ſein Entſchluß, ſelber ins Kloſter zu gehen, im¬
mer mehr zur Reife.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0458" n="452"/>
          <p>Als er einmal von &#x017F;o einem Zuge zurückkam,<lb/>
erzählte er Friedrich'n, er habe unten weit von hier<lb/>
einen großen Leichenzug ge&#x017F;ehen, der &#x017F;ich bey Fa¬<lb/>
ckel&#x017F;chein und mit &#x017F;chwarzbehängten Pferden lang¬<lb/>
&#x017F;am über die be&#x017F;chneyten Felder hinbewegte. Er<lb/>
habe weder die Gegend, noch die Per&#x017F;onen ge¬<lb/>
kannt, die der Leiche im Wagen folgten. Aber<lb/><hi rendition="#g">Leontin</hi> &#x017F;ey bey dem Zuge, ohne ihn zu bemer¬<lb/>
ken, an ihm vorüberge&#x017F;prengt. &#x2014; Friedrich er&#x017F;chrack<lb/>
über die&#x017F;e dü&#x017F;tere Both&#x017F;chaft. Aber er konnte nicht<lb/>
errathen, welchem alten Bekannten der Zug gegol¬<lb/>
ten, da &#x017F;ich Rudolph weiter um nichts bekümmert<lb/>
hatte.</p><lb/>
          <p>Friedrich &#x017F;etzte indeß noch immer &#x017F;eine gei&#x017F;tli¬<lb/>
chen Betrachtungen fort. Er be&#x017F;uchte, &#x017F;o oft es<lb/>
nur das Wetter erlaubte, das nahgelegene Klo&#x017F;ter,<lb/>
das er an Leontins Ab&#x017F;chiedstage zum er&#x017F;tenmal<lb/>
ge&#x017F;ehen, und blieb oft Wochenlang dort. Rudol¬<lb/>
phen konnte er niemals bewegen, ihn zu begleiten,<lb/>
oder auch nur ein einzigesmal die Kirche zu be&#x017F;<lb/>
chen. Er fand in dem Prior des Klo&#x017F;ters einen<lb/>
frommen, erleuchteten Mann, der be&#x017F;onders auf<lb/>
der Kanzel in &#x017F;einer Begei&#x017F;terung, gleich einem<lb/>
Apo&#x017F;tel, wunderbar und alterthümlich er&#x017F;chien. Frie¬<lb/>
drich &#x017F;chied nie ohne Belehrung und himmli&#x017F;che Be¬<lb/>
ruhigung von ihm und mochte &#x017F;ich bald gar nicht<lb/>
mehr von ihm trennen. Und &#x017F;o bildete &#x017F;ich denn<lb/>
&#x017F;ein Ent&#x017F;chluß, &#x017F;elber ins Klo&#x017F;ter zu gehen, im¬<lb/>
mer mehr zur Reife.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[452/0458] Als er einmal von ſo einem Zuge zurückkam, erzählte er Friedrich'n, er habe unten weit von hier einen großen Leichenzug geſehen, der ſich bey Fa¬ ckelſchein und mit ſchwarzbehängten Pferden lang¬ ſam über die beſchneyten Felder hinbewegte. Er habe weder die Gegend, noch die Perſonen ge¬ kannt, die der Leiche im Wagen folgten. Aber Leontin ſey bey dem Zuge, ohne ihn zu bemer¬ ken, an ihm vorübergeſprengt. — Friedrich erſchrack über dieſe düſtere Bothſchaft. Aber er konnte nicht errathen, welchem alten Bekannten der Zug gegol¬ ten, da ſich Rudolph weiter um nichts bekümmert hatte. Friedrich ſetzte indeß noch immer ſeine geiſtli¬ chen Betrachtungen fort. Er beſuchte, ſo oft es nur das Wetter erlaubte, das nahgelegene Kloſter, das er an Leontins Abſchiedstage zum erſtenmal geſehen, und blieb oft Wochenlang dort. Rudol¬ phen konnte er niemals bewegen, ihn zu begleiten, oder auch nur ein einzigesmal die Kirche zu beſu¬ chen. Er fand in dem Prior des Kloſters einen frommen, erleuchteten Mann, der beſonders auf der Kanzel in ſeiner Begeiſterung, gleich einem Apoſtel, wunderbar und alterthümlich erſchien. Frie¬ drich ſchied nie ohne Belehrung und himmliſche Be¬ ruhigung von ihm und mochte ſich bald gar nicht mehr von ihm trennen. Und ſo bildete ſich denn ſein Entſchluß, ſelber ins Kloſter zu gehen, im¬ mer mehr zur Reife.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/458
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 452. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/458>, abgerufen am 28.04.2024.