Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

Bild:
<< vorherige Seite

haben sich zu Thoren gemacht vor der Welt. --
Und nun sage mir nur, wie in aller Welt Du uns
hier aufgefunden hast?

Faber erzählte nun, daß er auf einer Wall¬
farth zu dem Kloster begriffen gewesen, von dessen
schöner Lage er schon viel gehört. Unterwegs habe
er am Meere von Schiffsleuten vernommen, daß
sich Leontin hier oben aufhalte, und daher den
Berg bestiegen. -- Rudolph verwandte unterdeß mit
komischer Aufmerksamkeit kein Auge von dem kurzen,
runden, wohllebigen Manne, der mit so lebhaften
Gebehrden sprach. Faber setzte sich zu ihnen und
sie theilten ihm nun zu seiner Verwunderung ihre
Plane mit. Rudolph war indeß auch wieder still
geworden, und saß wie der steinerne Gast unter
ihnen am Tische. Julie blickte ihn oft seitwärts an
und konnte sich noch immer einer heimlichen Furcht
vor ihm nicht erwehren, denn es war ihr, als ver¬
gienge diesem kalten und klugen Gesichte gegenüber
ihre Liebe und alles Glück ihres Lebens zu nichts.

Die Nacht war indeß angebrochen, die Sterne
prangten an dem heiteren Himmel. Da erklang auf
einmal Musik aus dem nächsten Gebüsche. Es wa¬
ren Spielleute aus dem Kloster, die Leontin bestellt
hatte. Rudolph stand bey den ersten Klängen auf,
sah sich ärgerlich um und gieng fort.

Leontin, von den plötzlichen Tönen wie im in¬
nersten Herzen erweckt, hob sein Glas hoch in die
Höhe und rief: Es lebe die Freyheit! Wo? --

haben ſich zu Thoren gemacht vor der Welt. —
Und nun ſage mir nur, wie in aller Welt Du uns
hier aufgefunden haſt?

Faber erzählte nun, daß er auf einer Wall¬
farth zu dem Kloſter begriffen geweſen, von deſſen
ſchöner Lage er ſchon viel gehört. Unterwegs habe
er am Meere von Schiffsleuten vernommen, daß
ſich Leontin hier oben aufhalte, und daher den
Berg beſtiegen. — Rudolph verwandte unterdeß mit
komiſcher Aufmerkſamkeit kein Auge von dem kurzen,
runden, wohllebigen Manne, der mit ſo lebhaften
Gebehrden ſprach. Faber ſetzte ſich zu ihnen und
ſie theilten ihm nun zu ſeiner Verwunderung ihre
Plane mit. Rudolph war indeß auch wieder ſtill
geworden, und ſaß wie der ſteinerne Gaſt unter
ihnen am Tiſche. Julie blickte ihn oft ſeitwärts an
und konnte ſich noch immer einer heimlichen Furcht
vor ihm nicht erwehren, denn es war ihr, als ver¬
gienge dieſem kalten und klugen Geſichte gegenüber
ihre Liebe und alles Glück ihres Lebens zu nichts.

Die Nacht war indeß angebrochen, die Sterne
prangten an dem heiteren Himmel. Da erklang auf
einmal Muſik aus dem nächſten Gebüſche. Es wa¬
ren Spielleute aus dem Kloſter, die Leontin beſtellt
hatte. Rudolph ſtand bey den erſten Klängen auf,
ſah ſich ärgerlich um und gieng fort.

Leontin, von den plötzlichen Tönen wie im in¬
nerſten Herzen erweckt, hob ſein Glas hoch in die
Höhe und rief: Es lebe die Freyheit! Wo? —

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0465" n="459"/>
haben &#x017F;ich zu Thoren gemacht vor der Welt. &#x2014;<lb/>
Und nun &#x017F;age mir nur, wie in aller Welt Du uns<lb/>
hier aufgefunden ha&#x017F;t?</p><lb/>
          <p>Faber erzählte nun, daß er auf einer Wall¬<lb/>
farth zu dem Klo&#x017F;ter begriffen gewe&#x017F;en, von de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;chöner Lage er &#x017F;chon viel gehört. Unterwegs habe<lb/>
er am Meere von Schiffsleuten vernommen, daß<lb/>
&#x017F;ich Leontin hier oben aufhalte, und daher den<lb/>
Berg be&#x017F;tiegen. &#x2014; Rudolph verwandte unterdeß mit<lb/>
komi&#x017F;cher Aufmerk&#x017F;amkeit kein Auge von dem kurzen,<lb/>
runden, wohllebigen Manne, der mit &#x017F;o lebhaften<lb/>
Gebehrden &#x017F;prach. Faber &#x017F;etzte &#x017F;ich zu ihnen und<lb/>
&#x017F;ie theilten ihm nun zu &#x017F;einer Verwunderung ihre<lb/>
Plane mit. Rudolph war indeß auch wieder &#x017F;till<lb/>
geworden, und &#x017F;aß wie der &#x017F;teinerne Ga&#x017F;t unter<lb/>
ihnen am Ti&#x017F;che. Julie blickte ihn oft &#x017F;eitwärts an<lb/>
und konnte &#x017F;ich noch immer einer heimlichen Furcht<lb/>
vor ihm nicht erwehren, denn es war ihr, als ver¬<lb/>
gienge die&#x017F;em kalten und klugen Ge&#x017F;ichte gegenüber<lb/>
ihre Liebe und alles Glück ihres Lebens zu nichts.</p><lb/>
          <p>Die Nacht war indeß angebrochen, die Sterne<lb/>
prangten an dem heiteren Himmel. Da erklang auf<lb/>
einmal Mu&#x017F;ik aus dem näch&#x017F;ten Gebü&#x017F;che. Es wa¬<lb/>
ren Spielleute aus dem Klo&#x017F;ter, die Leontin be&#x017F;tellt<lb/>
hatte. Rudolph &#x017F;tand bey den er&#x017F;ten Klängen auf,<lb/>
&#x017F;ah &#x017F;ich ärgerlich um und gieng fort.</p><lb/>
          <p>Leontin, von den plötzlichen Tönen wie im in¬<lb/>
ner&#x017F;ten Herzen erweckt, hob &#x017F;ein Glas hoch in die<lb/>
Höhe und rief: Es lebe die Freyheit! Wo? &#x2014;<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[459/0465] haben ſich zu Thoren gemacht vor der Welt. — Und nun ſage mir nur, wie in aller Welt Du uns hier aufgefunden haſt? Faber erzählte nun, daß er auf einer Wall¬ farth zu dem Kloſter begriffen geweſen, von deſſen ſchöner Lage er ſchon viel gehört. Unterwegs habe er am Meere von Schiffsleuten vernommen, daß ſich Leontin hier oben aufhalte, und daher den Berg beſtiegen. — Rudolph verwandte unterdeß mit komiſcher Aufmerkſamkeit kein Auge von dem kurzen, runden, wohllebigen Manne, der mit ſo lebhaften Gebehrden ſprach. Faber ſetzte ſich zu ihnen und ſie theilten ihm nun zu ſeiner Verwunderung ihre Plane mit. Rudolph war indeß auch wieder ſtill geworden, und ſaß wie der ſteinerne Gaſt unter ihnen am Tiſche. Julie blickte ihn oft ſeitwärts an und konnte ſich noch immer einer heimlichen Furcht vor ihm nicht erwehren, denn es war ihr, als ver¬ gienge dieſem kalten und klugen Geſichte gegenüber ihre Liebe und alles Glück ihres Lebens zu nichts. Die Nacht war indeß angebrochen, die Sterne prangten an dem heiteren Himmel. Da erklang auf einmal Muſik aus dem nächſten Gebüſche. Es wa¬ ren Spielleute aus dem Kloſter, die Leontin beſtellt hatte. Rudolph ſtand bey den erſten Klängen auf, ſah ſich ärgerlich um und gieng fort. Leontin, von den plötzlichen Tönen wie im in¬ nerſten Herzen erweckt, hob ſein Glas hoch in die Höhe und rief: Es lebe die Freyheit! Wo? —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/465
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/465>, abgerufen am 29.04.2024.