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Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815.

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Sie waren unterdeß ans Gestade gekommen.
Leontin umarmte hierauf noch einmal die Freunde,
Friedrich küßte Julien auf die Stirne, und die
drey bestiegen ihr Schiff. Faber ritt landeinwärts
fort. Friedrich kehrte ins Kloster zurück, um es
niemals mehr zu verlassen.

Als er in die Kirche eintrat, fand er dort noch
alles leer und stille. Nur einige fromme Pilger
waren noch hin und her in den Bänken zerstreut.
Auch die hohe, verschleyerte Dame von Gestern be¬
merkte er wieder unter ihnen. Er kniete vor ein
Altar und betete. Als er wieder aufstand und sich
umwandte, wobey ihm durch ein offnes Fenster die
Morgenhelle grade auf Brust und Gesicht fiel, sank
plötzlich die Dame ohnmächtig auf den Boden nie¬
der. Mehrere Bediente sprangen herbey und brach¬
ten sie vor die Thüre, wo ein Wagen ihrer zu
warten schien. -- Es war Rosa. --

Friedrich hatte nichts mehr davon bemerkt.
Beruhigt und glückselig war er in den stillen Klo¬
stergarten hinausgetreten. Da sah er noch, wie
von der einen Seite Faber zwischen Strömen,
Weinbergen und blühenden Gärten in das blitzen¬
de, buntbewegte Leben hinauszog, von der ande¬

Sie waren unterdeß ans Geſtade gekommen.
Leontin umarmte hierauf noch einmal die Freunde,
Friedrich küßte Julien auf die Stirne, und die
drey beſtiegen ihr Schiff. Faber ritt landeinwärts
fort. Friedrich kehrte ins Kloſter zurück, um es
niemals mehr zu verlaſſen.

Als er in die Kirche eintrat, fand er dort noch
alles leer und ſtille. Nur einige fromme Pilger
waren noch hin und her in den Bänken zerſtreut.
Auch die hohe, verſchleyerte Dame von Geſtern be¬
merkte er wieder unter ihnen. Er kniete vor ein
Altar und betete. Als er wieder aufſtand und ſich
umwandte, wobey ihm durch ein offnes Fenſter die
Morgenhelle grade auf Bruſt und Geſicht fiel, ſank
plötzlich die Dame ohnmächtig auf den Boden nie¬
der. Mehrere Bediente ſprangen herbey und brach¬
ten ſie vor die Thüre, wo ein Wagen ihrer zu
warten ſchien. — Es war Roſa. —

Friedrich hatte nichts mehr davon bemerkt.
Beruhigt und glückſelig war er in den ſtillen Klo¬
ſtergarten hinausgetreten. Da ſah er noch, wie
von der einen Seite Faber zwiſchen Strömen,
Weinbergen und blühenden Gärten in das blitzen¬
de, buntbewegte Leben hinauszog, von der ande¬

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[475/0481] Sie waren unterdeß ans Geſtade gekommen. Leontin umarmte hierauf noch einmal die Freunde, Friedrich küßte Julien auf die Stirne, und die drey beſtiegen ihr Schiff. Faber ritt landeinwärts fort. Friedrich kehrte ins Kloſter zurück, um es niemals mehr zu verlaſſen. Als er in die Kirche eintrat, fand er dort noch alles leer und ſtille. Nur einige fromme Pilger waren noch hin und her in den Bänken zerſtreut. Auch die hohe, verſchleyerte Dame von Geſtern be¬ merkte er wieder unter ihnen. Er kniete vor ein Altar und betete. Als er wieder aufſtand und ſich umwandte, wobey ihm durch ein offnes Fenſter die Morgenhelle grade auf Bruſt und Geſicht fiel, ſank plötzlich die Dame ohnmächtig auf den Boden nie¬ der. Mehrere Bediente ſprangen herbey und brach¬ ten ſie vor die Thüre, wo ein Wagen ihrer zu warten ſchien. — Es war Roſa. — Friedrich hatte nichts mehr davon bemerkt. Beruhigt und glückſelig war er in den ſtillen Klo¬ ſtergarten hinausgetreten. Da ſah er noch, wie von der einen Seite Faber zwiſchen Strömen, Weinbergen und blühenden Gärten in das blitzen¬ de, buntbewegte Leben hinauszog, von der ande¬

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Ahnung und Gegenwart. Nürnberg, 1815, S. 475. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_ahnung_1815/481>, abgerufen am 28.04.2024.