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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

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Geschichte, entgegnete Fiametta, die muß ich von An¬
fang anfangen. -- Sie ritt dicht neben ihm und,
selbst wie in Träumen in der träumerischen Nacht,
halb an ihn gelehnt, begann sie folgendermaßen zu er¬
zählen:

Als du in Rom auf einmal verschwunden warst
und nun der Winter kam, und es regnete Tag und
Nacht, und der Vater saß Abends in dem großen
Saale am Kaminfeuer und sprach kein Wort und alles
war so still im ganzen Hause, daß man die Thurm¬
uhr gehen hörte, da wurde ich plötzlich krank. Da
träumte mir, ich wäre auf einer Anhöhe über Rom
im Abendglanze eingeschlafen. Als ich aber erwachte,
war es schon finstere Nacht, mich fror und ich kannte
die Gegend nicht wieder. Da kam durch das Dunkel
ein Jäger vom Berge herab. Ach, führ mich zur
Stadt hinunter, rief ich, horch, da klingt in der Ferne
noch die Glocke vom Kapitol. -- Das ist die Thurm¬
uhr, die schlägt auf meinem Schloß im Walde, sagte
der Jäger. -- Kennst du denn nicht das Schloß des
Marchese A.? fragte ich wieder -- Wo Fiametta
wohnt? ach das ist lange her, sagte der Jäger, dann
wandt' er sich plötzlich -- du selbst warst der Jäger,
aber du kanntest mich nicht mehr. -- Nun stiegst du
weiter den Berg hinab, ich rief voll Angst und konnte
dir so schnell nicht folgen. Da ging gegenüber der
Mond auf und auf einmal, so weit ich sehen konnte, lag

Geſchichte, entgegnete Fiametta, die muß ich von An¬
fang anfangen. — Sie ritt dicht neben ihm und,
ſelbſt wie in Traͤumen in der traͤumeriſchen Nacht,
halb an ihn gelehnt, begann ſie folgendermaßen zu er¬
zaͤhlen:

Als du in Rom auf einmal verſchwunden warſt
und nun der Winter kam, und es regnete Tag und
Nacht, und der Vater ſaß Abends in dem großen
Saale am Kaminfeuer und ſprach kein Wort und alles
war ſo ſtill im ganzen Hauſe, daß man die Thurm¬
uhr gehen hoͤrte, da wurde ich ploͤtzlich krank. Da
traͤumte mir, ich waͤre auf einer Anhoͤhe uͤber Rom
im Abendglanze eingeſchlafen. Als ich aber erwachte,
war es ſchon finſtere Nacht, mich fror und ich kannte
die Gegend nicht wieder. Da kam durch das Dunkel
ein Jaͤger vom Berge herab. Ach, fuͤhr mich zur
Stadt hinunter, rief ich, horch, da klingt in der Ferne
noch die Glocke vom Kapitol. — Das iſt die Thurm¬
uhr, die ſchlaͤgt auf meinem Schloß im Walde, ſagte
der Jaͤger. — Kennſt du denn nicht das Schloß des
Marcheſe A.? fragte ich wieder — Wo Fiametta
wohnt? ach das iſt lange her, ſagte der Jaͤger, dann
wandt' er ſich ploͤtzlich — du ſelbſt warſt der Jaͤger,
aber du kannteſt mich nicht mehr. — Nun ſtiegſt du
weiter den Berg hinab, ich rief voll Angſt und konnte
dir ſo ſchnell nicht folgen. Da ging gegenuͤber der
Mond auf und auf einmal, ſo weit ich ſehen konnte, lag

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[299/0306] Geſchichte, entgegnete Fiametta, die muß ich von An¬ fang anfangen. — Sie ritt dicht neben ihm und, ſelbſt wie in Traͤumen in der traͤumeriſchen Nacht, halb an ihn gelehnt, begann ſie folgendermaßen zu er¬ zaͤhlen: Als du in Rom auf einmal verſchwunden warſt und nun der Winter kam, und es regnete Tag und Nacht, und der Vater ſaß Abends in dem großen Saale am Kaminfeuer und ſprach kein Wort und alles war ſo ſtill im ganzen Hauſe, daß man die Thurm¬ uhr gehen hoͤrte, da wurde ich ploͤtzlich krank. Da traͤumte mir, ich waͤre auf einer Anhoͤhe uͤber Rom im Abendglanze eingeſchlafen. Als ich aber erwachte, war es ſchon finſtere Nacht, mich fror und ich kannte die Gegend nicht wieder. Da kam durch das Dunkel ein Jaͤger vom Berge herab. Ach, fuͤhr mich zur Stadt hinunter, rief ich, horch, da klingt in der Ferne noch die Glocke vom Kapitol. — Das iſt die Thurm¬ uhr, die ſchlaͤgt auf meinem Schloß im Walde, ſagte der Jaͤger. — Kennſt du denn nicht das Schloß des Marcheſe A.? fragte ich wieder — Wo Fiametta wohnt? ach das iſt lange her, ſagte der Jaͤger, dann wandt' er ſich ploͤtzlich — du ſelbſt warſt der Jaͤger, aber du kannteſt mich nicht mehr. — Nun ſtiegſt du weiter den Berg hinab, ich rief voll Angſt und konnte dir ſo ſchnell nicht folgen. Da ging gegenuͤber der Mond auf und auf einmal, ſo weit ich ſehen konnte, lag

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/306>, abgerufen am 11.05.2024.