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Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

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Concept gebracht und ergriff gerührt die Hand des
aufgeregten Jünglings. Ich komme keineswegs, sagte
er endlich, um das harte, heftige Wesen der Amt¬
mannin zu vertheidigen, obgleich es auch nur eine an¬
dere, ungeschickte Form der Liebe ist. Das Angedenken
meiner eigenen Jugend ist es, was mich herführt, der
aufrichtige Schmerz um ein junges heitres Gemüth,
das auf diesem Wege sich immer tiefer und tiefer in
der blühenden Einsamkeit verirrt und verwildert. Ich
kenne diese trostlose Oede junger Seelen gar wohl,
das Heimweh ohne Heimath, diese labyrinthische Selbst¬
quälerei. Sie stehn verlassen auf der Welt, ohne
Vater und Mutter -- verlangt Sie in dieser Einsam¬
keit nach einem Freunde, und wollen Sie's mit mir
versuchen, so biete ich Ihnen meine Hand bis in den
Tod, und will rathen, schützen, helfen wo ich kann! --
Otto sah ihn erstaunt an, denn in Walters Worten
war jener wunderbare Klang ernster Güte, der über¬
all unmittelbar zum Herzen geht. -- Sie sind im
Amte, angesehen, ruhig -- sagte er dann nach einer
kurzen Pause. Und wenn ich Ihnen nun auch erzäh¬
len wollte von dem zauberischen Spielmann, der jeden
Frühling, wenn der Sonnenschein sich munter über die
Felder ausbreitet, aus dem Venusberge kommt mit
neuen wunderbaren Liedern, und die Seelen verlockt,
von dem in schwüler Mittagsstunde der einsame Vogel¬
sang schallt, von dem die Ströme und Quellen ver¬

Concept gebracht und ergriff geruͤhrt die Hand des
aufgeregten Juͤnglings. Ich komme keineswegs, ſagte
er endlich, um das harte, heftige Weſen der Amt¬
mannin zu vertheidigen, obgleich es auch nur eine an¬
dere, ungeſchickte Form der Liebe iſt. Das Angedenken
meiner eigenen Jugend iſt es, was mich herfuͤhrt, der
aufrichtige Schmerz um ein junges heitres Gemuͤth,
das auf dieſem Wege ſich immer tiefer und tiefer in
der bluͤhenden Einſamkeit verirrt und verwildert. Ich
kenne dieſe troſtloſe Oede junger Seelen gar wohl,
das Heimweh ohne Heimath, dieſe labyrinthiſche Selbſt¬
quaͤlerei. Sie ſtehn verlaſſen auf der Welt, ohne
Vater und Mutter — verlangt Sie in dieſer Einſam¬
keit nach einem Freunde, und wollen Sie's mit mir
verſuchen, ſo biete ich Ihnen meine Hand bis in den
Tod, und will rathen, ſchuͤtzen, helfen wo ich kann! —
Otto ſah ihn erſtaunt an, denn in Walters Worten
war jener wunderbare Klang ernſter Guͤte, der uͤber¬
all unmittelbar zum Herzen geht. — Sie ſind im
Amte, angeſehen, ruhig — ſagte er dann nach einer
kurzen Pauſe. Und wenn ich Ihnen nun auch erzaͤh¬
len wollte von dem zauberiſchen Spielmann, der jeden
Fruͤhling, wenn der Sonnenſchein ſich munter uͤber die
Felder ausbreitet, aus dem Venusberge kommt mit
neuen wunderbaren Liedern, und die Seelen verlockt,
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[48/0055] Concept gebracht und ergriff geruͤhrt die Hand des aufgeregten Juͤnglings. Ich komme keineswegs, ſagte er endlich, um das harte, heftige Weſen der Amt¬ mannin zu vertheidigen, obgleich es auch nur eine an¬ dere, ungeſchickte Form der Liebe iſt. Das Angedenken meiner eigenen Jugend iſt es, was mich herfuͤhrt, der aufrichtige Schmerz um ein junges heitres Gemuͤth, das auf dieſem Wege ſich immer tiefer und tiefer in der bluͤhenden Einſamkeit verirrt und verwildert. Ich kenne dieſe troſtloſe Oede junger Seelen gar wohl, das Heimweh ohne Heimath, dieſe labyrinthiſche Selbſt¬ quaͤlerei. Sie ſtehn verlaſſen auf der Welt, ohne Vater und Mutter — verlangt Sie in dieſer Einſam¬ keit nach einem Freunde, und wollen Sie's mit mir verſuchen, ſo biete ich Ihnen meine Hand bis in den Tod, und will rathen, ſchuͤtzen, helfen wo ich kann! — Otto ſah ihn erſtaunt an, denn in Walters Worten war jener wunderbare Klang ernſter Guͤte, der uͤber¬ all unmittelbar zum Herzen geht. — Sie ſind im Amte, angeſehen, ruhig — ſagte er dann nach einer kurzen Pauſe. Und wenn ich Ihnen nun auch erzaͤh¬ len wollte von dem zauberiſchen Spielmann, der jeden Fruͤhling, wenn der Sonnenſchein ſich munter uͤber die Felder ausbreitet, aus dem Venusberge kommt mit neuen wunderbaren Liedern, und die Seelen verlockt, von dem in ſchwuͤler Mittagsſtunde der einſame Vogel¬ ſang ſchallt, von dem die Stroͤme und Quellen ver¬

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Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/55>, abgerufen am 30.04.2024.