Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Männer antworteten gar nicht darauf, die Da¬
me mit dem Regenschirm aber fragte: ob er vielleicht
auch ein Künstler sey und es so gut haben wolle wie
sie? O, setzte sie spitzig nach ihrer Nachbarin gewen¬
det hinzu, Liebhaberrollen sind hier jederzeit zu haben. --
Bitte sehr, erwiederte die Nachbarin mit einer wohl¬
klingenden Stimme, bei Ihnen ist ja diese Stelle seit
geraumer Zeit vakant. -- Ein plötzlicher Blitz beleuch¬
tete hier auf einen Augenblick ein schönes, feines, aber
bleiches Gesichtchen, über welches zu beiden Seiten
lange schwarze Haare triefend herabhingen. -- Mein
Gott, was ist das für eine Wirthschaft um das bis¬
chen Regen! rief einer der jungen Männer aus,
quamquam sint sub aqua, sub aqua maledicere
tentant
! -- Sparen Sie doch ihr Latein, sagte die
Dame mit dem Schirm, Sie memoriren wohl eben
den Bettelstudenten? Sie wollte noch mehr sprechen,
aber der Litteratus fiel schnell in das Lied wieder ein,
das Fortunat schon vorhin von fern gehört hatte, und
übersang sie lustig:

Frei von Mammon will ich schreiten
Auf dem Feld der Wissenschaft,
Sinne ernst und nehm' zu Zeiten
Einen Mund voll Rebensaft.
Bin ich müde vom Studieren,
Wann der Mond tritt sanft herfür,
Pfleg' ich dann zu musiziren
Vor der Allerschönsten Thür.

Die Maͤnner antworteten gar nicht darauf, die Da¬
me mit dem Regenſchirm aber fragte: ob er vielleicht
auch ein Kuͤnſtler ſey und es ſo gut haben wolle wie
ſie? O, ſetzte ſie ſpitzig nach ihrer Nachbarin gewen¬
det hinzu, Liebhaberrollen ſind hier jederzeit zu haben. —
Bitte ſehr, erwiederte die Nachbarin mit einer wohl¬
klingenden Stimme, bei Ihnen iſt ja dieſe Stelle ſeit
geraumer Zeit vakant. — Ein ploͤtzlicher Blitz beleuch¬
tete hier auf einen Augenblick ein ſchoͤnes, feines, aber
bleiches Geſichtchen, uͤber welches zu beiden Seiten
lange ſchwarze Haare triefend herabhingen. — Mein
Gott, was ist das fuͤr eine Wirthſchaft um das bis¬
chen Regen! rief einer der jungen Maͤnner aus,
quamquam sint sub aqua, sub aqua maledicere
tentant
! — Sparen Sie doch ihr Latein, ſagte die
Dame mit dem Schirm, Sie memoriren wohl eben
den Bettelſtudenten? Sie wollte noch mehr ſprechen,
aber der Litteratus fiel ſchnell in das Lied wieder ein,
das Fortunat ſchon vorhin von fern gehoͤrt hatte, und
uͤberſang ſie luſtig:

Frei von Mammon will ich ſchreiten
Auf dem Feld der Wiſſenſchaft,
Sinne ernſt und nehm’ zu Zeiten
Einen Mund voll Rebenſaft.
Bin ich muͤde vom Studieren,
Wann der Mond tritt ſanft herfuͤr,
Pfleg’ ich dann zu muſiziren
Vor der Allerſchoͤnſten Thuͤr.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0069" n="62"/>
Die Ma&#x0364;nner antworteten gar nicht darauf, die Da¬<lb/>
me mit dem Regen&#x017F;chirm aber fragte: ob er vielleicht<lb/>
auch ein Ku&#x0364;n&#x017F;tler &#x017F;ey und es &#x017F;o gut haben wolle wie<lb/>
&#x017F;ie? O, &#x017F;etzte &#x017F;ie &#x017F;pitzig nach ihrer Nachbarin gewen¬<lb/>
det hinzu, Liebhaberrollen &#x017F;ind hier jederzeit zu haben. &#x2014;<lb/>
Bitte &#x017F;ehr, erwiederte die Nachbarin mit einer wohl¬<lb/>
klingenden Stimme, bei Ihnen i&#x017F;t ja die&#x017F;e Stelle &#x017F;eit<lb/>
geraumer Zeit vakant. &#x2014; Ein plo&#x0364;tzlicher Blitz beleuch¬<lb/>
tete hier auf einen Augenblick ein &#x017F;cho&#x0364;nes, feines, aber<lb/>
bleiches Ge&#x017F;ichtchen, u&#x0364;ber welches zu beiden Seiten<lb/>
lange &#x017F;chwarze Haare triefend herabhingen. &#x2014; Mein<lb/>
Gott, was ist das fu&#x0364;r eine Wirth&#x017F;chaft um das bis¬<lb/>
chen Regen! rief einer der jungen Ma&#x0364;nner aus,<lb/><hi rendition="#aq">quamquam sint sub aqua</hi>, <hi rendition="#aq">sub aqua maledicere<lb/>
tentant</hi>! &#x2014; Sparen Sie doch ihr Latein, &#x017F;agte die<lb/>
Dame mit dem Schirm, Sie memoriren wohl eben<lb/>
den Bettel&#x017F;tudenten? Sie wollte noch mehr &#x017F;prechen,<lb/>
aber der Litteratus fiel &#x017F;chnell in das Lied wieder ein,<lb/>
das Fortunat &#x017F;chon vorhin von fern geho&#x0364;rt hatte, und<lb/>
u&#x0364;ber&#x017F;ang &#x017F;ie lu&#x017F;tig:<lb/><lg type="poem"><lg n="1"><l>Frei von Mammon will ich &#x017F;chreiten</l><lb/><l>Auf dem Feld der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft,</l><lb/><l>Sinne ern&#x017F;t und nehm&#x2019; zu Zeiten</l><lb/><l>Einen Mund voll Reben&#x017F;aft.</l><lb/></lg><lg n="2"><l>Bin ich mu&#x0364;de vom Studieren,</l><lb/><l>Wann der Mond tritt &#x017F;anft herfu&#x0364;r,</l><lb/><l>Pfleg&#x2019; ich dann zu mu&#x017F;iziren</l><lb/><l>Vor der Aller&#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten Thu&#x0364;r.</l><lb/></lg></lg>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[62/0069] Die Maͤnner antworteten gar nicht darauf, die Da¬ me mit dem Regenſchirm aber fragte: ob er vielleicht auch ein Kuͤnſtler ſey und es ſo gut haben wolle wie ſie? O, ſetzte ſie ſpitzig nach ihrer Nachbarin gewen¬ det hinzu, Liebhaberrollen ſind hier jederzeit zu haben. — Bitte ſehr, erwiederte die Nachbarin mit einer wohl¬ klingenden Stimme, bei Ihnen iſt ja dieſe Stelle ſeit geraumer Zeit vakant. — Ein ploͤtzlicher Blitz beleuch¬ tete hier auf einen Augenblick ein ſchoͤnes, feines, aber bleiches Geſichtchen, uͤber welches zu beiden Seiten lange ſchwarze Haare triefend herabhingen. — Mein Gott, was ist das fuͤr eine Wirthſchaft um das bis¬ chen Regen! rief einer der jungen Maͤnner aus, quamquam sint sub aqua, sub aqua maledicere tentant! — Sparen Sie doch ihr Latein, ſagte die Dame mit dem Schirm, Sie memoriren wohl eben den Bettelſtudenten? Sie wollte noch mehr ſprechen, aber der Litteratus fiel ſchnell in das Lied wieder ein, das Fortunat ſchon vorhin von fern gehoͤrt hatte, und uͤberſang ſie luſtig: Frei von Mammon will ich ſchreiten Auf dem Feld der Wiſſenſchaft, Sinne ernſt und nehm’ zu Zeiten Einen Mund voll Rebenſaft. Bin ich muͤde vom Studieren, Wann der Mond tritt ſanft herfuͤr, Pfleg’ ich dann zu muſiziren Vor der Allerſchoͤnſten Thuͤr.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/69
Zitationshilfe: Eichendorff, Joseph von: Dichter und ihre Gesellen. Berlin, 1834, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_dichter_1834/69>, abgerufen am 30.04.2024.