Da reckten sie alle die Köpfe in die Höh. "Bravo, bravissimo! ein deliziöser Einfall!" rief der lustige Kenner von den Künsten, und lief sogleich von einem zum andern, um ein ländliches Divertissement, wie er's nannte, einzurichten. Er selbst machte den Anfang, in¬ dem er der Dame die Hand reichte, die vorhin in der Laube Guitarre gespielt hatte. Er begann darauf au¬ ßerordentlich künstlich zu tanzen, schrieb mit den Fu߬ spitzen allerlei Buchstaben auf den Rasen, schlug ordent¬ liche Triller mit den Füßen, und machte von Zeit zu Zeit ganz passable Luftsprünge. Aber er bekam es bald satt, denn er war etwas korpulent. Er machte immer kürzere und ungeschicktere Sprünge, bis er endlich ganz aus dem Kreise heraustrat und heftig pustete und sich mit seinem schneeweißen Schnupftuch unaufhörlich den Schweiß abwischte. Unterdeß hatte auch der junge Mensch, der nun wieder ganz gescheut geworden war, aus dem Wirthshause Castagnetten herbeigeholt, und ehe ich mich's versah, tanzten alle unter den Bäumen bunt durcheinander. Die untergegangene Sonne warf noch einige rothe Wiederscheine zwischen die dunklen Schatten und über das alte Gemäuer und die von Epheu wild überwachsenen halb versunkenen Säulen hinten im Garten, während man von der andern Seite tief unter den Weinbergen die Stadt Rom in den Abendgluthen liegen sah. Da tanzten sie alle lieblich im Grünen in der klaren stillen Luft, und mir lachte das Herz recht im Leibe, wie die schlanken Mädchen, und die Kammerjungfer mitten unter ihnen, sich so mit
Da reckten ſie alle die Koͤpfe in die Hoͤh. „Bravo, braviſſimo! ein delizioͤſer Einfall!“ rief der luſtige Kenner von den Kuͤnſten, und lief ſogleich von einem zum andern, um ein laͤndliches Divertiſſement, wie er's nannte, einzurichten. Er ſelbſt machte den Anfang, in¬ dem er der Dame die Hand reichte, die vorhin in der Laube Guitarre geſpielt hatte. Er begann darauf au¬ ßerordentlich kuͤnſtlich zu tanzen, ſchrieb mit den Fu߬ ſpitzen allerlei Buchſtaben auf den Raſen, ſchlug ordent¬ liche Triller mit den Fuͤßen, und machte von Zeit zu Zeit ganz paſſable Luftſpruͤnge. Aber er bekam es bald ſatt, denn er war etwas korpulent. Er machte immer kuͤrzere und ungeſchicktere Spruͤnge, bis er endlich ganz aus dem Kreiſe heraustrat und heftig puſtete und ſich mit ſeinem ſchneeweißen Schnupftuch unaufhoͤrlich den Schweiß abwiſchte. Unterdeß hatte auch der junge Menſch, der nun wieder ganz geſcheut geworden war, aus dem Wirthshauſe Caſtagnetten herbeigeholt, und ehe ich mich's verſah, tanzten alle unter den Baͤumen bunt durcheinander. Die untergegangene Sonne warf noch einige rothe Wiederſcheine zwiſchen die dunklen Schatten und uͤber das alte Gemaͤuer und die von Epheu wild uͤberwachſenen halb verſunkenen Saͤulen hinten im Garten, waͤhrend man von der andern Seite tief unter den Weinbergen die Stadt Rom in den Abendgluthen liegen ſah. Da tanzten ſie alle lieblich im Gruͤnen in der klaren ſtillen Luft, und mir lachte das Herz recht im Leibe, wie die ſchlanken Maͤdchen, und die Kammerjungfer mitten unter ihnen, ſich ſo mit
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Da reckten ſie alle die Koͤpfe in die Hoͤh. „Bravo,
braviſſimo! ein delizioͤſer Einfall!“ rief der luſtige
Kenner von den Kuͤnſten, und lief ſogleich von einem
zum andern, um ein laͤndliches Divertiſſement, wie er's
nannte, einzurichten. Er ſelbſt machte den Anfang, in¬
dem er der Dame die Hand reichte, die vorhin in der
Laube Guitarre geſpielt hatte. Er begann darauf au¬
ßerordentlich kuͤnſtlich zu tanzen, ſchrieb mit den Fu߬
ſpitzen allerlei Buchſtaben auf den Raſen, ſchlug ordent¬
liche Triller mit den Fuͤßen, und machte von Zeit zu
Zeit ganz paſſable Luftſpruͤnge. Aber er bekam es bald
ſatt, denn er war etwas korpulent. Er machte immer
kuͤrzere und ungeſchicktere Spruͤnge, bis er endlich ganz
aus dem Kreiſe heraustrat und heftig puſtete und ſich
mit ſeinem ſchneeweißen Schnupftuch unaufhoͤrlich den
Schweiß abwiſchte. Unterdeß hatte auch der junge
Menſch, der nun wieder ganz geſcheut geworden war,
aus dem Wirthshauſe Caſtagnetten herbeigeholt, und
ehe ich mich's verſah, tanzten alle unter den Baͤumen
bunt durcheinander. Die untergegangene Sonne warf
noch einige rothe Wiederſcheine zwiſchen die dunklen
Schatten und uͤber das alte Gemaͤuer und die von
Epheu wild uͤberwachſenen halb verſunkenen Saͤulen
hinten im Garten, waͤhrend man von der andern Seite
tief unter den Weinbergen die Stadt Rom in den
Abendgluthen liegen ſah. Da tanzten ſie alle lieblich
im Gruͤnen in der klaren ſtillen Luft, und mir lachte
das Herz recht im Leibe, wie die ſchlanken Maͤdchen,
und die Kammerjungfer mitten unter ihnen, ſich ſo mit
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Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ erschien die Novelle „Das Marmorbild“ erstmalig 1819 im „Frauentaschenbuch für das Jahr 1819“ herausgegeben von Friedrich de La Motte-Fouqué.
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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/108>, abgerufen am 16.06.2024.
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