ihm nach -- und ich hätt' ihn beinah schon erwischt, da verwickelte ich mich mit den Füßen in den fatalen Blumenstücken, und stürzte auf einmal der Länge nach vor der Hausthür hin.
"Also Du bist es, Narr!" hört' ich da über mir ausrufen, "hast Du mich doch fast zum Tode er¬ schreckt!" -- Ich raffte mich geschwind wieder auf, und wie ich mir den Sand und die Erde aus den Au¬ gen wische, steht die Kammerjungfer vor mir, die so eben bei dem letzten Sprunge den weißen Mantel von der Schulter verloren hatte. "Aber," sagte ich ganz verblüfft, "war denn der Maler nicht hier?" -- "Ja freilich," entgegnete sie schnippisch, "sein Mantel we¬ nigstens, den er mir, als ich ihn vorhin im Thor be¬ gegnete, umgehangen hat, weil mich fror." -- Ueber dem Geplauder war nun auch die gnädige Frau von ihrem Sopha aufgesprungen, und kam zu uns an die Thür. Mir klopfte das Herz zum Zerspringen. Aber wie erschrak ich, als ich recht hinsah und, anstatt der schönen gnädigen Frau, auf einmal eine ganz fremde Person erblickte!
Es war eine etwas große korpulente, mächtige Dame mit einer stolzen Adlernase und hochgewölbten schwarzen Augenbraunen, so recht zum Erschrecken schön. Sie sah mich mit ihren großen funkelnden Augen so majestätisch an, daß ich mich vor Ehrfurcht gar nicht zu lassen wußte. Ich war ganz verwirrt, ich machte in einem fort Komplimente, und wollte ihr zulezt gar die Hand küssen. Aber sie riß ihre Hand schnell weg, und
ihm nach — und ich haͤtt' ihn beinah ſchon erwiſcht, da verwickelte ich mich mit den Fuͤßen in den fatalen Blumenſtuͤcken, und ſtuͤrzte auf einmal der Laͤnge nach vor der Hausthuͤr hin.
„Alſo Du biſt es, Narr!“ hoͤrt' ich da uͤber mir ausrufen, „haſt Du mich doch faſt zum Tode er¬ ſchreckt!“ — Ich raffte mich geſchwind wieder auf, und wie ich mir den Sand und die Erde aus den Au¬ gen wiſche, ſteht die Kammerjungfer vor mir, die ſo eben bei dem letzten Sprunge den weißen Mantel von der Schulter verloren hatte. „Aber,“ ſagte ich ganz verbluͤfft, „war denn der Maler nicht hier?“ — „Ja freilich,“ entgegnete ſie ſchnippiſch, „ſein Mantel we¬ nigſtens, den er mir, als ich ihn vorhin im Thor be¬ gegnete, umgehangen hat, weil mich fror.“ — Ueber dem Geplauder war nun auch die gnaͤdige Frau von ihrem Sopha aufgeſprungen, und kam zu uns an die Thuͤr. Mir klopfte das Herz zum Zerſpringen. Aber wie erſchrak ich, als ich recht hinſah und, anſtatt der ſchoͤnen gnaͤdigen Frau, auf einmal eine ganz fremde Perſon erblickte!
Es war eine etwas große korpulente, maͤchtige Dame mit einer ſtolzen Adlernaſe und hochgewoͤlbten ſchwarzen Augenbraunen, ſo recht zum Erſchrecken ſchoͤn. Sie ſah mich mit ihren großen funkelnden Augen ſo majeſtaͤtiſch an, daß ich mich vor Ehrfurcht gar nicht zu laſſen wußte. Ich war ganz verwirrt, ich machte in einem fort Komplimente, und wollte ihr zulezt gar die Hand kuͤſſen. Aber ſie riß ihre Hand ſchnell weg, und
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ihm nach — und ich haͤtt' ihn beinah ſchon erwiſcht,
da verwickelte ich mich mit den Fuͤßen in den fatalen
Blumenſtuͤcken, und ſtuͤrzte auf einmal der Laͤnge nach
vor der Hausthuͤr hin.
„Alſo Du biſt es, Narr!“ hoͤrt' ich da uͤber mir
ausrufen, „haſt Du mich doch faſt zum Tode er¬
ſchreckt!“ — Ich raffte mich geſchwind wieder auf,
und wie ich mir den Sand und die Erde aus den Au¬
gen wiſche, ſteht die Kammerjungfer vor mir, die ſo
eben bei dem letzten Sprunge den weißen Mantel von
der Schulter verloren hatte. „Aber,“ ſagte ich ganz
verbluͤfft, „war denn der Maler nicht hier?“ — „Ja
freilich,“ entgegnete ſie ſchnippiſch, „ſein Mantel we¬
nigſtens, den er mir, als ich ihn vorhin im Thor be¬
gegnete, umgehangen hat, weil mich fror.“ — Ueber
dem Geplauder war nun auch die gnaͤdige Frau von
ihrem Sopha aufgeſprungen, und kam zu uns an die
Thuͤr. Mir klopfte das Herz zum Zerſpringen. Aber
wie erſchrak ich, als ich recht hinſah und, anſtatt der
ſchoͤnen gnaͤdigen Frau, auf einmal eine ganz fremde
Perſon erblickte!
Es war eine etwas große korpulente, maͤchtige
Dame mit einer ſtolzen Adlernaſe und hochgewoͤlbten
ſchwarzen Augenbraunen, ſo recht zum Erſchrecken ſchoͤn.
Sie ſah mich mit ihren großen funkelnden Augen ſo
majeſtaͤtiſch an, daß ich mich vor Ehrfurcht gar nicht
zu laſſen wußte. Ich war ganz verwirrt, ich machte in
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines T… [mehr]
Im Unterschied zur Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ erschien die Novelle „Das Marmorbild“ erstmalig 1819 im „Frauentaschenbuch für das Jahr 1819“ herausgegeben von Friedrich de La Motte-Fouqué.
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Eichendorff, Joseph von: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Berlin, 1826, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/eichendorff_taugenichts_1826/116>, abgerufen am 17.06.2024.
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