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Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724.

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und desselben eigenschaften.
vom sang froid begabet. Solche leute bekom-
men dann zwar einen guten stilum, wann sie die
natürlichen eigenschaften desselben wohl an-
bringen, und darüber zu disponiren wissen, aber
sie behalten einen schläfrigen fürtrag, und es
werden auch öfters ihre schönsten sachen und
treflichsten gedancken, ohne diese würtze, denen
leuten abgeschmackt fürkommen. Hingegen,
welche hier im überfluß sündigen, die überhäuf-
fen den verstand des lesers und zuhörers, richten
einen tumult nach den andern in seinen neigun-
gen an, und allarmiren ihn beständig, daß er
entweder die besten gedancken überhüpft, oder
endlich des lermens gewohnt wird, und für der
gar zu vielen würtze, man mag sie nun als ein
saltz oder als einen honig ansehen, einen rechten
eckel bekommt. Jch gestehe daß ich deßwegen
lieber in des Zieglers Banise, als in des Lo-
hensteins Arminio
lese, und daß ich bey die-
sem die häuffung der so genannten realien, als
eine heroische tugend, die man zwar bewun-
dern, aber nicht nachmachen müsse, ansehe.
Was für einen eckel würde ich nicht erst bekom-
men, und (wo ich mir nicht zuviel schmeichele,)
auch andere ehrliche leute mir mir, wann wir in
allen familiair discoursen, complimentir-briefen,
suppliquen, zeitungen, historien und dergleichen,
welche lieber den natürlichen ausdruck haben
wollen als den gekünstelten, wenn wir sage ich,
wahrnehmen müsten, wie die auctores sich mar-
terten, unsern verstand und willen, ohne noth,
durch ihre zur unzeit angebrachte kunst, zu beun-
ruhigen, an statt selbigen zu belustigen.

§. 14. Jnsonderheit ist es nöthig, daß man
mit denen tropis und figuren, vernünftig um-
zugehen wisse, und selbige nicht ungeschickt aus-

theile
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und deſſelben eigenſchaften.
vom ſang froid begabet. Solche leute bekom-
men dann zwar einen guten ſtilum, wann ſie die
natuͤrlichen eigenſchaften deſſelben wohl an-
bringen, und daruͤber zu diſponiren wiſſen, aber
ſie behalten einen ſchlaͤfrigen fuͤrtrag, und es
werden auch oͤfters ihre ſchoͤnſten ſachen und
treflichſten gedancken, ohne dieſe wuͤrtze, denen
leuten abgeſchmackt fuͤrkommen. Hingegen,
welche hier im uͤberfluß ſuͤndigen, die uͤberhaͤuf-
fen den verſtand des leſers und zuhoͤrers, richten
einen tumult nach den andern in ſeinen neigun-
gen an, und allarmiren ihn beſtaͤndig, daß er
entweder die beſten gedancken uͤberhuͤpft, oder
endlich des lermens gewohnt wird, und fuͤr der
gar zu vielen wuͤrtze, man mag ſie nun als ein
ſaltz oder als einen honig anſehen, einen rechten
eckel bekommt. Jch geſtehe daß ich deßwegen
lieber in des Zieglers Baniſe, als in des Lo-
henſteins Arminio
leſe, und daß ich bey die-
ſem die haͤuffung der ſo genannten realien, als
eine heroiſche tugend, die man zwar bewun-
dern, aber nicht nachmachen muͤſſe, anſehe.
Was fuͤr einen eckel wuͤrde ich nicht erſt bekom-
men, und (wo ich mir nicht zuviel ſchmeichele,)
auch andere ehrliche leute mir mir, wann wir in
allen familiair diſcourſen, complimentir-briefen,
ſuppliquen, zeitungen, hiſtorien und dergleichen,
welche lieber den natuͤrlichen ausdruck haben
wollen als den gekuͤnſtelten, wenn wir ſage ich,
wahrnehmen muͤſten, wie die auctores ſich mar-
terten, unſern verſtand und willen, ohne noth,
durch ihre zur unzeit angebrachte kunſt, zu beun-
ruhigen, an ſtatt ſelbigen zu beluſtigen.

§. 14. Jnſonderheit iſt es noͤthig, daß man
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[233/0251] und deſſelben eigenſchaften. a⁾ vom ſang froid begabet. Solche leute bekom- men dann zwar einen guten ſtilum, wann ſie die natuͤrlichen eigenſchaften deſſelben wohl an- bringen, und daruͤber zu diſponiren wiſſen, aber ſie behalten einen ſchlaͤfrigen fuͤrtrag, und es werden auch oͤfters ihre ſchoͤnſten ſachen und treflichſten gedancken, ohne dieſe wuͤrtze, denen leuten abgeſchmackt fuͤrkommen. Hingegen, welche hier im uͤberfluß ſuͤndigen, die uͤberhaͤuf- fen den verſtand des leſers und zuhoͤrers, richten einen tumult nach den andern in ſeinen neigun- gen an, und allarmiren ihn beſtaͤndig, daß er entweder die beſten gedancken uͤberhuͤpft, oder endlich des lermens gewohnt wird, und fuͤr der gar zu vielen wuͤrtze, man mag ſie nun als ein ſaltz oder als einen honig anſehen, einen rechten eckel bekommt. Jch geſtehe daß ich deßwegen lieber in des Zieglers Baniſe, als in des Lo- henſteins Arminio leſe, und daß ich bey die- ſem die haͤuffung der ſo genannten realien, als eine heroiſche tugend, die man zwar bewun- dern, aber nicht nachmachen muͤſſe, anſehe. Was fuͤr einen eckel wuͤrde ich nicht erſt bekom- men, und (wo ich mir nicht zuviel ſchmeichele,) auch andere ehrliche leute mir mir, wann wir in allen familiair diſcourſen, complimentir-briefen, ſuppliquen, zeitungen, hiſtorien und dergleichen, welche lieber den natuͤrlichen ausdruck haben wollen als den gekuͤnſtelten, wenn wir ſage ich, wahrnehmen muͤſten, wie die auctores ſich mar- terten, unſern verſtand und willen, ohne noth, durch ihre zur unzeit angebrachte kunſt, zu beun- ruhigen, an ſtatt ſelbigen zu beluſtigen. §. 14. Jnſonderheit iſt es noͤthig, daß man mit denen tropis und figuren, vernuͤnftig um- zugehen wiſſe, und ſelbige nicht ungeſchickt aus- theile P 5

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Zitationshilfe: Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fabricius_oratorie_1724/251>, abgerufen am 30.04.2024.