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Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724.

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des stili insonderheit.
ohne bogen so unbewegl. gewölbet zu seyn, da-
mit beyde mit gewissern grunde, den beständi-
gen unbestand und wechsel ihrer einwohner
uns für augen stellen. Dieser ist so mächtig,
daß er nicht nur über dinge, deren wesen wir
würckl. empfinden, sondern davon wir auch
nur einige möglichkeit erdencken können, seine
unumschränckte herrschafft ausübet. Bald muß
sich der heydnische Jupiter unter allezeit ande-
rer gestalt als ein verliebter schmeichler, bald als
ein mit donner-keilen um sich werffender wüte-
rich von seinen verehrern abbilden lassen. So
offt als die Gratien ihren reyen verändern, er-
scheinen sie in anderer stellung, die von einer
inniglichen freude oder hertzfressenden betrübniß
ihren ursprung nehmen. Kaum hat die sonne
ihre angenehme strahlen diesem runde gegön-
net, so kan eine regen-schwangere wolcke licht
und freude in dunckelheit und schatten versetzen,
und wird sie von den Persern angebetet, so muß
sie sich von den Mohren verfluchen lassen. Den
mond werden wir niemals in der gestalt auf-
gehen sehen, in welcher wir ihn bey seinem un-
tergang angetroffen, und die sterne scheinen al-
gemach auf unsern wirbel zu steigen, welchen sie
nach wenigen stunden wieder verlassen. Hat
das feuer vor kurtzer zeit mit den hellesten
flammen gespielet, so erblicket man gleich dar-
auf entweder schwache funcken oder graue
asche. Der goldführende Tagus bietet der
natur bald einen spiegel an, bald wird man

ihn
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des ſtili inſonderheit.
ohne bogen ſo unbewegl. gewoͤlbet zu ſeyn, da-
mit beyde mit gewiſſern grunde, den beſtaͤndi-
gen unbeſtand und wechſel ihrer einwohner
uns fuͤr augen ſtellen. Dieſer iſt ſo maͤchtig,
daß er nicht nur uͤber dinge, deren weſen wir
wuͤrckl. empfinden, ſondern davon wir auch
nur einige moͤglichkeit erdencken koͤnnen, ſeine
unumſchraͤnckte herrſchafft ausuͤbet. Bald muß
ſich der heydniſche Jupiter unter allezeit ande-
rer geſtalt als ein verliebter ſchmeichler, bald als
ein mit donner-keilen um ſich werffender wuͤte-
rich von ſeinen verehrern abbilden laſſen. So
offt als die Gratien ihren reyen veraͤndern, er-
ſcheinen ſie in anderer ſtellung, die von einer
iñiglichen freude oder hertzfreſſenden betruͤbniß
ihren urſprung nehmen. Kaum hat die ſonne
ihre angenehme ſtrahlen dieſem runde gegoͤn-
net, ſo kan eine regen-ſchwangere wolcke licht
und freude in dunckelheit und ſchatten verſetzen,
und wird ſie von den Perſern angebetet, ſo muß
ſie ſich von den Mohren verfluchen laſſen. Den
mond werden wir niemals in der geſtalt auf-
gehen ſehen, in welcher wir ihn bey ſeinem un-
tergang angetroffen, und die ſterne ſcheinen al-
gemach auf unſern wirbel zu ſteigen, welchen ſie
nach wenigen ſtunden wieder verlaſſen. Hat
das feuer vor kurtzer zeit mit den helleſten
flammen geſpielet, ſo erblicket man gleich dar-
auf entweder ſchwache funcken oder graue
aſche. Der goldfuͤhrende Tagus bietet der
natur bald einen ſpiegel an, bald wird man

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[263/0281] des ſtili inſonderheit. ohne bogen ſo unbewegl. gewoͤlbet zu ſeyn, da- mit beyde mit gewiſſern grunde, den beſtaͤndi- gen unbeſtand und wechſel ihrer einwohner uns fuͤr augen ſtellen. Dieſer iſt ſo maͤchtig, daß er nicht nur uͤber dinge, deren weſen wir wuͤrckl. empfinden, ſondern davon wir auch nur einige moͤglichkeit erdencken koͤnnen, ſeine unumſchraͤnckte herrſchafft ausuͤbet. Bald muß ſich der heydniſche Jupiter unter allezeit ande- rer geſtalt als ein verliebter ſchmeichler, bald als ein mit donner-keilen um ſich werffender wuͤte- rich von ſeinen verehrern abbilden laſſen. So offt als die Gratien ihren reyen veraͤndern, er- ſcheinen ſie in anderer ſtellung, die von einer iñiglichen freude oder hertzfreſſenden betruͤbniß ihren urſprung nehmen. Kaum hat die ſonne ihre angenehme ſtrahlen dieſem runde gegoͤn- net, ſo kan eine regen-ſchwangere wolcke licht und freude in dunckelheit und ſchatten verſetzen, und wird ſie von den Perſern angebetet, ſo muß ſie ſich von den Mohren verfluchen laſſen. Den mond werden wir niemals in der geſtalt auf- gehen ſehen, in welcher wir ihn bey ſeinem un- tergang angetroffen, und die ſterne ſcheinen al- gemach auf unſern wirbel zu ſteigen, welchen ſie nach wenigen ſtunden wieder verlaſſen. Hat das feuer vor kurtzer zeit mit den helleſten flammen geſpielet, ſo erblicket man gleich dar- auf entweder ſchwache funcken oder graue aſche. Der goldfuͤhrende Tagus bietet der natur bald einen ſpiegel an, bald wird man ihn R 4

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Zitationshilfe: Fabricius, Johann Andreas: Philosophische Oratorie. Leipzig, 1724, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fabricius_oratorie_1724/281>, abgerufen am 28.04.2024.