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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

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schreiben angewöhnet, nannte unter andern einen dicken aufsteigenden Rauch
Ingens fumorum flumen, einen grossen Rauch Fluß. Darüber hatten etli-
che ihr Gespötte. Aber einer unter ihnen defendirte den Pedanten, daß er
recht und wohl geredet hätte, und sprach: Quemadmodum flumen descendit
absque pedibus, ita fumus adscendit sine scalis;
Gleichwie ein fliessendes
Wasser hinunter in das Meer läufft ohne Füsse; also steigt auch der
Rauch in die Höhe ohne Leiter
.

Ein junger Student setzte sich in einem Garten auf einen grossen abge-
hauenen Stumpff eines Baumes mit übergeschlagenen Beinen, gleich als ob
er ritte. Dessen lachte eine Jungfrau. Der Student wolte wissen, ob sie
ihn auslache? und fügte hinzu: Mir duncket ich sitze hier so cavalierisch,
wie auf dem schönsten Pferde. Nein
sagte die Jungfer, ich spotte eurer gar
nicht, sondern lache nur, daß ich einen Klotz auf dem andern sitzen sehe
.

Ein anderer Student erzehlete im Spatzieren-gehen, bey einem Teiche,
seine Thaten einer Jungfrau, und sagte: Ich wolte einstmals in diesem
Teiche Krebse fangen, und als ich nach einem Krebs in ein Loch griffe,
zog ich eine Menschen-Hand heraus
. Die Jungfrau stellete sich, als merck-
te sie die Finte nicht, und sprach gar furchtsam: Ey! Das muß ein loser
Schelm gewesen seyn, der die Hand in das Loch gestecket hat
.

Einstmals wolten etliche Studenten von einer Universitaet auf die andere sich
begeben, wobey sich auch ein junger Pennal befunde. Sie waren alle zu Pferde und
mit Sporen versehen, biß auf den Pennal, welcher deren keine hatte. Als sie nun
auf einer feinen Ebene ritten, sprachen sie unter einander: Lasset uns die Pferde
anstechen, damit wir desto eher in das Wirths-Haus kommen
. Auf diese
Weise ritten sie wacker fort; der arme Pennal aber bliebe dahinten, wannen-
hero er schrie und sprach: Ihr lieben Herren! Wartet doch, und gebet
meiner Mähren auch einen Stich, daß ich kan nachkommen
.

Ein Magister und Candidatus des heiligen Ministerii wolte predigen: Als er
auf die Cantzel kam, den Eingang gemachet, und den Text abgelesen hatte, ward
ihm etwas anders Noth etc. daß er nicht weiter fortfahren kunte. Gleich in dem
schlägt die Uhr. Da fieng er an: Die Zeit ist nunmehro verflossen, und
der Seiger hat geschlagen. Derowegen will ich eure Liebe nicht länger

auf-
J

ſchreiben angewoͤhnet, nannte unter andern einen dicken aufſteigenden Rauch
Ingens fumorum flumen, einen groſſen Rauch Fluß. Daruͤber hatten etli-
che ihr Geſpoͤtte. Aber einer unter ihnen defendirte den Pedanten, daß er
recht und wohl geredet haͤtte, und ſprach: Quemadmodum flumen deſcendit
absque pedibus, ita fumus adſcendit ſine ſcalis;
Gleichwie ein flieſſendes
Waſſer hinunter in das Meer laͤufft ohne Fuͤſſe; alſo ſteigt auch der
Rauch in die Hoͤhe ohne Leiter
.

Ein junger Student ſetzte ſich in einem Garten auf einen groſſen abge-
hauenen Stumpff eines Baumes mit uͤbergeſchlagenen Beinen, gleich als ob
er ritte. Deſſen lachte eine Jungfrau. Der Student wolte wiſſen, ob ſie
ihn auslache? und fuͤgte hinzu: Mir důncket ich ſitze hier ſo cavalieriſch,
wie auf dem ſchoͤnſten Pferde. Nein
ſagte die Jungfer, ich ſpotte eurer gar
nicht, ſondern lache nur, daß ich einen Klotz auf dem andern ſitzen ſehe
.

Ein anderer Student erzehlete im Spatzieren-gehen, bey einem Teiche,
ſeine Thaten einer Jungfrau, und ſagte: Ich wolte einſtmals in dieſem
Teiche Krebſe fangen, und als ich nach einem Krebs in ein Loch griffe,
zog ich eine Menſchen-Hand heraus
. Die Jungfrau ſtellete ſich, als merck-
te ſie die Finte nicht, und ſprach gar furchtſam: Ey! Das muß ein loſer
Schelm geweſen ſeyn, der die Hand in das Loch geſtecket hat
.

Einſtmals wolten etliche Studenten von einer Univerſitæt auf die andere ſich
begeben, wobey ſich auch ein junger Pennal befunde. Sie waren alle zu Pferde und
mit Sporen verſehen, biß auf den Pennal, welcher deren keine hatte. Als ſie nun
auf einer feinen Ebene ritten, ſprachen ſie unter einander: Laſſet uns die Pferde
anſtechen, damit wir deſto eher in das Wirths-Haus kommen
. Auf dieſe
Weiſe ritten ſie wacker fort; der arme Pennal aber bliebe dahinten, wannen-
hero er ſchrie und ſprach: Ihr lieben Herren! Wartet doch, und gebet
meiner Maͤhren auch einen Stich, daß ich kan nachkommen
.

Ein Magiſter und Candidatus des heiligen Miniſterii wolte predigen: Als er
auf die Cantzel kam, den Eingang gemachet, und den Text abgeleſen hatte, ward
ihm etwas anders Noth ꝛc. daß er nicht weiter fortfahren kunte. Gleich in dem
ſchlaͤgt die Uhr. Da fieng er an: Die Zeit iſt nunmehro verfloſſen, und
der Seiger hat geſchlagen. Derowegen will ich eure Liebe nicht laͤnger

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Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/109>, abgerufen am 04.05.2024.