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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

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Händel aber geriethe nicht Samson bey Gelegenheit dieser Hey-
rath mit denen Philistern? Er gab denen Philistern ein Rätzel
auf, dessen Geheimniß und Auflösung das ungetreue Weib ih-
rem Mann Samson aus dem Hertzen heraus pressete, unterm
Vorwand, sie könne anderergestalt nit glauben, daß er sie liebe.
Sobald aber die Hure das Rätzel wuste, verriethe fie es ihren
Landsleuten, und Samson geriethe darüber in einen verwirrten
Handel, weil er sich obligiret hatte dreyßig Feyer-Kleider und
eben so viele Hemden zu geben, daferne die Philister das Rätzel
errathen würden. Er zog zwar wohl andere Philister aus, und
bezahlete damit; geriethe aber eben deswegen in noch weit grösse-
re Händel, die ihn endlich das Leben kosteten. Denn er verließ
dieses Weib, das ihm so schön in seinen Augen gedüncket hatte,
und sie wurde einem andern Mann unter ihren eigenen Lands-
leuten gegeben. Da sieng Samson, aus Verdruß und sich zu rä-
chen, mit denen Philistern, aufs neue allerley Stänckerey an,
die ihm auch glücklich von statten giengen. Er bande eine gros-
se Anzahl Füchse hinten mit denen Schweiffen zusammen, legte
feurige Bränder darzwischen, jagte sie hernach denen Philistern
in die Felder, und brachte auf diese Weise ihr Getreyde in Brand.
Zu einer andern Zeit erschluge Samson fünff hundert Phili-
ster, mit einem Esels-Kinnbacken, und was er denen Philistern
derer Possen noch mehr machte. Nichts destoweniger gieng er
wieder in das Land derer Philister und verheyrathete sich allda
zum zweyten mal an ein Weib, Delila genannt. Sobald die
Philister solches höreten, addressirten sie sich an dieses Weib, und
sprachen zu ihr: Landsmännin! Seye keine Närrin, und habe
keinen Wohlgefallen an der Beschimpffung, welche dein Mann
Samson deinen Landsleuten zufüget, sondern erforsche von ihm,
worinnen seine grosse Stärcke bestehet, und offenbare solches her-
nach uns. Nun stellete sich Delila zwar Anfangs als wolte sie
dem Ansinnen ihrer Landsleute kein Gehör geben, sondern dem

Sam-

Haͤndel aber geriethe nicht Samſon bey Gelegenheit dieſer Hey-
rath mit denen Philiſtern? Er gab denen Philiſtern ein Raͤtzel
auf, deſſen Geheimniß und Aufloͤſung das ungetreue Weib ih-
rem Mann Samſon aus dem Hertzen heraus preſſete, unterm
Vorwand, ſie koͤnne anderergeſtalt nit glauben, daß er ſie liebe.
Sobald aber die Hure das Raͤtzel wuſte, verriethe fie es ihren
Landsleuten, und Samſon geriethe daruͤber in einen verwirrten
Handel, weil er ſich obligiret hatte dreyßig Feyer-Kleider und
eben ſo viele Hemden zu geben, daferne die Philiſter das Raͤtzel
errathen wuͤrden. Er zog zwar wohl andere Philiſter aus, und
bezahlete damit; geriethe aber eben deswegen in noch weit groͤſſe-
re Haͤndel, die ihn endlich das Leben koſteten. Denn er verließ
dieſes Weib, das ihm ſo ſchoͤn in ſeinen Augen geduͤncket hatte,
und ſie wurde einem andern Mann unter ihren eigenen Lands-
leuten gegeben. Da ſieng Samſon, aus Verdruß und ſich zu raͤ-
chen, mit denen Philiſtern, aufs neue allerley Staͤnckerey an,
die ihm auch gluͤcklich von ſtatten giengen. Er bande eine groſ-
ſe Anzahl Fuͤchſe hinten mit denen Schweiffen zuſammen, legte
feurige Braͤnder darzwiſchen, jagte ſie hernach denen Philiſtern
in die Felder, und brachte auf dieſe Weiſe ihr Getreyde in Brand.
Zu einer andern Zeit erſchluge Samſon fuͤnff hundert Phili-
ſter, mit einem Eſels-Kinnbacken, und was er denen Philiſtern
derer Poſſen noch mehr machte. Nichts deſtoweniger gieng er
wieder in das Land derer Philiſter und verheyrathete ſich allda
zum zweyten mal an ein Weib, Delila genannt. Sobald die
Philiſter ſolches hoͤreten, addreſſirten ſie ſich an dieſes Weib, und
ſprachen zu ihr: Landsmaͤnnin! Seye keine Naͤrrin, und habe
keinen Wohlgefallen an der Beſchimpffung, welche dein Mann
Samſon deinen Landsleuten zufuͤget, ſondern erforſche von ihm,
worinnen ſeine groſſe Staͤrcke beſtehet, und offenbare ſolches her-
nach uns. Nun ſtellete ſich Delila zwar Anfangs als wolte ſie
dem Anſinnen ihrer Landsleute kein Gehoͤr geben, ſondern dem

Sam-
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[156/0200] Haͤndel aber geriethe nicht Samſon bey Gelegenheit dieſer Hey- rath mit denen Philiſtern? Er gab denen Philiſtern ein Raͤtzel auf, deſſen Geheimniß und Aufloͤſung das ungetreue Weib ih- rem Mann Samſon aus dem Hertzen heraus preſſete, unterm Vorwand, ſie koͤnne anderergeſtalt nit glauben, daß er ſie liebe. Sobald aber die Hure das Raͤtzel wuſte, verriethe fie es ihren Landsleuten, und Samſon geriethe daruͤber in einen verwirrten Handel, weil er ſich obligiret hatte dreyßig Feyer-Kleider und eben ſo viele Hemden zu geben, daferne die Philiſter das Raͤtzel errathen wuͤrden. Er zog zwar wohl andere Philiſter aus, und bezahlete damit; geriethe aber eben deswegen in noch weit groͤſſe- re Haͤndel, die ihn endlich das Leben koſteten. Denn er verließ dieſes Weib, das ihm ſo ſchoͤn in ſeinen Augen geduͤncket hatte, und ſie wurde einem andern Mann unter ihren eigenen Lands- leuten gegeben. Da ſieng Samſon, aus Verdruß und ſich zu raͤ- chen, mit denen Philiſtern, aufs neue allerley Staͤnckerey an, die ihm auch gluͤcklich von ſtatten giengen. Er bande eine groſ- ſe Anzahl Fuͤchſe hinten mit denen Schweiffen zuſammen, legte feurige Braͤnder darzwiſchen, jagte ſie hernach denen Philiſtern in die Felder, und brachte auf dieſe Weiſe ihr Getreyde in Brand. Zu einer andern Zeit erſchluge Samſon fuͤnff hundert Phili- ſter, mit einem Eſels-Kinnbacken, und was er denen Philiſtern derer Poſſen noch mehr machte. Nichts deſtoweniger gieng er wieder in das Land derer Philiſter und verheyrathete ſich allda zum zweyten mal an ein Weib, Delila genannt. Sobald die Philiſter ſolches hoͤreten, addreſſirten ſie ſich an dieſes Weib, und ſprachen zu ihr: Landsmaͤnnin! Seye keine Naͤrrin, und habe keinen Wohlgefallen an der Beſchimpffung, welche dein Mann Samſon deinen Landsleuten zufuͤget, ſondern erforſche von ihm, worinnen ſeine groſſe Staͤrcke beſtehet, und offenbare ſolches her- nach uns. Nun ſtellete ſich Delila zwar Anfangs als wolte ſie dem Anſinnen ihrer Landsleute kein Gehoͤr geben, ſondern dem Sam-

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Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/200>, abgerufen am 28.04.2024.