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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

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warum nennet Junius, in seinem Namen-Anzeiger, einen Philo-
sophum
einen gelehrten Fantasten? Lieber! sage mir doch, warum
hat Rudolph Gualther, der gelehrte Schweitzer, seinen Lands-
mann Glareanum einen gelehrten Narren geheissen? Warum nen-
net Epictetus; beym Arriano in libris dissertationum, Scholasticum
animal, quod ab omnibus deridetur,
ein Scholasticus, oder vielmehr
Scholhasius seye ein Thier, dessen jederman lache? wie Duarenus
lib. 1. disput. annivers. cap. 3. Qui studiis literarum se dediderint, eos
ad res gerendas fere ineptiores caeteris esse, quotidie experimur,
Die
sich auf das Studiren begeben, die sehen wie fast täglich
daß sie zn denen Welt-Geschäfften viel ungeschickter seynd,
als die, so nichts gelernet.
Wie saget Medenemus Cretuen-
sis, cum videret multos in doctrina nec modum nec modestiam te-
nere?
Sagt er nicht, plurimos navigare Athenas Studiorum gratia,
qui primum essent sapientes, deinde fierent Philosophi, tunc progressu
temporis evaderent idiotae,
Ihrer viele, die nach Athen ziehen
Studierens halber, die wären Anfangs gar witzig. Uber
eine Weile würden sie
Philosophi, und endlich gar tumme
Teufel, oder alberne Narren.
Mit denen allen stimmet
überein Mich. Montigni in seinen periculis, da er schreibet:
Ich habe meiner Zeit hundert und hundert Bauers-
leute gesehen, die witziger und kluger waren als mancher

Doctor, so daß ich lieber jenem als diesen ähnlich seyn
wolte.
Siehest du nun, mein lieber Schul-Fuchs! daß dieses
eine alte Klage ist, und nicht erst von mir herkömmet. Derohal-
ben liebes Mänlein! werde nicht zornig über mich, oder über die
braven Leute, die ich jetzt angezogen, Romsurdus, derer Frantzo-
Frantzosen Virgilius, hat de vulgo paedagogorum also geurtheilet:
Bey dem einmahl die Schul-Ungeschicklichkeit und Thor-

heit

warum nennet Junius, in ſeinem Namen-Anzeiger, einen Philo-
ſophum
einen gelehrten Fantaſten? Lieber! ſage mir doch, warum
hat Rudolph Gualther, der gelehrte Schweitzer, ſeinen Lands-
mann Glareanum einen gelehrten Narren geheiſſen? Warum nen-
net Epictetus; beym Arriano in libris diſſertationum, Scholaſticum
animal, quod ab omnibus deridetur,
ein Scholaſticus, oder vielmehr
Scholhaſius ſeye ein Thier, deſſen jederman lache? wie Duarenus
lib. 1. diſput. anniverſ. cap. 3. Qui ſtudiis literarum ſe dediderint, eos
ad res gerendas fere ineptiores cæteris eſſe, quotidie experimur,
Die
ſich auf das Studiren begeben, die ſehen wie faſt taͤglich
daß ſie zn denen Welt-Geſchaͤfften viel ungeſchickter ſeynd,
als die, ſo nichts gelernet.
Wie ſaget Medenemus Cretuen-
ſis, cum videret multos in doctrina nec modum nec modeſtiam te-
nere?
Sagt er nicht, plurimos navigare Athenas Studiorum gratia,
qui primum eſſent ſapientes, deinde fierent Philoſophi, tunc progreſſu
temporis evaderent idiotæ,
Ihrer viele, die nach Athen ziehen
Studierens halber, die waͤren Anfangs gar witzig. Uber
eine Weile wuͤrden ſie
Philoſophi, und endlich gar tumme
Teufel, oder alberne Narren.
Mit denen allen ſtimmet
uͤberein Mich. Montigni in ſeinen periculis, da er ſchreibet:
Ich habe meiner Zeit hundert und hundert Bauers-
leute geſehen, die witziger und kluger waren als mancher

Doctor, ſo daß ich lieber jenem als dieſen aͤhnlich ſeyn
wolte.
Sieheſt du nun, mein lieber Schul-Fuchs! daß dieſes
eine alte Klage iſt, und nicht erſt von mir herkoͤmmet. Derohal-
ben liebes Maͤnlein! werde nicht zornig uͤber mich, oder uͤber die
braven Leute, die ich jetzt angezogen, Romſurdus, derer Frantzo-
Frantzoſen Virgilius, hat de vulgo pædagogorum alſo geurtheilet:
Bey dem einmahl die Schul-Ungeſchicklichkeit und Thor-

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[18/0062] warum nennet Junius, in ſeinem Namen-Anzeiger, einen Philo- ſophum einen gelehrten Fantaſten? Lieber! ſage mir doch, warum hat Rudolph Gualther, der gelehrte Schweitzer, ſeinen Lands- mann Glareanum einen gelehrten Narren geheiſſen? Warum nen- net Epictetus; beym Arriano in libris diſſertationum, Scholaſticum animal, quod ab omnibus deridetur, ein Scholaſticus, oder vielmehr Scholhaſius ſeye ein Thier, deſſen jederman lache? wie Duarenus lib. 1. diſput. anniverſ. cap. 3. Qui ſtudiis literarum ſe dediderint, eos ad res gerendas fere ineptiores cæteris eſſe, quotidie experimur, Die ſich auf das Studiren begeben, die ſehen wie faſt taͤglich daß ſie zn denen Welt-Geſchaͤfften viel ungeſchickter ſeynd, als die, ſo nichts gelernet. Wie ſaget Medenemus Cretuen- ſis, cum videret multos in doctrina nec modum nec modeſtiam te- nere? Sagt er nicht, plurimos navigare Athenas Studiorum gratia, qui primum eſſent ſapientes, deinde fierent Philoſophi, tunc progreſſu temporis evaderent idiotæ, Ihrer viele, die nach Athen ziehen Studierens halber, die waͤren Anfangs gar witzig. Uber eine Weile wuͤrden ſie Philoſophi, und endlich gar tumme Teufel, oder alberne Narren. Mit denen allen ſtimmet uͤberein Mich. Montigni in ſeinen periculis, da er ſchreibet: Ich habe meiner Zeit hundert und hundert Bauers- leute geſehen, die witziger und kluger waren als mancher Doctor, ſo daß ich lieber jenem als dieſen aͤhnlich ſeyn wolte. Sieheſt du nun, mein lieber Schul-Fuchs! daß dieſes eine alte Klage iſt, und nicht erſt von mir herkoͤmmet. Derohal- ben liebes Maͤnlein! werde nicht zornig uͤber mich, oder uͤber die braven Leute, die ich jetzt angezogen, Romſurdus, derer Frantzo- Frantzoſen Virgilius, hat de vulgo pædagogorum alſo geurtheilet: Bey dem einmahl die Schul-Ungeſchicklichkeit und Thor- heit

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Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/62>, abgerufen am 27.04.2024.