Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

Bild:
<< vorherige Seite

Verbum regiert. Er hat Zeit seines Lebens keinen Sinn oder Meynung:"
denn er gehet allein mit Worten um. Alle seine Ehre suchet er im Criticismo"
und seine Exempel im Nizolio. Seine Phrases elegirt er nach dem Thon"
und Wohllaut derer Sylben. Die acht Partes Orationes sind seine Famuli."
Kurtz: Er ist ein Heteroclytus. Denn er hat keinen Pluralem numerum, son-"
dern nur die singularem qualitatem derer Worte. Macht er in diesem keinen"
Solaecismum; so ist doch sein gantzes Leben anders nichts als ein continuus"
Solaecismus
"

Ein gewisser vornehmer Mann, und grosser Gelehrter schreibet: "Schul-"
Füchse sind die allergrössesten Symplicia unter allen Kräutern, gantz unge-"
saltzene, und ungeschmaltzene, Stock-Fische und Bläche zu allen Sachen ver-"
drossen und unwillig. Sie lernen lange Jahre und Tage, und begreiffen"
doch nichts. Gleichwohl düncken sie sich grosse Meister der Klugheit, ob sie"
schon auf der Welt nichts können als Worte machen. Wann man ihnen"
begegnet, möchte man allemal eine Hand voll Wermuth in das Maul neh-"
men, damit man derer tiefsinnigen Herren nicht lache. Grüsset man sie, sobe-"
dencken sie sich, ob es ex rei literaria utilitate seye, daß sie antworten, die Hand"
bieten, oder beyde zugleich bieten sollen? Alsdann ergreiffen dieselben das Hüt-"
lein mit voller Hand wo es am höchsten ist, drehen es eine Weile vor dem Maul"
in den Händen herum, und machen andere tolle Geberden mehr. Sitzen sie"
bey einem über Tische, so können sie vor tieffen Gedancken nicht zu reden"
kommen. Fragt man sie etwas, so schweigen sie eine Weile stille. Hernach"
bringen sie wenig vor, und das sich noch darzu eben so auf die Frage reimet,"
wie eine Faust auf das Auge; oder sie sagen auch wohl gar nichts. Mercken sie,"
daß man ihrer nicht wahrnimmet, so stehlen sie sich geschwinde von der Gesell-"
schafft hinweg, und wischen zum Loche hinaus, das der Maurer, oder Zim-"
mermann offen gelassen hat."

Ein anderer spricht von denen Pedanten: "Sie haben es mit ihrem"
ungeschlachten Wesen,
und unzierlichen Sitten, dahin gebracht, daß das"
gemeine Volck mit Fingern auf sie deutet, darum nennet sie Epictetus ein"
Thier, dessen jedermann lachet. Ihres Gebrauchs wegen, den sie haben,"
auch denen geringsten Dingen, sehr tief, und gleichsam mit Verwunderung,"
nachzusinnen, anbey in dieser ihrer Stockfischerey sich bereden, ob seyen sie al-"
leine witzig, heisset man sie Fantasten, und es ist der Name eines Philosophi"
dermassen verachtet, daß man auch, im Schertz und Ernst, denselben ei-"

nem
D

Verbum regiert. Er hat Zeit ſeines Lebens keinen Sinn oder Meynung:„
denn er gehet allein mit Worten um. Alle ſeine Ehre ſuchet er im Criticiſmo
und ſeine Exempel im Nizolio. Seine Phraſes elegirt er nach dem Thon„
und Wohllaut derer Sylben. Die acht Partes Orationes ſind ſeine Famuli.
Kurtz: Er iſt ein Heteroclytus. Denn er hat keinen Pluralem numerum, ſon-„
dern nur die ſingularem qualitatem derer Worte. Macht er in dieſem keinen„
Solæciſmum; ſo iſt doch ſein gantzes Leben anders nichts als ein continuus„
Solæciſmus

Ein gewiſſer vornehmer Mann, und groſſer Gelehrter ſchreibet: “Schul-„
Fuͤchſe ſind die allergroͤſſeſten Symplicia unter allen Kraͤutern, gantz unge-„
ſaltzene, und ungeſchmaltzene, Stock-Fiſche und Blaͤche zu allen Sachen ver-„
droſſen und unwillig. Sie lernen lange Jahre und Tage, und begreiffen„
doch nichts. Gleichwohl duͤncken ſie ſich groſſe Meiſter der Klugheit, ob ſie„
ſchon auf der Welt nichts koͤnnen als Worte machen. Wann man ihnen„
begegnet, moͤchte man allemal eine Hand voll Wermuth in das Maul neh-„
men, damit man derer tiefſinnigen Herren nicht lache. Gruͤſſet man ſie, ſobe-„
dencken ſie ſich, ob es ex rei literaria utilitate ſeye, daß ſie antworten, die Hand„
bieten, oder beyde zugleich bieten ſollen? Alsdann ergreiffen dieſelben das Huͤt-„
lein mit voller Hand wo es am hoͤchſten iſt, drehen es eine Weile vor dem Maul„
in den Haͤnden herum, und machen andere tolle Geberden mehr. Sitzen ſie„
bey einem uͤber Tiſche, ſo koͤnnen ſie vor tieffen Gedancken nicht zu reden„
kommen. Fragt man ſie etwas, ſo ſchweigen ſie eine Weile ſtille. Hernach„
bringen ſie wenig vor, und das ſich noch darzu eben ſo auf die Frage reimet,„
wie eine Fauſt auf das Auge; oder ſie ſagen auch wohl gar nichts. Mercken ſie,„
daß man ihrer nicht wahrnimmet, ſo ſtehlen ſie ſich geſchwinde von der Geſell-„
ſchafft hinweg, und wiſchen zum Loche hinaus, das der Maurer, oder Zim-„
mermann offen gelaſſen hat.„

Ein anderer ſpricht von denen Pedanten:Sie haben es mit ihrem„
ungeſchlachten Weſen,
und unzierlichen Sitten, dahin gebracht, daß das„
gemeine Volck mit Fingern auf ſie deutet, darum nennet ſie Epictetus ein„
Thier, deſſen jedermann lachet. Ihres Gebrauchs wegen, den ſie haben,„
auch denen geringſten Dingen, ſehr tief, und gleichſam mit Verwunderung,„
nachzuſinnen, anbey in dieſer ihrer Stockfiſcherey ſich bereden, ob ſeyen ſie al-„
leine witzig, heiſſet man ſie Fantaſten, und es iſt der Name eines Philoſophi
dermaſſen verachtet, daß man auch, im Schertz und Ernſt, denſelben ei-„

nem
D
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0069" n="25"/><hi rendition="#aq">Verbum</hi> regiert. Er hat Zeit &#x017F;eines Lebens keinen Sinn oder Meynung:&#x201E;<lb/>
denn er gehet allein mit Worten um. Alle &#x017F;eine Ehre &#x017F;uchet er im <hi rendition="#aq">Critici&#x017F;mo</hi>&#x201E;<lb/>
und &#x017F;eine Exempel im <hi rendition="#aq">Nizolio.</hi> Seine <hi rendition="#aq">Phra&#x017F;es elegi</hi>rt er nach dem Thon&#x201E;<lb/>
und Wohllaut derer Sylben. Die acht <hi rendition="#aq">Partes Orationes</hi> &#x017F;ind &#x017F;eine <hi rendition="#aq">Famuli.</hi>&#x201E;<lb/>
Kurtz: Er i&#x017F;t ein <hi rendition="#aq">Heteroclytus.</hi> Denn er hat keinen <hi rendition="#aq">Pluralem numerum,</hi> &#x017F;on-&#x201E;<lb/>
dern nur die <hi rendition="#aq">&#x017F;ingularem qualitatem</hi> derer Worte. Macht er in die&#x017F;em keinen&#x201E;<lb/><hi rendition="#aq">Solæci&#x017F;mum;</hi> &#x017F;o i&#x017F;t doch &#x017F;ein gantzes Leben anders nichts als ein <hi rendition="#aq">continuus&#x201E;<lb/>
Solæci&#x017F;mus</hi>&#x201E;</p><lb/>
        <p>Ein gewi&#x017F;&#x017F;er vornehmer Mann, und gro&#x017F;&#x017F;er Gelehrter &#x017F;chreibet: &#x201C;Schul-&#x201E;<lb/>
Fu&#x0364;ch&#x017F;e &#x017F;ind die allergro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e&#x017F;ten <hi rendition="#aq">Symplicia</hi> unter allen Kra&#x0364;utern, gantz unge-&#x201E;<lb/>
&#x017F;altzene, und unge&#x017F;chmaltzene, Stock-Fi&#x017F;che und Bla&#x0364;che zu allen Sachen ver-&#x201E;<lb/>
dro&#x017F;&#x017F;en und unwillig. Sie lernen lange Jahre und Tage, und begreiffen&#x201E;<lb/>
doch nichts. Gleichwohl du&#x0364;ncken &#x017F;ie &#x017F;ich gro&#x017F;&#x017F;e Mei&#x017F;ter der Klugheit, ob &#x017F;ie&#x201E;<lb/>
&#x017F;chon auf der Welt nichts ko&#x0364;nnen als Worte machen. Wann man ihnen&#x201E;<lb/>
begegnet, mo&#x0364;chte man allemal eine Hand voll Wermuth in das Maul neh-&#x201E;<lb/>
men, damit man derer tief&#x017F;innigen Herren nicht lache. Gru&#x0364;&#x017F;&#x017F;et man &#x017F;ie, &#x017F;obe-&#x201E;<lb/>
dencken &#x017F;ie &#x017F;ich, ob es <hi rendition="#aq">ex rei literaria utilitate</hi> &#x017F;eye, daß &#x017F;ie antworten, die Hand&#x201E;<lb/>
bieten, oder beyde zugleich bieten &#x017F;ollen? Alsdann ergreiffen die&#x017F;elben das Hu&#x0364;t-&#x201E;<lb/>
lein mit voller Hand wo es am ho&#x0364;ch&#x017F;ten i&#x017F;t, drehen es eine Weile vor dem Maul&#x201E;<lb/>
in den Ha&#x0364;nden herum, und machen andere tolle Geberden mehr. Sitzen &#x017F;ie&#x201E;<lb/>
bey einem u&#x0364;ber Ti&#x017F;che, &#x017F;o ko&#x0364;nnen &#x017F;ie vor tieffen Gedancken nicht zu reden&#x201E;<lb/>
kommen. Fragt man &#x017F;ie etwas, &#x017F;o &#x017F;chweigen &#x017F;ie eine Weile &#x017F;tille. Hernach&#x201E;<lb/>
bringen &#x017F;ie wenig vor, und das &#x017F;ich noch darzu eben &#x017F;o auf die Frage reimet,&#x201E;<lb/>
wie eine Fau&#x017F;t auf das Auge; oder &#x017F;ie &#x017F;agen auch wohl gar nichts. Mercken &#x017F;ie,&#x201E;<lb/>
daß man ihrer nicht wahrnimmet, &#x017F;o &#x017F;tehlen &#x017F;ie &#x017F;ich ge&#x017F;chwinde von der Ge&#x017F;ell-&#x201E;<lb/>
&#x017F;chafft hinweg, und wi&#x017F;chen zum Loche hinaus, das der Maurer, oder Zim-&#x201E;<lb/>
mermann offen gela&#x017F;&#x017F;en hat.&#x201E;</p><lb/>
        <p>Ein anderer &#x017F;pricht von denen <hi rendition="#aq">Pedanten:</hi> &#x201C;<hi rendition="#fr">Sie haben es mit ihrem&#x201E;<lb/>
unge&#x017F;chlachten We&#x017F;en,</hi> und unzierlichen Sitten, dahin gebracht, daß das&#x201E;<lb/>
gemeine Volck mit Fingern auf &#x017F;ie deutet, darum nennet &#x017F;ie <hi rendition="#aq">Epictetus</hi> ein&#x201E;<lb/>
Thier, de&#x017F;&#x017F;en jedermann lachet. Ihres Gebrauchs wegen, den &#x017F;ie haben,&#x201E;<lb/>
auch denen gering&#x017F;ten Dingen, &#x017F;ehr tief, und gleich&#x017F;am mit Verwunderung,&#x201E;<lb/>
nachzu&#x017F;innen, anbey in die&#x017F;er ihrer Stockfi&#x017F;cherey &#x017F;ich bereden, ob &#x017F;eyen &#x017F;ie al-&#x201E;<lb/>
leine witzig, hei&#x017F;&#x017F;et man &#x017F;ie Fanta&#x017F;ten, und es i&#x017F;t der Name eines <hi rendition="#aq">Philo&#x017F;ophi</hi>&#x201E;<lb/>
derma&#x017F;&#x017F;en verachtet, daß man auch, im Schertz und Ern&#x017F;t, den&#x017F;elben ei-&#x201E;<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D</fw><fw place="bottom" type="catch">nem</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[25/0069] Verbum regiert. Er hat Zeit ſeines Lebens keinen Sinn oder Meynung:„ denn er gehet allein mit Worten um. Alle ſeine Ehre ſuchet er im Criticiſmo„ und ſeine Exempel im Nizolio. Seine Phraſes elegirt er nach dem Thon„ und Wohllaut derer Sylben. Die acht Partes Orationes ſind ſeine Famuli.„ Kurtz: Er iſt ein Heteroclytus. Denn er hat keinen Pluralem numerum, ſon-„ dern nur die ſingularem qualitatem derer Worte. Macht er in dieſem keinen„ Solæciſmum; ſo iſt doch ſein gantzes Leben anders nichts als ein continuus„ Solæciſmus„ Ein gewiſſer vornehmer Mann, und groſſer Gelehrter ſchreibet: “Schul-„ Fuͤchſe ſind die allergroͤſſeſten Symplicia unter allen Kraͤutern, gantz unge-„ ſaltzene, und ungeſchmaltzene, Stock-Fiſche und Blaͤche zu allen Sachen ver-„ droſſen und unwillig. Sie lernen lange Jahre und Tage, und begreiffen„ doch nichts. Gleichwohl duͤncken ſie ſich groſſe Meiſter der Klugheit, ob ſie„ ſchon auf der Welt nichts koͤnnen als Worte machen. Wann man ihnen„ begegnet, moͤchte man allemal eine Hand voll Wermuth in das Maul neh-„ men, damit man derer tiefſinnigen Herren nicht lache. Gruͤſſet man ſie, ſobe-„ dencken ſie ſich, ob es ex rei literaria utilitate ſeye, daß ſie antworten, die Hand„ bieten, oder beyde zugleich bieten ſollen? Alsdann ergreiffen dieſelben das Huͤt-„ lein mit voller Hand wo es am hoͤchſten iſt, drehen es eine Weile vor dem Maul„ in den Haͤnden herum, und machen andere tolle Geberden mehr. Sitzen ſie„ bey einem uͤber Tiſche, ſo koͤnnen ſie vor tieffen Gedancken nicht zu reden„ kommen. Fragt man ſie etwas, ſo ſchweigen ſie eine Weile ſtille. Hernach„ bringen ſie wenig vor, und das ſich noch darzu eben ſo auf die Frage reimet,„ wie eine Fauſt auf das Auge; oder ſie ſagen auch wohl gar nichts. Mercken ſie,„ daß man ihrer nicht wahrnimmet, ſo ſtehlen ſie ſich geſchwinde von der Geſell-„ ſchafft hinweg, und wiſchen zum Loche hinaus, das der Maurer, oder Zim-„ mermann offen gelaſſen hat.„ Ein anderer ſpricht von denen Pedanten: “Sie haben es mit ihrem„ ungeſchlachten Weſen, und unzierlichen Sitten, dahin gebracht, daß das„ gemeine Volck mit Fingern auf ſie deutet, darum nennet ſie Epictetus ein„ Thier, deſſen jedermann lachet. Ihres Gebrauchs wegen, den ſie haben,„ auch denen geringſten Dingen, ſehr tief, und gleichſam mit Verwunderung,„ nachzuſinnen, anbey in dieſer ihrer Stockfiſcherey ſich bereden, ob ſeyen ſie al-„ leine witzig, heiſſet man ſie Fantaſten, und es iſt der Name eines Philoſophi„ dermaſſen verachtet, daß man auch, im Schertz und Ernſt, denſelben ei-„ nem D

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/69
Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/69>, abgerufen am 27.04.2024.