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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

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ist er doch aus der Region derer Gelehrten gäntzlich verbannet, indem unter ih-
nen sich immerfort Leute befinden, die mit einander in der grösten Feindschafft
leben und unaufhörlich zancken. Eines von denen allerfrischesten Exempel des
lächerlichen Krieges derer Gelehrten ist derjenige Streit, den ein gewisser be-
rühmter Holländischer Schulmann, mit andern vornehmen Europaeischen Ge-
lehrten, in Franckreich und Engelland des Quintiliani wegen hat. Ihre des-
falls gewechselten Schrifften sind mit sehr vielen unhöflichen und stachlichten
Worten angefüllet. Ja man kan sagen, daß sie einander so unhöflich begeg-
nen, als es von groben Bauren kaum ärger zu vermuthen, und ich zweiffele
nicht, daß, Falls diese Zäncker in Person einander rencontriren solten, sie es
eben so machen würden, wie es die ungehobelten und ungeschlachten Bauer-
Lümmel in denen Schencken, wann sie zu viel gezechet nicht selten zu machen
pflegen, da sie nemlich einander bey denen Haaren erwischen, und sich schlagen,
daß die Hunde das Blut lecken möchten. Absonderlich hat sich der Holländer
recht excessiv grob wider seine Gegner aufgeführet, und Quintilianus, daferne
er solches wissen und erfahren solte, würde sich sonder allen Zweiffel nicht we-
nig über ihn ärgern.

Dieser nemlich M. Fabius Quintilianus, war ein vortrefflicher Redner,
welcher zu Neronis und Domitiani Zeiten in Rom lebete. Von Geburt aber
ist er ein Spanier, und, wie einige Vorgeben, von Calahorra gebürtig gewe-
sen. Galba brachte ihn nach Rom, allwo er mit grossen Ruhm, als Professor
Eloquentiae,
oder der Rede-Kunst, gantzer zwantzig Jahre gelebet. Man
sagt, daß er der erste gewesen seye, welcher vor seine Lehren eine öffentliche
Besoldung bekommen habe. Der Kayser Domitianus hielte ihn sehr werth,
und ließ seines Bruders Kinder von ihm unterrichten. Man hat von ihm sei-
ne Institutiones Oratorias, welche in Zwölff Büchern bestehen, und von dem be-
rühmten Poggio zu unglaublicher Freude derer Gelehrten, zu erst seynd heraus
gegeben worden; desgleichen Dialogum de oratoribus s. de caufis corruptae
eloquentiae.
Die hundert und fünff und viertzig Declamationes aber, welche
noch biß dato verhanden sind, und zu erst von Uguleto Petro Aerodio in den
Druck gekommen, werden nicht ohne Wahrscheinlichkeit des Quintiliani Groß-
Vater beygeleget. Die XIX Declamatienes longiores aber werden dem ersten
Quintiliano fälschlich zugeschrieben, und wollen einige sie dem Marco Floro,
und Posthumio Juniori, einem von denen dreyßig Tyrannen zueignen. Die
gesamten Schrifften sind zu Leyden, Anno 1665. in zwey 8tav Bänden, durch
Petrum Galandium, mit des Turnebi, Camerarii, Paraei, Gronovii, und Va-

rio-
E

iſt er doch aus der Region derer Gelehrten gaͤntzlich verbannet, indem unter ih-
nen ſich immerfort Leute befinden, die mit einander in der groͤſten Feindſchafft
leben und unaufhoͤrlich zancken. Eines von denen allerfriſcheſten Exempel des
laͤcherlichen Krieges derer Gelehrten iſt derjenige Streit, den ein gewiſſer be-
ruͤhmter Hollaͤndiſcher Schulmann, mit andern vornehmen Europæiſchen Ge-
lehrten, in Franckreich und Engelland des Quintiliani wegen hat. Ihre des-
falls gewechſelten Schrifften ſind mit ſehr vielen unhoͤflichen und ſtachlichten
Worten angefuͤllet. Ja man kan ſagen, daß ſie einander ſo unhoͤflich begeg-
nen, als es von groben Bauren kaum aͤrger zu vermuthen, und ich zweiffele
nicht, daß, Falls dieſe Zaͤncker in Perſon einander rencontriren ſolten, ſie es
eben ſo machen wuͤrden, wie es die ungehobelten und ungeſchlachten Bauer-
Luͤmmel in denen Schencken, wann ſie zu viel gezechet nicht ſelten zu machen
pflegen, da ſie nemlich einander bey denen Haaren erwiſchen, und ſich ſchlagen,
daß die Hunde das Blut lecken moͤchten. Abſonderlich hat ſich der Hollaͤnder
recht exceſſiv grob wider ſeine Gegner aufgefuͤhret, und Quintilianus, daferne
er ſolches wiſſen und erfahren ſolte, wuͤrde ſich ſonder allen Zweiffel nicht we-
nig uͤber ihn aͤrgern.

Dieſer nemlich M. Fabius Quintilianus, war ein vortrefflicher Redner,
welcher zu Neronis und Domitiani Zeiten in Rom lebete. Von Geburt aber
iſt er ein Spanier, und, wie einige Vorgeben, von Calahorra gebuͤrtig gewe-
ſen. Galba brachte ihn nach Rom, allwo er mit groſſen Ruhm, als Profeſſor
Eloquentiæ,
oder der Rede-Kunſt, gantzer zwantzig Jahre gelebet. Man
ſagt, daß er der erſte geweſen ſeye, welcher vor ſeine Lehren eine oͤffentliche
Beſoldung bekommen habe. Der Kayſer Domitianus hielte ihn ſehr werth,
und ließ ſeines Bruders Kinder von ihm unterrichten. Man hat von ihm ſei-
ne Inſtitutiones Oratorias, welche in Zwoͤlff Buͤchern beſtehen, und von dem be-
ruͤhmten Poggio zu unglaublicher Freude derer Gelehrten, zu erſt ſeynd heraus
gegeben worden; desgleichen Dialogum de oratoribus ſ. de caufis corruptæ
eloquentiæ.
Die hundert und fuͤnff und viertzig Declamationes aber, welche
noch biß dato verhanden ſind, und zu erſt von Uguleto Petro Aerodio in den
Druck gekommen, werden nicht ohne Wahrſcheinlichkeit des Quintiliani Groß-
Vater beygeleget. Die XIX Declamatienes longiores aber werden dem erſten
Quintiliano faͤlſchlich zugeſchrieben, und wollen einige ſie dem Marco Floro,
und Poſthumio Juniori, einem von denen dreyßig Tyrannen zueignen. Die
geſamten Schrifften ſind zu Leyden, Anno 1665. in zwey 8tav Baͤnden, durch
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rio-
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[37/0081] iſt er doch aus der Region derer Gelehrten gaͤntzlich verbannet, indem unter ih- nen ſich immerfort Leute befinden, die mit einander in der groͤſten Feindſchafft leben und unaufhoͤrlich zancken. Eines von denen allerfriſcheſten Exempel des laͤcherlichen Krieges derer Gelehrten iſt derjenige Streit, den ein gewiſſer be- ruͤhmter Hollaͤndiſcher Schulmann, mit andern vornehmen Europæiſchen Ge- lehrten, in Franckreich und Engelland des Quintiliani wegen hat. Ihre des- falls gewechſelten Schrifften ſind mit ſehr vielen unhoͤflichen und ſtachlichten Worten angefuͤllet. Ja man kan ſagen, daß ſie einander ſo unhoͤflich begeg- nen, als es von groben Bauren kaum aͤrger zu vermuthen, und ich zweiffele nicht, daß, Falls dieſe Zaͤncker in Perſon einander rencontriren ſolten, ſie es eben ſo machen wuͤrden, wie es die ungehobelten und ungeſchlachten Bauer- Luͤmmel in denen Schencken, wann ſie zu viel gezechet nicht ſelten zu machen pflegen, da ſie nemlich einander bey denen Haaren erwiſchen, und ſich ſchlagen, daß die Hunde das Blut lecken moͤchten. Abſonderlich hat ſich der Hollaͤnder recht exceſſiv grob wider ſeine Gegner aufgefuͤhret, und Quintilianus, daferne er ſolches wiſſen und erfahren ſolte, wuͤrde ſich ſonder allen Zweiffel nicht we- nig uͤber ihn aͤrgern. Dieſer nemlich M. Fabius Quintilianus, war ein vortrefflicher Redner, welcher zu Neronis und Domitiani Zeiten in Rom lebete. Von Geburt aber iſt er ein Spanier, und, wie einige Vorgeben, von Calahorra gebuͤrtig gewe- ſen. Galba brachte ihn nach Rom, allwo er mit groſſen Ruhm, als Profeſſor Eloquentiæ, oder der Rede-Kunſt, gantzer zwantzig Jahre gelebet. Man ſagt, daß er der erſte geweſen ſeye, welcher vor ſeine Lehren eine oͤffentliche Beſoldung bekommen habe. Der Kayſer Domitianus hielte ihn ſehr werth, und ließ ſeines Bruders Kinder von ihm unterrichten. Man hat von ihm ſei- ne Inſtitutiones Oratorias, welche in Zwoͤlff Buͤchern beſtehen, und von dem be- ruͤhmten Poggio zu unglaublicher Freude derer Gelehrten, zu erſt ſeynd heraus gegeben worden; desgleichen Dialogum de oratoribus ſ. de caufis corruptæ eloquentiæ. Die hundert und fuͤnff und viertzig Declamationes aber, welche noch biß dato verhanden ſind, und zu erſt von Uguleto Petro Aerodio in den Druck gekommen, werden nicht ohne Wahrſcheinlichkeit des Quintiliani Groß- Vater beygeleget. Die XIX Declamatienes longiores aber werden dem erſten Quintiliano faͤlſchlich zugeſchrieben, und wollen einige ſie dem Marco Floro, und Poſthumio Juniori, einem von denen dreyßig Tyrannen zueignen. Die geſamten Schrifften ſind zu Leyden, Anno 1665. in zwey 8tav Baͤnden, durch Petrum Galandium, mit des Turnebi, Camerarii, Paræi, Gronovii, und Va- rio- E

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Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/81>, abgerufen am 27.04.2024.