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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

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ten; wie wir dann wissen, daß ein gewisser Philosophus sich öffentlich ver-
lauten lassen, er wolle keine Königliche Crone aufheben, und
wann er sie auch mitten im Wege finden sollte. Viele zwar ha-
ben diese Worte dem, der sie gesprochen, vor eine hohe Tugend und
Weisheit zugerechnet; ich aber spreche, daß sie von einem puren
pedan-
ti
schen Eigensinn, Stoltz und Hochmuth, hergekommen.

Den Krieg unter allen Völckern in der Welt verwerffen und miß-
billigen die närrischen
Philosophi überhaupt und seynd doch selbst die ärg-
sten Zäncker und Feder-Krieger. De Haus-Sorge verdammen sie als
ein unnöthig Dieng und der Kummer naget und frißet sie gleichwohl
selber Tag und Nacht, dergestalt, daß sie immerfort schreyen; Woher
nehmen wir Brod? Nach ihrer Lehre solle man die Schätze und Reich-
thümer verlachen; und ist doch gleichwohl niemand begieriger dar-
nach, als viele von ihnen es sind. Die aber, welche sie wircklich verach-
ten, thun es aus einem
philosophischen Hochmuth und Eigensinn, wo-
bey sie auch alle Freude und Lust, alle Ergötzlichkeiten alle weltliche Ge-
setze und Gerichte, ja den gemeinen Nutzen überhaupt verwerffen. Wann
es bey ihnen stünde, dörffte man vor denenselben nirgends schiffen, fah-
ren oder reiten, ja wie ich glaube auch nicht einmal kacken, oder auf das
geheime Cämmergen gehen. Das ärgste ist, das viele von ihnen so
gar den Ehestand vermaledeyen, und die Fortpflantzung des mensch-
lichen Geschlechts mißbilligen, folglich gerne die Welt wüste und
öde machten, müsten sie auch gleich selber darüber zu Grunde ge-
hen. Was anders aber als dieses wollen und sagen sie dadurch, es seye
das Beste niemals geboren werden, oder das höchste Glücke nach
der Geburt bald wieder sterben und mit der Welt gar keinen Um-
gang haben. O Grillen! o abgeschmackte Fantasey!

Der geneigte Leser beliebe sich zu erinnern, welchergestalt er eben jetzo gelo-
sen, daß sich diejenigen, welche sich lange bey dem Studieren aufhalten, ge-
meiniglich Schaden thun, weil sie die Zeit darüber versäumen, binnen welcher
sie selber zu einer schönen Experientz gelangen könten. Das aber, was allhier
geschrieben stehet, sehen wir an nicht wenig Leuten welche täglich vor unsern
Augen herum gehen, daß sie nemlich lange Jahre auf Schulen und Univer-
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ten gelebet, und doch nichts gelernet haben und nichts bedeuten; au contraire

recht
F

ten; wie wir dann wiſſen, daß ein gewiſſer Philoſophus ſich oͤffentlich ver-
lauten laſſen, er wolle keine Koͤnigliche Crone aufheben, und
wann er ſie auch mitten im Wege finden ſollte. Viele zwar ha-
ben dieſe Worte dem, der ſie geſprochen, vor eine hohe Tugend und
Weisheit zugerechnet; ich aber ſpreche, daß ſie von einem puren
pedan-
ti
ſchen Eigenſinn, Stoltz und Hochmuth, hergekommen.

Den Krieg unter allen Voͤlckern in der Welt verwerffen und miß-
billigen die naͤrriſchen
Philoſophi uͤberhaupt und ſeynd doch ſelbſt die aͤrg-
ſten Zaͤncker und Feder-Krieger. De Haus-Sorge verdammen ſie als
ein unnoͤthig Dieng und der Kummer naget und frißet ſie gleichwohl
ſelber Tag und Nacht, dergeſtalt, daß ſie immerfort ſchreyen; Woher
nehmen wir Brod? Nach ihrer Lehre ſolle man die Schaͤtze und Reich-
thuͤmer verlachen; und iſt doch gleichwohl niemand begieriger dar-
nach, als viele von ihnen es ſind. Die aber, welche ſie wircklich verach-
ten, thun es aus einem
philoſophiſchen Hochmuth und Eigenſinn, wo-
bey ſie auch alle Freude und Luſt, alle Ergoͤtzlichkeiten alle weltliche Ge-
ſetze und Gerichte, ja den gemeinen Nutzen uͤberhaupt verwerffen. Wann
es bey ihnen ſtuͤnde, doͤrffte man vor denenſelben nirgends ſchiffen, fah-
ren oder reiten, ja wie ich glaube auch nicht einmal kacken, oder auf das
geheime Caͤmmergen gehen. Das aͤrgſte iſt, das viele von ihnen ſo
gar den Eheſtand vermaledeyen, und die Fortpflantzung des menſch-
lichen Geſchlechts mißbilligen, folglich gerne die Welt wuͤſte und
oͤde machten, muͤſten ſie auch gleich ſelber daruͤber zu Grunde ge-
hen. Was anders aber als dieſes wollen und ſagen ſie dadurch, es ſeye
das Beſte niemals geboren werden, oder das hoͤchſte Gluͤcke nach
der Geburt bald wieder ſterben und mit der Welt gar keinen Um-
gang haben. O Grillen! o abgeſchmackte Fantaſey!

Der geneigte Leſer beliebe ſich zu erinnern, welchergeſtalt er eben jetzo gelo-
ſen, daß ſich diejenigen, welche ſich lange bey dem Studieren aufhalten, ge-
meiniglich Schaden thun, weil ſie die Zeit daruͤber verſaͤumen, binnen welcher
ſie ſelber zu einer ſchoͤnen Experientz gelangen koͤnten. Das aber, was allhier
geſchrieben ſtehet, ſehen wir an nicht wenig Leuten welche taͤglich vor unſern
Augen herum gehen, daß ſie nemlich lange Jahre auf Schulen und Univer-
ſite
ten gelebet, und doch nichts gelernet haben und nichts bedeuten; au contraire

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[41/0085] ten; wie wir dann wiſſen, daß ein gewiſſer Philoſophus ſich oͤffentlich ver- lauten laſſen, er wolle keine Koͤnigliche Crone aufheben, und wann er ſie auch mitten im Wege finden ſollte. Viele zwar ha- ben dieſe Worte dem, der ſie geſprochen, vor eine hohe Tugend und Weisheit zugerechnet; ich aber ſpreche, daß ſie von einem puren pedan- tiſchen Eigenſinn, Stoltz und Hochmuth, hergekommen. Den Krieg unter allen Voͤlckern in der Welt verwerffen und miß- billigen die naͤrriſchen Philoſophi uͤberhaupt und ſeynd doch ſelbſt die aͤrg- ſten Zaͤncker und Feder-Krieger. De Haus-Sorge verdammen ſie als ein unnoͤthig Dieng und der Kummer naget und frißet ſie gleichwohl ſelber Tag und Nacht, dergeſtalt, daß ſie immerfort ſchreyen; Woher nehmen wir Brod? Nach ihrer Lehre ſolle man die Schaͤtze und Reich- thuͤmer verlachen; und iſt doch gleichwohl niemand begieriger dar- nach, als viele von ihnen es ſind. Die aber, welche ſie wircklich verach- ten, thun es aus einem philoſophiſchen Hochmuth und Eigenſinn, wo- bey ſie auch alle Freude und Luſt, alle Ergoͤtzlichkeiten alle weltliche Ge- ſetze und Gerichte, ja den gemeinen Nutzen uͤberhaupt verwerffen. Wann es bey ihnen ſtuͤnde, doͤrffte man vor denenſelben nirgends ſchiffen, fah- ren oder reiten, ja wie ich glaube auch nicht einmal kacken, oder auf das geheime Caͤmmergen gehen. Das aͤrgſte iſt, das viele von ihnen ſo gar den Eheſtand vermaledeyen, und die Fortpflantzung des menſch- lichen Geſchlechts mißbilligen, folglich gerne die Welt wuͤſte und oͤde machten, muͤſten ſie auch gleich ſelber daruͤber zu Grunde ge- hen. Was anders aber als dieſes wollen und ſagen ſie dadurch, es ſeye das Beſte niemals geboren werden, oder das hoͤchſte Gluͤcke nach der Geburt bald wieder ſterben und mit der Welt gar keinen Um- gang haben. O Grillen! o abgeſchmackte Fantaſey! Der geneigte Leſer beliebe ſich zu erinnern, welchergeſtalt er eben jetzo gelo- ſen, daß ſich diejenigen, welche ſich lange bey dem Studieren aufhalten, ge- meiniglich Schaden thun, weil ſie die Zeit daruͤber verſaͤumen, binnen welcher ſie ſelber zu einer ſchoͤnen Experientz gelangen koͤnten. Das aber, was allhier geſchrieben ſtehet, ſehen wir an nicht wenig Leuten welche taͤglich vor unſern Augen herum gehen, daß ſie nemlich lange Jahre auf Schulen und Univer- ſiteten gelebet, und doch nichts gelernet haben und nichts bedeuten; au contraire recht F

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Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/85>, abgerufen am 26.04.2024.