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Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841.

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türlicher und nothwendiger Weise keine andern Erklärungs-
gründe als eben die Qualitäten der Natur, die den tiefsten
Eindruck auf sein Gemüth machten. J. Böhm -- dieß ist
seine wesentliche Bedeutung -- ist ein mystischer Naturphilo-
soph, ein theosophischer Vulkanist *) und Neptunist,
denn im "Feuer und Wasser urständen nach ihm alle Dinge."
Die Natur hatte Jakob's religiöses Gemüth fascinirt -- nicht
umsonst empfing er von dem Glanze eines zinnernen Geschir-
res sein mystisches Licht -- aber das religiöse Gemüth webt
nur in sich selbst; es hat nicht die Kraft, nicht den Muth,
zur Anschauung der Dinge in ihrer Wirklichkeit zu dringen; es
erblickt Alles durch das Medium der Religion, Alles in Gott,
d. h. Alles im entzückenden, das Gemüth ergreifenden Glanze
der Imagination, Alles im Bilde und als Bild. Aber die
Natur afficirte sein Gemüth entgegengesetzt; er mußte diesen
Gegensatz daher in Gott selbst setzen -- denn die Annahme
von zwei selbstständig existirenden entgegengesetzten Urprinci-
pien hätte sein religiöses Gemüth zerrissen -- er mußte in
Gott selbst
unterscheiden ein sanftes, wohlthätiges und ein
grimmiges, verzehrendes Wesen. Alles Feurige, Bittere, Herbe,
Zusammenziehende, Finstere, Kalte kommt aus einer göttlichen
Herbigkeit, Bitterkeit, alles Milde, Glänzende, Erwärmende,
Weiche, Sanfte, Nachgiebige aus einer milden, sanften, erleuch-
tenden Qualität in Gott. "Das seynd nun die Creaturen auf
Erden, im Wasser und in der Luft, die Vögel, eine jede Crea-
tur aus seiner eignen Scientz, aus Gutem und Bösem .....

*) Merkwürdiger Weise wandelte der Philosophus teutonicus wie
geistig, so auch physisch auf vulkanischem Grunde. "Die Stadt Gör-
litz ist durchaus mit lauter Basalt gepflastert." Charpentier Mineral.
Geographie der Chursächsischen Lande. p. 19.

türlicher und nothwendiger Weiſe keine andern Erklärungs-
gründe als eben die Qualitäten der Natur, die den tiefſten
Eindruck auf ſein Gemüth machten. J. Böhm — dieß iſt
ſeine weſentliche Bedeutung — iſt ein myſtiſcher Naturphilo-
ſoph, ein theoſophiſcher Vulkaniſt *) und Neptuniſt,
denn im „Feuer und Waſſer urſtänden nach ihm alle Dinge.“
Die Natur hatte Jakob’s religiöſes Gemüth fascinirt — nicht
umſonſt empfing er von dem Glanze eines zinnernen Geſchir-
res ſein myſtiſches Licht — aber das religiöſe Gemüth webt
nur in ſich ſelbſt; es hat nicht die Kraft, nicht den Muth,
zur Anſchauung der Dinge in ihrer Wirklichkeit zu dringen; es
erblickt Alles durch das Medium der Religion, Alles in Gott,
d. h. Alles im entzückenden, das Gemüth ergreifenden Glanze
der Imagination, Alles im Bilde und als Bild. Aber die
Natur afficirte ſein Gemüth entgegengeſetzt; er mußte dieſen
Gegenſatz daher in Gott ſelbſt ſetzen — denn die Annahme
von zwei ſelbſtſtändig exiſtirenden entgegengeſetzten Urprinci-
pien hätte ſein religiöſes Gemüth zerriſſen — er mußte in
Gott ſelbſt
unterſcheiden ein ſanftes, wohlthätiges und ein
grimmiges, verzehrendes Weſen. Alles Feurige, Bittere, Herbe,
Zuſammenziehende, Finſtere, Kalte kommt aus einer göttlichen
Herbigkeit, Bitterkeit, alles Milde, Glänzende, Erwärmende,
Weiche, Sanfte, Nachgiebige aus einer milden, ſanften, erleuch-
tenden Qualität in Gott. „Das ſeynd nun die Creaturen auf
Erden, im Waſſer und in der Luft, die Vögel, eine jede Crea-
tur aus ſeiner eignen Scientz, aus Gutem und Böſem .....

*) Merkwürdiger Weiſe wandelte der Philosophus teutonicus wie
geiſtig, ſo auch phyſiſch auf vulkaniſchem Grunde. „Die Stadt Gör-
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[118/0136] türlicher und nothwendiger Weiſe keine andern Erklärungs- gründe als eben die Qualitäten der Natur, die den tiefſten Eindruck auf ſein Gemüth machten. J. Böhm — dieß iſt ſeine weſentliche Bedeutung — iſt ein myſtiſcher Naturphilo- ſoph, ein theoſophiſcher Vulkaniſt *) und Neptuniſt, denn im „Feuer und Waſſer urſtänden nach ihm alle Dinge.“ Die Natur hatte Jakob’s religiöſes Gemüth fascinirt — nicht umſonſt empfing er von dem Glanze eines zinnernen Geſchir- res ſein myſtiſches Licht — aber das religiöſe Gemüth webt nur in ſich ſelbſt; es hat nicht die Kraft, nicht den Muth, zur Anſchauung der Dinge in ihrer Wirklichkeit zu dringen; es erblickt Alles durch das Medium der Religion, Alles in Gott, d. h. Alles im entzückenden, das Gemüth ergreifenden Glanze der Imagination, Alles im Bilde und als Bild. Aber die Natur afficirte ſein Gemüth entgegengeſetzt; er mußte dieſen Gegenſatz daher in Gott ſelbſt ſetzen — denn die Annahme von zwei ſelbſtſtändig exiſtirenden entgegengeſetzten Urprinci- pien hätte ſein religiöſes Gemüth zerriſſen — er mußte in Gott ſelbſt unterſcheiden ein ſanftes, wohlthätiges und ein grimmiges, verzehrendes Weſen. Alles Feurige, Bittere, Herbe, Zuſammenziehende, Finſtere, Kalte kommt aus einer göttlichen Herbigkeit, Bitterkeit, alles Milde, Glänzende, Erwärmende, Weiche, Sanfte, Nachgiebige aus einer milden, ſanften, erleuch- tenden Qualität in Gott. „Das ſeynd nun die Creaturen auf Erden, im Waſſer und in der Luft, die Vögel, eine jede Crea- tur aus ſeiner eignen Scientz, aus Gutem und Böſem ..... *) Merkwürdiger Weiſe wandelte der Philosophus teutonicus wie geiſtig, ſo auch phyſiſch auf vulkaniſchem Grunde. „Die Stadt Gör- litz iſt durchaus mit lauter Baſalt gepflaſtert.“ Charpentier Mineral. Geographie der Churſächſiſchen Lande. p. 19.

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Zitationshilfe: Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Leipzig, 1841, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/feuerbach_christentum_1841/136>, abgerufen am 28.04.2024.