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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808.

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seiner Uebel zu Grunde. Hoffet nicht, und
tröstet euch nicht, mit der aus der Luft gegrif¬
fenen, auf bloße Wiederholung der schon ein¬
getretenen Fälle rechnenden Meinung, daß ein
zweitesmal, nach Untergang der alten Bildung,
eine neue, auf den Trümmern der ersten, aus
einer halb barbarischen Nation, hervorgehen
werde. In der alten Zeit war ein solches
Volk, mit allen Erfordernissen zu dieser Bestim¬
mung ausgestattet, vorhanden, und war dem
Volke der Bildung recht wohl bekannt, nnd
ist von ihnen beschrieben; und diese selbst, wenn
sie den Fall ihres Unterganges zu setzen ver¬
mocht hätten, würden an diesem Volke das
Mittel der Wiederherstellung haben entdeken
können. Auch uns ist die gesammte Oberfläche
der Erde recht wohl bekannt, und alle die Völ¬
ker, die auf derselben leben. Kennen wir denn
nun ein solches, dem Stammvolke der neuen
Welt ähnliches Volk, von welchem die gleichen
Erwartungen sich fassen ließen? Ich denke, jeder,
der nur nicht bloß schwärmerisch meint und
hofft, sondern gründlich untersuchend denkt,

ſeiner Uebel zu Grunde. Hoffet nicht, und
troͤſtet euch nicht, mit der aus der Luft gegrif¬
fenen, auf bloße Wiederholung der ſchon ein¬
getretenen Faͤlle rechnenden Meinung, daß ein
zweitesmal, nach Untergang der alten Bildung,
eine neue, auf den Truͤmmern der erſten, aus
einer halb barbariſchen Nation, hervorgehen
werde. In der alten Zeit war ein ſolches
Volk, mit allen Erforderniſſen zu dieſer Beſtim¬
mung ausgeſtattet, vorhanden, und war dem
Volke der Bildung recht wohl bekannt, nnd
iſt von ihnen beſchrieben; und dieſe ſelbſt, wenn
ſie den Fall ihres Unterganges zu ſetzen ver¬
mocht haͤtten, wuͤrden an dieſem Volke das
Mittel der Wiederherſtellung haben entdeken
koͤnnen. Auch uns iſt die geſammte Oberflaͤche
der Erde recht wohl bekannt, und alle die Voͤl¬
ker, die auf derſelben leben. Kennen wir denn
nun ein ſolches, dem Stammvolke der neuen
Welt aͤhnliches Volk, von welchem die gleichen
Erwartungen ſich faſſen ließen? Ich denke, jeder,
der nur nicht bloß ſchwaͤrmeriſch meint und
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[489/0495] ſeiner Uebel zu Grunde. Hoffet nicht, und troͤſtet euch nicht, mit der aus der Luft gegrif¬ fenen, auf bloße Wiederholung der ſchon ein¬ getretenen Faͤlle rechnenden Meinung, daß ein zweitesmal, nach Untergang der alten Bildung, eine neue, auf den Truͤmmern der erſten, aus einer halb barbariſchen Nation, hervorgehen werde. In der alten Zeit war ein ſolches Volk, mit allen Erforderniſſen zu dieſer Beſtim¬ mung ausgeſtattet, vorhanden, und war dem Volke der Bildung recht wohl bekannt, nnd iſt von ihnen beſchrieben; und dieſe ſelbſt, wenn ſie den Fall ihres Unterganges zu ſetzen ver¬ mocht haͤtten, wuͤrden an dieſem Volke das Mittel der Wiederherſtellung haben entdeken koͤnnen. Auch uns iſt die geſammte Oberflaͤche der Erde recht wohl bekannt, und alle die Voͤl¬ ker, die auf derſelben leben. Kennen wir denn nun ein ſolches, dem Stammvolke der neuen Welt aͤhnliches Volk, von welchem die gleichen Erwartungen ſich faſſen ließen? Ich denke, jeder, der nur nicht bloß ſchwaͤrmeriſch meint und hofft, ſondern gruͤndlich unterſuchend denkt,

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Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 489. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/495>, abgerufen am 28.04.2024.